Die prekäre Situation in ihrem Land hat in den letzten Monaten viele UkrainerInnen aus ihrer Heimat vertrieben. Auf der Suche nach einem sicheren Zufluchtsort sind viele Menschen aus Osteuropa auch in Vorarlberg gelandet. Hier werden sie von den Hilfsorganisationen nach Kräften unterstützt. Auch die Katholische Kirche Vorarlberg leistet dabei einen wichtigen Beitrag.

„Die Solidarität und die Hilfsbereitschaft sind enorm“, sagt Caritas-Mitarbeiter Martin Feurstein als Leiter der Flüchtlingskoordination im Raum Bregenz. „Uns wurden in den letzten Wochen so viele Objekte zur Unterbringung Vertriebener aus der Ukraine angeboten, dass wir mit der Anfragebeantwortung bzw. Besichtigung gar nicht hinterherkamen“, bringt er die enorme Hilfsbereitschaft der Vorarlberger auf den Punkt. Allmählich hätten die Caritas-MitarbeiterInnen aber wieder Boden unter den Füßen.

Vier unter einem Dach

Allein im Raum Bregenz sind derzeit rund 350 Personen in über 30 verschiedenen Grundversorgungsquartieren untergebracht. Auch die Diözese Feldkirch hat ihre Hilfe angeboten und ein Haus in Hard, welches von der Stiftung Jugend und Leben zur Verfügung gestellt wird, angeboten. Die Caritas hat hierzu zwei Gebäudeteile im Ausmaß von rund 245 m² angemietet. Auf das Erdgeschoss und den ersten Stock verteilt, leben hier derzeit vier Familien unter einem Dach zusammen.

Haus adaptiert

Vor dem Einzug der 13 Vertriebenen musste das Objekt, das zuvor einige Zeit leer gestanden war, zunächst ausgeräumt bzw. neu möbliert werden. Dafür war einiges an Improvisationstalent gefordert, wie es Feurstein ausdrückt. „Die Räume wurden teilweise umfunktioniert und an die Bedürfnisse der Familien angepasst“, führt er aus. Die Zusammenarbeit von Diözese und Caritas bezeichnet der Flüchtlingskoordinator als eine Win-Win-Situation. „Zum einen ist es gut, wenn das Haus nicht so lange leer steht. Wir sind andererseits froh, ein Objekt anbieten zu können, und für die Familien stellt das Objekt eine sichere Unterkunft dar“, sagt er. Um die Neuankömmlinge bestmöglich unterstützen zu können, wird seitens der Caritas eine aufsuchende Betreuung angeboten. „Das bedeutet, dass die Mitarbeiter/innen regelmäßig vor Ort sind. So können wir die Lebensrealität der Menschen besser kennenlernen“, erklärt Feurstein.

Schwerer Beginn

Julia und ihre Familie haben sich in Hard inzwischen bereits recht gut eingelebt. Seit Ende März ist die junge Frau mit ihrem Mann Remsi und der vierjährigen Melissa in Vorarlberg. Der Weg hierhin war ein langer und beschwerlicher, erzählt sie. Über Moldawien, Rumänien und Ungarn kam die junge Familie aus Cherson in der Südukraine nach Österreich. Zunächst nach Wien und dann weiter nach Vorarlberg. Hier lernte sie ihre nunmehrige Mitbewohnerin Nadja kennen, die mit ihrem achtjährigen Sohn Artem aus dem Osten des Landes geflohen war. „Am Anfang war es nicht einfach für uns alle. Wir haben ein bis zwei Wochen gebraucht, um uns aneinander zu gewöhnen. Inzwischen verstehen wir uns aber sehr gut“, sind sich Julia und Nadja einig. Ihre Kinder verstehen sich ebenfalls prächtig und bringen sich gegenseitig Sprachen bei, da Melissa bisher nur Ukrainisch, Artem nur Russisch gesprochen hat. „Die Kinder sind glücklich hier“, sagt Julia und meint damit nicht nur die eigenen, die in Kindergarten und Schule bereits einige Freunde gefunden haben. Auch die Kinder von hier kommen der jungen Frau sehr glücklich vor. „Das bin ich von zuhause nicht so gewohnt“, erzählt sie. Auch weil sie die Umgebung mit den Bergen und dem See sehr an ihre Heimat erinnert, ist die Sehnsucht nach ihrem Zuhause groß. „Wir sind uns aber bewusst, dass wir es hier sehr gut haben und wir sind sehr dankbar für alles, was für uns gemacht wird; wirklich sehr, sehr dankbar!“, sagt sie.

Andere Rahmenbedingungen

Wenngleich die Situation für die vertriebenen Ukrainer/innen alles andere als einfach ist, hält Martin Feurstein fest, dass diese ganz andere Rahmenbedingungen vorfinden als etwa Flüchtlinge aus Syrien oder Afghanistan. „Für ihren Aufenthalt ist kein Asylantrag erforderlich, da sie laut Gesetz nicht als Flüchtlinge, sondern als Vertriebene gelten“, so Feurstein. Die strukturelle Besserstellung hört hier aber nicht auf. Neben einem Zugang zum Arbeitsmarkt verfügen die Osteuropäer auch über das Recht auf Reisefreiheit.

Während sich die Aufteilung bei Flüchtlingen nach der Bevölkerungszahl richte, sei es im Fall der Ukraine anders. „Viele von ihnen bleiben in Wien, da in solchen Fällen Ballungsräume aufgrund der Gegebenheiten bevorzugt werden. Aufgrund der großen Entfernung liegt Vorarlberg zudem auch geografisch ungünstig. Viele Menschen, die zu uns gekommen sind, kennen bereits jemanden im Land“, spricht Feurstein in diesem Zusammenhang von Migrationsnetzwerken.

Und noch eine große Diskrepanz macht Feurstein fest: Die Ukrainer wollen (größtenteils) nicht hier im Land bleiben, sondern wieder zurückkehren. So ist es auch bei Julia und ihrer Familie: „Wir hoffen, dass der Krieg bald zu Ende ist und wir in unsere Heimat zurückkehren können.“ So lange wollen sie hier in Hard aber das Beste aus ihrer Situation machen und getreu einem ukrainischen Motto den Humor nicht verlieren.