[Durch einen Klick ins Bild rechts öffnet sich die Bildergalerie mit Einblicken zur Gedenkveranstaltung und Enthüllung der Stele für Ernst Volkmann in Bregenz. Die Notizen zu den Bildern hat Walter Buder verfasst.]

Die Ansprache von Pastoralamtsleiter Dr. Walter Schmolly (im Bild unten) anlässlich der Enthüllung der Gedenkstele für Ernst Volkmann am 14. November 2010, 11.15 Uhr auf dem Vorplatz der Stadtpfarrkirche Bregenz St. Gallus. 

Verehrte Familie Volkmann!
Geschätzter Herr Bürgermeister!
Lieber Herr Pfarrer!
Liebe Versammelte!

Dieses von der "Gedenkgruppe Bregenz" initiierte öffentliche Erinnerungszeichen für Ernst Volkmann ist unter mehrfacher Rücksicht von großer Bedeutung. Drei Aspekte will ich nennen. 

 
Erstens: "Selig, die keine Gewalt anwenden" (Mt 5,5)

Diese Erinnerung ist der Person Ernst Volkmann geschuldet. Ernst Volkmann wurde vom Reichskriegsgericht wegen der "Zersetzung der Wehrkraft" verurteilt. Zersetzer der Wehrkraft des Deutschen Reiches, das sollte - so der Wille des Regimes - seine erinnerte Identität sein, sonst nichts. Dieser gewaltsamen Identitätszuschreibung wird hier jetzt eine ganz andere Erinnerung entgegen gehalten, die Erinnerung einer Identität dieser Person Ernst Volkmann, über die das Regime keine Macht bekommen hat.

Die Stele ist ein sehr stimmiges Zeichen dieses Erinnerns. In der Form einer Bushaltestelle vergegenwärtigt sie den äußeren Alltag. Dort wo man die Abfahrtszeiten der Busse erwartet, begegnen dann aber die Lebensdaten von Ernst Volkmann und das Faksimile seiner Sterbeurkunde. Dadurch wird die Stele zu einer Unterbrechung, die den Blick ins Innere führt.

Schmolly Walter Gedenkstele VolkmannDas Innere des Ernst Volkmann, das auch der Gewalt seiner Henker nicht gewichen ist, war eine große Freiheit, Klarheit und Gewaltlosigkeit, "eine seltene Innerlichkeit", wie der Gefängnisgeistliche Pfr. Jochmann in einem Brief an Frau Volkmann schrieb, eine intensive Art, "in der Gegenwart Gottes zu leben". Das war seine Identität, und nicht die durch die Nationalsozialisten gewalttätig und entfremdend zugeschriebene Identität eines Wehrkraft-Zersetzers. Und diese wahre Identität des Ernst Volkmann als Christ und Mystiker, der seinen Tod nicht nur erlitten, sondern in einer namenlosen Größe und inneren Freiheit auch getan hat, soll - so lese ich die Botschaft dieser Stele - die Erinnerung an ihn bestimmen. Er steht damit in einer Reihe mit vielen Großen, unter ihnen auch Provikar Carl Lampert und P. Franz Reinisch. Das Erinnerungszeichen ermöglicht es uns, uns heute an ihm aufzurichten als Menschen der Freiheit, des Gewissens und der Gewaltlosigkeit.

 
Zweitens: Die "Reinigung des Gedächtnisses" (Johannes Paul II., Tertio Millenio Adveniente, 1994)

Ernst Volkmann verweigerte dem nationalsozialistischen Regime jegliche Anerkennung und insbesondere den Kriegsdienst, weil er, wie wiederum Pfr. Jochmann schreibt, einem Mann wie Hitler "nicht den Eid der Treue leisten" konnte. Er wusste Gott von einem Götzen zu unterscheiden.

Im großen Lied des Mose im alttestamentlichen Buch Deuteronomium heißt es: "Denk an die Tage der Vergangenheit, lerne aus den Jahren der Geschichte!" (Dtn 32,7) Das Lernen aus dem, was in der Zeit des Nationalsozialismus geschehen ist, bedarf der Klarheit von Menschen wie Ernst Volkmann, die im Dunkel von damals in der Treue zum Licht ihres Gewissens das Böse als böse identifiziert haben und das Gute als gut bezeugt haben. Johannes Paul II. hat die Kirche zur "Reinigung ihres Gedächtnisses" aufgerufen. Diese Reinigung ist nur von den Gewissenszeugen und -zeuginnen von damals her möglich und sie muss selbstverständlich einher gehen mit der Reue und der Bitte um Vergebung für die eigenen Verwicklungen in die Machenschaften des Bösen.
Was für die Kirche gilt, gilt hier auch für die Gesellschaft als Ganze. Nur eine Erinnerung, die zur Klarheit und Konsequenz des Ernst Volkmann findet, ermöglicht letztlich Versöhnung und eröffnet eine Gegenwart und Zukunft ohne die dunklen Schatten der Vergangenheit. Die Gedenkstele für Ernst Volkmann ist ein Beitrag zur Reinigung des Gedächtnisses von Kirche und Gesellschaft.

 
Drittens: "Seid wachsam!" (Mt 24,42)

Wozu man im Großen fähig ist, wird meist im Kleinen eingeübt. Das große Zeugnis des Ernst Volkmann steht als Verkörperung des biblischen Rufs "Seid wachsam!" am Horizont der Alltäglichkeiten unseres Lebens. Seid wachsam! Achtet auf die Mechanismen der Stigmatisierung, der Marginalisierung und der Ausgrenzung! Deckt sie auf, macht nicht mit, stellt euch entgegen! Mit der Gedenkstele für Ernst Volkmann hat der Ruf in diese Wachsamkeit einen konkreten Ort gefunden.

Ich danke namens der Diözese der "Gedenkgruppe Bregenz" unter der Leitung von Frau Mag.a Susanne Emerich und Mag. Andreas Eder und dem Künstler, der die Stele konzipiert und gestaltet hat, Prof. Georg Vith.
Möge uns der Ruf der Stele erreichen und immer wieder wandeln.

Dr. Walter Schmolly
Pastoralamtsleiter, Katholische Kirche Vorarlberg