Ende November sind zehn Bewohner/innen mit Beeinträchtigung in ein neues und den Erfordernissen angepasstes Haus in Bludenz eingezogen. Das Resümee nach zwei Monaten: Das Haus bietet viele Vorteile, die Bewohner/innen fühlen sich wohl.

Elisabeth Willi

Bludenz, Kapuzinerstraße 9: Hier steht ein nagelneues, dreistöckiges, rechteckiges Haus. Darin untergebracht ist die neue vollbetreute Wohngemeinschaft der Caritas, die anstelle der beiden Wohngemeinschaften in Thüringen und Nenzing errichtet worden ist.
Zehn Bewohner/innen mit kognitiver Beeinträchtigung leben in der modern gestalteten Wohngemeinschaft. Sie umfasst drei Stockwerke mit zehn Einzelzimmern, zwei Gemeinschaftsräumen und einer kleinen Wohnung. Zusätzlich gibt es drei Zimmer zur sogenannten Familienentlastung: Hier können Menschen, die normalerweise bei ihren Familien wohnen, für eine bestimmte Zeit - z.B. an den Wochenenden - leben und werden dabei von speziell ausgebildeten Mitarbeiter/innen begleitet.

Von der Arbeit heimkommen.

Gegen 17 Uhr ist es noch recht ruhig in der WG: Edith, die Bewohnerin der kleinen Wohnung, hat das Haus vor kurzem verlassen, um ein wenig in die Stadt zu gehen. Im Gemeinschaftsraum samt Küche im Erdgeschoß schneiden Mitarbeiterin Martina und Bewohnerin Fabienne Flädle für das gemeinsame Abendessen. Schließlich kommen fünf Bewohner/innen zur Haustüre herein, sie kehren von ihrer Arbeit in den Werkstätten zurück. Während die einen zügig ihre Schuhe ausziehen und ihre Zimmer ansteuern, bleiben die anderen beim Eingang stehen, reden miteinander und mit den Betreuer/innen.
Alle Bewohner/innen arbeiten von Montag bis Freitag, 8 bis 16 Uhr, in den Werkstätten der Caritas. Kurz nachdem sie am Morgen das Haus verlassen, tun dies auch die Mitarbeiter/innen. Letztere kehren gegen 15.15 Uhr zurück; meist sind es fünf. Sie bleiben bis 21 Uhr, danach tritt der Nachtdienst - eine Person - seinen/ihren Dienst an. Am Wochenende sind rund um die Uhr Mitarbeiter/innen im Haus, ebenso unter der Woche, wenn jemand krank ist.
Die Bewohner/innen werden ihren Bedürfnissen entsprechend von Mitarbeiter/innen begleitet. Dabei wird großes Augenmerk auf die Selbstbestimmung gelegt. Gemeinsam wird gekocht, eingekauft, geputzt und die Wäsche gemacht, jede/r hilft im Rahmen der eigenen Möglichkeiten mit.

Rückzugsmöglichkeiten.

In zwei Stockwerken gibt es einen Gemeinschaftsraum. Hier wird gemeinsam gegessen, hier kann ferngesehen oder am Sofa entspannt werden. Im obersten Stockwerk - dort wo die drei Zimmer der Familienentlastung sind und es ruhiger ist - ist ein großer Aufenthaltsraum. Wenn es den Bewohner/innen unten zu turbulent ist, sie aber nicht in ihre Zimmer möchten, können sie sich hierher zurückziehen.
„Die Rückzugsmöglichkeiten im neuen Haus sind allgemein besser als in den vorigen WGs in Thüringen und Nenzing“, sagt Brigitte Scheidbach, Stellenleiterin der Wohngemeinschaft. Ein sehr großer Vorteil ist auch die Barrierefreiheit im ganzen Haus, ein weiterer großer Bonus die zentrale Lage: Zu Fuß können Bewohner/innen und Mitarbeiter/innen ins Zentrum, um einzukaufen, das Hallenbad Val Blu oder ein Café zu besuchen. „Dadurch können die Bewohner/innen besser an der Gesellschaft teilhaben“, erklärt Brigitte Scheidbach. Förderlich für die Inklusion ist ebenfalls: Direkt neben dem Wohnhaus der Caritas ist ein zweiter Block gebaut - die beiden Blöcke sind durch überdachte Gänge im Freien verbunden. Hier sind sechs Wohnungen für Menschen ohne Beeinträchtigung eingerichtet. So trifft man einander beim Kommen oder Gehen, so lernt man einander kennen.

Neue Entwicklungen.

Das Haus bietet neue Möglichkeiten, und diese können neue Entwicklungen der Bewohner/innen begünstigen - eine Frau hat zum Beispiel bereits gelernt, wie sie alleine Aufzug fahren kann. Sie ist der Selbständigkeit einen Schritt näher gekommen.
Möglichst viel Selbständigkeit erreichen: Dies ist eines der Ziele der vollbetreuten Wohngemeinschaft. Immer wieder ziehen Bewohner/innen aus vollbetreuten WGs aus und in teilbetreute ein. Manche können danach zum „Leben in Selbständigkeit“ wechseln (nähere Infos rechte Seite).
Die Mitarbeiter/innen und die Caritas freuen sich sehr über das neue Haus, das fast zur Gänze von der EU, dem Sozialfonds des Landes und von den Gemeinden finanziert worden ist. Und die Bewohner/innen? Von den Befragten sagen alle unisono: „Hier gefällt es mir gut.“

Wohnen und Leben - verschiedene Angebote

Die Caritas bietet drei verschiedene Formen des Wohnens für Menschen mit Beeinträchtigung an.

  • Vollbetreute Wohngemeinschaften. Dazu zählt das neue Haus in Bludenz. Hier werden „Rund um die Uhr“-Begleitung sowie Pflege von pädagogisch und pflegerisch geschulten Mitarbeiter/innen angeboten.
  • Teilbetreute Wohngemeinschaften. Sie sind eine Mischung aus vollbetreuter WG und Leben in Selbständigkeit. Zwischen zwei bis vier Bewohner/innen leben in einer solchen WG. Die Betreuer/innen sind täglich einige Stunden vor Ort. Sie unterstützen u.a. bei Geldangelegenheiten, beim Einkauf und täglichen Erfordernissen.
  • Leben in Selbständigkeit. Bei dieser Wohnform sind die Menschen mit Beeinträchtigung selbst die Mieter/innen. Bei den anderen beiden Wohnformen die Caritas. Die Menschen leben meist alleine oder bei Lebensgemeinschaften zu zweit in einer Wohnung und werden bei Bedarf begleitet, etwa zwei bis sechs Stunden pro Woche.

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 6 vom  06. Februar 2020)