Suchen wir das Wort ‚selig’ in unserer Alltagssprache, so stellen wir fest, dass es kaum vorkommt. Vielleicht treffen wir einmal auf den Satz: „Sie war selig.“ Schlagen wir im etymologischen Wörterbuch nach, dann stoßen wir gleich auf mehrere Umschreibungen: ‚glücklich, zum Glück bestimmt, gesegnet, heilbringend, heilsam, fromm.’


Inhalte

Zum Glück "gehen"
Universales Phänomen
FürsprecherInnen
Vorbild
Verehrung
Seligsprechungsverfahren
Märtyrer oder Held?


Zum Glück "gehen"?

Das hebräische ‚aschrej’ kann ebenfalls mit ‚glücklich’ übersetzt werden und enthält in seinem Wortstamm die Bedeutung ‚gehen’. Ein Hinweis dafür, dass Glück bzw. Seligkeit etwas mit Bewegung zu tun hat und dem Festgefahrenen und Erstarrten quasi wegläuft. Allein diese Hinweise eröffnen eine Auseinandersetzung, die vom kleinen Alltagsglück bis zur großen Seligkeit reicht – sie umfasst das gesamte Dasein, weil Glück / Seligkeit als Daseins-Weise sowie Ziel allen Seins verstanden werden kann.


Der folgende Abschnitt widmet sich allerdings lediglich der Bedeutung von ‚selig’ im Zusammenhang mit Seligsprechungen. Erst im Praxisteil wird das Thema anhand verschiedener Impulse und Bausteine für den Unterricht ausgeweitet.


Universales Phänomen

Betrachten wir das Wort ‚selig’ auf spiritueller Ebene, so ist es erstaunlich, dass wir in verschiedensten Religionen auf ein Phänomen stoßen, das eine Verbindung von Menschen mit dem Göttlichen beschreibt. Es ist schwer, diese Verbindung in Worte zu fassen, sie erschließt sich eher durch konkrete Erfahrung. Auch variiert der Grad der Verbindung und Vertiefung ins Göttliche, was in der Unterschiedlichkeit der Bezeichnung zum Ausdruck kommt.

So können wir wohl nicht sagen, dass mit ‚selig’ bzw. ‚heilig’ und ‚erleuchtet’ dasselbe gemeint ist. Was die Begriffe zu umschreiben versuchen, ist die Bewusstheit, die Wissen und Zusammenhänge über Welt und Kosmos, über Leben und Tod offenbart, sowie das tugendhafte Leben, das aus dieser Bewusstheit erwächst.


FürsprecherInnen

Selige bzw. Heilige leben in enger Verbindung mit dem Göttlichen – sie haben sozusagen einen guten ‚Draht’ zur göttlichen Wirklichkeit, der auch nach ihrem Tod Bestand hat. Aus diesem Grunde treten sie als FürbitterInnen für Lebende und Verstorbene auf. Das Gebet zum Hl. Antonius, wenn wir etwas verloren haben oder zum Hl. Judas Taddäus in Notlagen sind nur zwei Beispiele für die Fürsprache der Heiligen und ihre jeweilige Zuständigkeit.

Auch im Budhhismus kennt man Erleuchtete, die ihr Ziel (Nirvana) zwar erreicht haben, aber aus Mitgefühl noch hier auf der Erde bleiben, um andere auf ihrem Weg zu unterstützen.
Für manche Zeitgenossen klingt das wie Magie und scheint im Widerspruch zum naturwissenschaftlich-technischen Weltbild zu stehen.

Dazu seien zwei Dinge angemerkt: es gibt vieles, das nicht naturwissenschaftlich erklärt werden kann – dennoch ist es existent und wirksam. Des weiteren kann jede und jeder selbst ausprobieren, ob Heilige wirksame FürsprecherInnen sind – die Gebete sind kostenlos...


Vorbild

Die Verbindung mit dem Göttlichen ist eine Fähigkeit, die prinzipiell jeder Mensch in sich trägt – die geradezu Ziel des Menschseins ist, aber nicht von jedem Menschen in gleicher Weise verwirklicht wird. Insofern können Selige/Heilige Vorbild sein und Mut machen, den eigenen Weg zu gehen – abseits von Trends und gesellschaftlichen Vorstellungen, fern von ‚must-have’ und ‚geht-gar-nicht’.

Das heißt nicht, dass es nur noch Mönche oder Nonnen gibt – Bewusstwerdung ist keine Frage der äußeren Umstände wie Beruf oder Lebensgemeinschaft – sie ist eine Frage der inneren Haltung und Ausrichtung.


Verehrung

Die Verehrung von Seligen bzw. Heiligen hat seit Jahrhunderten schon mannigfaltige Formen angenommen – hier konnten die Christengemeinden ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Hinter all diesen Kultobjekten und Ritualen steckt das Bedürfnis, den Glauben ganzheitlich – mit allen Sinnen - zu begreifen und zu feiern. Wird dies gemeinschaftlich getan, verbindet es Menschen untereinander.

Natürlich besteht dabei immer die Gefahr, dass Äußerlichkeiten zum Selbstzweck werden und Inhalte verloren gehen bzw. durch andere ersetzt werden – der Weihnachtsmann ist wohl ein Paradebeispiel dafür. Hier sind wir alle gefordert, eigenständig nachzudenken und zu hinterfragen – was wir denn tun und feiern.


Seligsprechungsverfahren

Heiligenverehrung geht immer vom Volk aus. Menschen werden aufgrund ihres Lebens oder Sterbens (für den Glauben – dann wird von ‚Martyrium’ gesprochen) verehrt – d.h. ihre Erinnerung wird auf unterschiedliche Art und Weise wach gehalten. Im Verlaufe der Kirchengeschichte hat sich ein Verfahren entwickelt, welches das Leben von verehrten Menschen genauestens überprüft, um so jegliche Form von Fehl-Verehrung zu vermeiden.

Von der Seligsprechung zur Heiligsprechung ist es kein großer Schritt – es gibt hier keine qualitative Unterscheidung. Allerdings braucht es für die Heiligsprechung von ‚Nicht-Märtyrern’ den Nachweis eines Wunders, das auf Fürsprache des/der Seligen geschehen ist. Heilige werden weltweit, Selige lediglich regional verehrt.
Was hinter einer Seligsprechung steckt und wie sie abläuft, erfahren Sie unter "Wie funktioniert ein Seligsprechungsverfahren"


Märtyrer oder Held?

Wollen wir von 'Martyrium' sprechen, so gilt es, genau hinzuschauen. Es reicht nämlich nicht aus, sein Leben heldenhaft zu beenden und einen heroischen Tod zu sterben. MärtyrerInnen sind vielmehr Menschen, die ihr Leben vollenden, die ihren Lebensweg unbeirrt weiter gehen bis in den Tod, die ihre Haltung durchtragen und sich nicht verbiegen und brechen lassen.

Die Kraftquelle, die solche Standfestigkeit ermöglicht, wird unterschiedliche Namen haben - im christlichen Kontext ist es Jesus Christus selbst. Aus der Verbundenheit mit ihm leben und sterben MärtyrerInnen, sie setzen der Gewalt die Ohnmacht der Liebe entgegen und schaffen damit eine Alternative zum Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt. Mehr zu christlichem Martyrium finden Sie hier.