Jede/r zehnte Österreicher/in hat eine/n Angehörige/n mit Suchtproblematik. Darüber, was man tun kann, um sich aus dem Teufelskreis der Co-Abhängigkeit zu befreien, klärt die Caritas-Kampagne „ansprechen > schweigen“ auf.

„Das Ganze funktioniert wie ein Mobile“, erklärt Monika Chromy, Leiterin der Caritas Suchtfachstelle am Dienstag beim Pressegespräch. „Wenn man an einem Ende zieht, zieht man an allem.“

Jede/r zehnte Österreicher/in ist Angehörige/r eines Suchterkrankten – aber die wenigsten von ihnen wüssten, wo und wie sie Hilfe bekämen. „Dass Suchterkrankungen das persönliche Umfeld extrem in Mitleidenschaft ziehen, ist bekannt“, erklärt Chromy, „trotzdem gibt es erstaunlich wenig Forschung zu den Einflüssen auf Angehörige.“ Zwar entwickelten viele von ihnen psychosomatische „Reaktionen“ wie Migräne, Magenschmerzen bis hin zu Angststörungen oder Depressionen, dennoch würden diese oft nicht mit den Belastungen einer Suchtthematik innerhalb der Familie in Verbindung gebracht – nicht zuletzt, weil das Problem nach wie vor extrem schambehaftet sei. „Es ist für Angehörige immer noch einfacher, eine Krebserkrankung zu kommunizieren als eine Sucht“, weiß Linda Dreher-Bilgeri, Leiterin der Beratungsstellen in Feldkirch und Bludenz.

Wissen, wo man Hilfe findet

Auch darum setzt man seitens der Caritas mit der Kampagne „ansprechen > schweigen“ nicht nur auf die Aufklärung in der Bevölkerung, sondern verstärkt auch auf die Zusammenarbeit mit Ärzt/innen: Neun von zehn gaben in einer Befragung an (n = 28), dass sie Patienten mit Suchtthematiken oder deren Angehörige betreuten – und nehmen damit eine Schlüsselposition in der Vermittlung von Hilfsangeboten ein.

Denn die gibt es: Die Caritas-Suchtfachstellen in Bregenz, Dornbirn, Egg, Feldkirch und Bludenz bieten beispielsweise Einzelberatungen und -therapien, Paar- und Familientherapien, Gruppen für Angehörige, Mütter, Kinder und, natürlich, die Süchtigen selbst, sowie Unterstützung in der betrieblichen Suchtarbeit. „In Betrieben finden oft dieselben Dynamiken statt wie in der Familie“, erklärt Dreher-Bilgeri, „mit denselben fatalen Konsequenzen.“

Die intuitiven Reaktionen auf Suchtverhalten – das beschämte Verschweigen und Vertuschen gegenüber Freunden, Nachbarn und Chefs, die Übernahme von Aufgaben und Verantwortung, die der/die Süchtige „gerade einfach nicht wahrnehmen kann“, und der Versuch, ihn/sie zu kontrollieren – führten dazu, dass der/die Erkrankte die Folgen seines Handelns nie direkt zu spüren bekomme und damit oft kein Bedürfnis entsteht, etwas zu ändern. Mit anderen Worten: Das „Mobile“ Sucht bleibt in Balance.

Bis hierhin und nicht weiter

Auch viele Angehörige erkennen erst nach Schlüsselerlebnissen, dass es so nicht weitergehen kann, berichtet Dreher-Bilgeri. Momente, in denen etwa Kinder in Gefahr sind, weil sich der konsumierende Elternteil nicht um sie kümmern kann. „Oft vergehen Jahre oder Jahrzehnte, bis Angehörige nach Unterstützung suchen.“ Zeitspannen, in denen viele verlernt hätten, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen oder zu kommunizieren, in denen der Selbstwert gelitten hat und die sich vielleicht auch schon auf die eigene Gesundheit niedergeschlagen haben.

Aber: Genauso wie die Suchterkrankung auf das persönliche Umfeld wirkt – so wirkt das Umfeld auf den/die Betroffenen zurück: Wenn sich Angehörige also aktiv nach Wegen suchten, ihr co-abhängiges Verhalten zu ändern, sich wieder mehr auf das eigene Leben und das eigene Wohlbefindne konzentrieren, bestehe eine echte Chance, die Muster zu unterbrechen, weiß Chromy. Darum: Ansprechen ist größer als schweigen. Und: Immer fest am Mobile ziehen!

Zum Thema

  • 1795 Menschen suchten 2018 Rat und Hilfe bei der Suchtberatung der Caritas Vorarlberg, davon waren 205 Angehörige – und davon 84 Prozent weiblich.
  • Die Suchtfachstellen in Bregenz, Dornbirn, Egg, Feldkirch und Bludenz bieten kostenlose, unverbindliche und auf Wunsch auch anonyme Beratung: T 05522-2001700 oder