Im Norden von Armenien, rund um die Stadt Gjumri, riss ein Erdbeben 1988 Zehntausende in den Tod. Die Menschen dort leben zum Teil immer noch in den damals aufgestellten Notcontainern. Die Caritas Vorarlberg bzw. Österreich hilft hier mit 15 Sozialarbeiter/innen. Kinder erhalten Geld für Schulkosten, Kleidung und Lebensmittel. Das KirchenBlatt besuchte im Rahmen einer Pressereise gemeinsam mit Caritaspräsident Michael Landau zwei Familien, die aus Geldern der Kinderkampagne der Caritas unterstützt werden.

Wolfgang Ölz

Das Erdbeben am 7. Dezember 1988 forderte in Armenien über 30.000 Tote, ließ mehr als 30.000 Verletzte zurück und brachte 500.000 Bürger/innen um ihr Hab und Gut. 2,5 Millionen Menschen wurden obdachlos und die winterlichen Temperaturen ließen viele Menschen erfrieren. Österreich half 1988 mit der Aufstellung von Containern als Notquartiere. Heute - nach über dreißig Jahren - leben 4000 Menschen in Gjumri immer noch in diesen Containern, und das bei Wintertemperaturen von bis zu minus 30 Grad Celsius.

100 Euro für eine achtköpfige Familie

Beim Besuch bei Araksya V., einer Mutter mit sieben Kindern im Alter von drei bis zwölf Jahren, stellt sich heraus, dass sie mit insgesamt 100 Euro Familienhilfe im Monat durchkommen muss. Zum Vater der Kinder besteht kein Kontakt. Er ist Alkoholiker und die letzte Information von ihm ist, dass er als Arbeitsmigrant nach Russland ausgewandert ist. Die Familie ist vor zwei Jahren aus einem jetzt völlig unbewohnbaren Container in ein baufälliges Haus von Verwandten gezogen. Zu essen gibt es oft Bohnensuppe aus der Konserve, geheizt sind nur das Wohn- und das Schlafzimmer.

Die Hoffnung der Mutter.

Es ist beeindruckend, wie entschlossen diese 35-jährige Frau ist, ihren Kindern eine gute Mutter zu sein. Dabei hat sie Gesundheitsprobleme an Lunge und Nieren. Sie selbst verlor beim Erdbeben Vater, Mutter und Geschwister und wuchs bei ihren Großeltern auf. Sie legt Wert darauf, dass die Kinder regelmäßig in die Schule gehen und auch ihre Hausübungen gut machen. Die Mutter verweist auf die hohe Intelligenz der Kinder und hofft, dass sie später trotz allem einen guten Beruf ergreifen können.

Während des Besuchs schaukelte Araksya V. abwechselnd ein Kind auf den Beinen, bei einem sagt sie unter Tränen lächelnd, es sei besonders eifersüchtig, weil es die Mutter mit den Geschwistern überhaupt nicht teilen wolle. Kraft geben ihr der Glaube an Gott und die Menschen von der Caritas, sagt sie. Wie insgesamt 15 Sozialarbeiter/innen in Gjumri, kümmert sich Margar Rarapetjan um die achtköpfige Familie. Die Caritas setzt alle Hebel in Bewegung, um dieser Familie zu helfen, organisiert unterschiedliche Programme und macht die staatlichen Behörden auf die Not dieser und anderer Familien aufmerksam.

Keine Kinderbetreuung, keine Arbeit.

Nadija S. (43) lebt mit ihrem Sohn Arsen (4) noch immer in einem Notcontainer von 1988. Unter Tränen und doch mit fester Stimme schildert sie die Bitterkeiten ihres Lebens. Nadija S.  beschreibt ihre massiven Probleme sehr offen. Die Miete kostet 30 Euro im Monat, ihr Ziel wäre es, eine Wohnung im Eigentum zu besitzen. Sie bekommt keine Sozialhilfe, ist polizeilich nicht gemeldet und hat keine Arbeit. Sie würde gerne als Putzfrau arbeiten, kann es aber nicht, weil sie keine Kinderbetreuung für ihren Sohn hat. Allein der Kindergarten kostet zwölf Euro im Monat, die Bezahlung für einige Monate ist sie schuldig geblieben.

Caritas-Programm.

Die Verantwortung für ihr Kind muss Nadija S. alleine tragen, ihr zweiter Ehemann hat die Beziehung abgebrochen, als sie schwanger wurde. Alimente müsste sie vor Gericht erkämpfen, dazu hat sie aber kein Geld.
Nadija S. handelt mit Lebensmitteln, die sie in den Dörfern besorgt und dann etwas teurer in der Stadt weiterverkauft. Im Sommer verdient sie zwei Euro am Tag, bei der Kartoffelernte kann sie sechs Euro am Tag einnehmen. Im Winter hat sie kein Einkommen. Zu Essen gibt es häufig Tomatensauce mit Nudeln, Kartoffeln oder selbst gebackenes Brot. Fleisch kommt nur zu großen Festtagen auf den Teller. Im Februar wird sie durch die Caritas in ein Programm für alleinstehende Mütter aufgenommen, dann bekommt sie neben Lebensmitteln für drei Monate auch medizinische Versorgung. Jeder in Österreich gespendete Euro ist in Armenien um ein Vielfaches wert, ein Kilo Kartoffeln kostet in Armenien etwa 40 Cent. Die Spende kommt Frauen wie Nadija S. zugute. «

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Kindern Chancen eröffnen
Caritaspräsident Michael Landau ist sehr berührt vom Besuch: Es könne keinen kalt lassen, wenn man die Verzweiflung der Mütter sehe, die um das Leben und Überleben ihrer Kinder kämpfen. Wir in Österreich hätten bei der Geburtsortslotterie einen Hauptpreis gewonnen. Dies sollte ein Grund zur Dankbarkeit sein. Auch der erfahrene Leiter der Auslandshilfe der österreichischen Caritas, Christoph Schweifer, der seit vielen Jahren auf der ganzen Welt in Krisengebieten unterwegs ist, zeigt sich von der extremen Armut in Armenien schockiert: Wenn man in diesen ungeheizten Räumen barfüßige Kinder sieht, die Hunger haben, dann bleibt einem die Sprache weg.

Armut weltweit. Christoph Schweifer rechnet vor: Es gibt global gesehen 450 Millionen Kinder in Armut. Allerdings sind auch Fortschritte zu verzeichnen: 2010 besuchten weltweit 63% der Kinder eine Grundschule, 2017 waren es bereits 70%. Diese Zahl gibt Hoffnung, dass der Kampf gegen die Kinder-Armut nicht aussichtslos ist. Die Caritas Österreich möchte weltweit in 40 Schwerpunktländern 50.000 Kindern ein chancenreiches Aufwachsen ermöglichen.

Informationen und Spendenmöglichkeiten finden
Sie online auf:  www.caritas-vorarlberg.at

Das KirchenBlatt bietet von 18. bis 27. September 2019 eine Reise mit Pfr. Hubert Lenz nach Armenien an

(aus dem KirchenBlatt Nr. 6 vom 7. Februar 2019)