Der 8. Mai 1945 markiert einen wichtigen Tag in der Geschichte: Das Ende des Zweiten Weltkriegs. Dennoch soll dieser Zeitpunkt nicht als "Stunde Null", als Anfang einer neuen Geschichte gesehen werden, hält Mag. Bernhard Loss, Leiter des Carl-Lampert-Forums, anlässlich des Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus fest. Und erklärt, was ihm persönlich in der Beschäftigung mit der Zeit von 1938 bis 1945 wichtig geworden ist.

Im Bild rechts: Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel unterzeichnet am 8. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht im Hauptquartier der Roten Armee in Berlin-Karlshorst.

Der 8. Mai 1945 - keine "Stunde Null"
Mit dem 8. Mai 1945 war der Krieg zu Ende, es verschwand aber nicht die Ideologie des Nationalsozialismus. Ich hatte in der Oberstufe des Gymnasiums einen engagierten Geschichtelehrer, der einen besonderen Schwerpunkt auf die Zeit des Nationalsozialismus legte. Es war ihm wichtig, dass sich eine solche Entgleisung der  mitteleuropäischen Zivilisation nicht nochmals ereignen darf. Trotz dieser intensiven Beschäftigung mit der Zeit von 1938 bis 1945 hatte ich lange Zeit die Vorstellung, dass mit dem Kriegsende am 8. Mai 1945 die dunklen Schatten des Nationalsozialismus verschwunden seien. Wahrscheinlich bin ich nicht der einzige, der diese Vorstellung hatte.

Mittlerweile ist mir klargeworden, dass der 8. Mai 1945 nicht die Stunde Null war. Meinrad Pichler schreibt dazu in seinem neuen Buch „Nationalsozialismus in Vorarlberg: Opfer-Täter-Gegner“ (Studienverlag Innsbruck 2012): „Das Kriegsende in den ersten Maitagen des Jahres 1945 und die Wiedererrichtung einer Vorarlberger Landesregierung – damals Landesausschuss genannt – sind oft als „Stunde Null“ bezeichnet worden. Man meint also, dass im Mai 1945 die Geschichte neu angefangen habe. Menschen, Gesellschaft und Institutionen seien nicht nur von der NS-Herrschaft befreit, sondern auch von der NS-Ideologie einigermaßen gereinigt worden. So grundsätzlich ist aber der Bruch nicht vollzogen worden. Denn die Menschen sind aus der Katastrophe nur teilweise geläutert hervorgegangen, weil vieles vom Gedankengut, das den Nationalsozialismus ermöglicht hat, allgegenwärtig ist und weil man irgendwie auf den vorhandenen Scherben aufbauen muss.“

Diese Kontinuität ist in beruflichen Karrieren zu sehen. So zeigt Alt-Landesgerichtspräsident Alfons Dür in seinem Artikel „Die Justiz in Vorarlberg 1938 bis 1945 – ein Überblick“ (Heft 55 der Rheticus-Gesellschaft, Feldkirch 2012) exemplarisch die ungebrochene Berufslaufbahn eines führenden Vertreters der Justiz: „Wenn es einen ‚fanatischen‘ Anhänger des Nationalsozialismus in der Justiz in Vorarlberg gegeben hat, dann war dies zweifellos Dr. Herbert Möller, der mit 1. April 1941 zum Leiter der Staatsanwaltschaft Feldkirch bestellt worden war. … Möller verlor im Zuge der Entnazifizierung sein Amt, wurde aber 1954 in Wien wieder in den Justizdienst aufgenommen und beendete schließlich seine Karriere im Jahre 1967 als Richter des Obersten Gerichtshofes.“

Auch die unvorstellbar harten Erziehungsmethoden in Kindererziehungsanstalten, die bis in die 1970er-Jahre „normal“ waren und die zur Zeit aufgearbeitet werden (z.B.Wilhelminenberg, Jagdberg), haben zumindest teilweise ihre Wurzeln in der Ideologie des Nationalsozialismus.

Wie kommt das Gute in die Welt?
Das Herbstsymposium 2012 der Katholischen Kirche Vorarlberg in St. Arbogast hatte zum Thema „Wie das Gute in die Welt kommt … und was wir beitragen können“.

Es war dies auch ein Schwerpunkt-Thema in der Weihnachtsausgabe 2011 der deutschen Wochenzeitschrift „Zeit“. Die Frage, wie kann ich richtig handeln und Zeichen des Guten, der Mitmenschlichkeit setzen, ist eine Frage, die nicht nur die Kirchen beschäftigt. Ein Satz des Symposiums ist mir besonders in Erinnerung geblieben: „Hoffen lernt man auch durch Handeln, handeln als ob Rettung möglich werde.“ Ich weiß nicht, welcher Referent, welche Referentin diesen Satz sagte, aber dieser Satz bringt es für mich auf den Punkt, wie Menschen in bedrängter Zeit Gutes in die Welt gebracht haben: sie haben gehandelt.

Der selige Carl Lampert – Carl Lampert in mir, in dir
Carl Lampert hat gehandelt, „als ob Rettung möglich werde.“ Gehandelt aus der „inneren Kraft“ des Glaubens, aus der Hoffnung des „Trotzdem“. Für mich ist er ein Vorbild, die Zeichen der Zeit nicht nur zu erkennen, sondern auch zu handeln. Für mich ist er ein Mensch, der darum selig ist, weil er mit beiden Beinen auf dem Boden der harten Wirklichkeit stand und gleichzeitig seine Ideale Glaube, Hoffnung und Liebe zu leben versuchte. Entdecken wir Carl Lampert in uns  -„Damit Menschen wieder Menschen werden –oder bleiben –können.“ - am heutigen Gedenktag und immer.