Sie sind billiger als reguläre Soldaten und leichter zu manipulieren. Sie werden in "Trainingslager" verschleppt, bedroht und zum Töten gezwungen. Die, die nicht als Kanonenfutter verheizt wurden, finden nur schwer traumatisiert wieder in den Alltag zurück. Normalität gibt es keine mehr. Ihre Opfer verfolgen sie bis in den Schlaf. Rund 250.000 Kinder werden als "Kindersoldaten" derzeit gezwungen zu kämpfen und zu morden. Der Einsatz dabei: Ihr Leben.

Die Erzählungen von Kindern wie Sylvère, Thomas oder Simon sind grausam und kaum vorstellbar. Sie waren Kinder aus Burundi, Kongo oder Mali - in Ländern, in denen kriegerische Auseinandersetzungen an der Tagesordnung sind. Bis sie brutal aus ihrer Kindheit gerissen wurden. Die Geschichte ist dabei immer dieselbe: Mit 15 Jahren werden sie von schwerbewaffnete Kämpfern entführt - ihre Familie oftmals ermordet. Monatelang müssen sie Munition und Proviant schleppen, Wasser und Holz sammeln, Botengänge machen, Gegner und Dörfer ausspionieren - die Todesangst ist dabei ihr ständiger Begleiter.

Harte "Ausbildung"
Dann erfolgt der "Aufstieg": In einem militärischen  Training werden sie ausgebildet: Kung Fu, Pistole, Kalaschnikow, Handgranate, Granatwerfer. Die Abschlussprüfung ist der erste Mord. Oftmals werden sie gezwungen Gleichaltrige oder sogar Freunde zu ermorden um ihre Solidarität unter Beweis zu stellen. Wenn sie ihre Kalaschnikow verlieren oder einen Fluchtversuch wagen, werden sie zu Tode geprügelt. 

"Kinder sind leicht zu manipulieren, können oft noch nicht genau zwischen Gut und Böse unterscheiden, streben nach Anerkennung, können Gefahren nicht richtig einschätzen und sind sich der Finalität des Todes nicht bewusst" erklärt die Psychologie-Professorin an der Université du Burundi, Théodora Nisabwe. "Gefühle werden ihnen systematisch abtrainiert. So werden sie oft besonders brutale Soldaten." 

Alkohol, Drogen, Mord und Vergewaltigung
Kindersoldaten kämpfen widerspruchslos in vorderster Linie und werden als erste geopfert. Ihr Leben ist hart: Während der Schulung werden sie Erdlöcher gesperrt und geprügelt, wenn sie auf Wache einschlafen. Sie müssen Mitglieder der eigenen Familie töten, das Blut erschlagener Feinde trinken und Körperteile zu essen, um "gefügig zu werden". Alkohol und Drogen sind neben dem Töten und Vergewaltigen ihre ständigen Begleiter. Sie verlieren Hemmungen und Skrupel und lernen, dass nur wer stark ist gewinnt und dass ein Gewehr in der Hand Macht und Sicherheit verleiht. 

Schicksal der Mädchen
Nicht nur Burschen, auch Mädchen werden als Kindersoldaten zwangsrektrutiert. Sie übernehmen dabei nicht nur häusliche Aufgaben als Köchinnen und Hausmädchen, sondern werden auch zum Tragen von Munition und Waffen oder als Funkerinnen "verwendet". Während ihrer Zeit im bewaffneten Konflikt werden weibliche Kindersoldaten außerdem häufig von männlichen Kämpfern vergewaltigt und sexuell versklavt.

Hilfe für Kindersoldaten
Humanitäre Organisation versuchen, diesen verlorenen Kindern zu helfen. Sie verhandeln mit den Militärs, sensibilisieren die Öffentlichkeit und befreien Kindersoldaten. Die Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen sieben und 16 Jahren werden in Transitzentren untergebracht. Hier warten sie meist zwei Monate auf ihre offizielle Entlassung vom Militär, ohne die sie sonst Gefahr laufen, als Deserteure erschossen zu werden. Es braucht viel Zeit, gute Kontakte zu den kämpfenden Truppeneinheiten und viel Verhandlungsgeschick, um Kindersoldaten freizubekommen.

"Der Einsatz von Kindern in Kriegen gehört zum grausamen Alltag in vielen unserer Projektländer", beklagt Oliver Müller, Leiter von Caritas international. "Die aktuellen Ereignisse zeigen leider, dass wir trotz Erfolgen bei der strafrechtlichen Verfolgung der Täter und Verbesserungen im rechtlichen Bereich weit davon entfernt sind, diese abscheulichen Kriegsverbrechen stoppen zu können." Müller spielt dabei auf die tausenden Kindersoldaten in der Demokratischen Republik Kongo und in Mali in den vergangenen Monaten an. 

Kindersoldatenzentren
Die Caritas unterhält unter anderem im Kongo vier Kindersoldatenzentren. In diesen Zentren hat sich die Zahl der aufgenommenen Jungen und Mädchen aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen innerhalb weniger Monate nahezu verdoppelt. Die Kinder werden dort von Caritas-Mitarbeitern nach ihrer Freilassung drei Monate lang medizinisch und psychologisch betreut. Ziel der Projekte ist die Rückkehr der Kinder in ihre Familien. Im Norden von Mali bereitet Caritas international derzeit die Wiederaufnahme der Straßenkinderprojekte vor, die seit April 2012 aufgrund des Krieges ausgesetzt werden mussten. Für die ehemaligen Kindersoldaten, die dem Zugriff der Milizen entfliehen konnten, sollen dort unter anderem Möglichkeiten der Berufsausbildung geschaffen werden. 

Nicht zuletzt mit dem Aktionstages gegen den Einsatz von Kindern in Kriegen am 12. Februar soll auf die Situation der weltweit rund 250.000 Kindersoldaten hingewiesen werden. (red/caritas)

Kindersoldaten-Schicksale zum Nachlesen:

Sylvère: "Die Nächsten zu töten war nicht mehr schwer"
"Dieumerci": "Wir töteten, wir verstümmelten die Gesichter"
Simon Musoni: Ein ehemaliger Kindersoldat