Das Haus Mutter&Kind der Caritas Vorarlberg ist Zufluchts- und Lernort für junge Familien. Bald schon bietet es noch mehr Raum, um den Alltag miteinander gut gestalten zu lernen.

Charlotte Schrimpff

Auf den Tag genau zwei Wochen ist Liam* alt. Wie in Zeitlupe reckt er ein Ärmchen in die Luft, bewegt sich auf dem Arm seiner Mama verschlafen hin und her, bevor er wieder in seine Träume abdriftet - das winzige, noch leicht zerknautschte Gesicht ruhig und entspannt. Verena*, seine Mutter, zupft sein Leibchen zurecht und lächelt. Der kleine Kerl ist ihr zweites Kind und sie ist sichtlich stolz, dass es ihm so gut geht - und ihr selber auch.

Die Kraft, um Hilfe bitten zu können

Haus Mutter&KindBevor es zu spät ist. Ohne das „MuKi“, wie das Haus Mutter&Kind der Caritas Vorarlberg auch genannt wird, wäre das nicht so, da ist sie sich sicher. Während der Schwangerschaft sei sie an einen Punkt gekommen, an dem ihr alles über den Kopf zu wachsen drohte: Die Verantwortung für den ungeborenen Liam und sein Geschwisterchen, der Kampf gegen die eigene Essstörung, die langen Schatten einer nicht unproblematischen Vergangenheit im Nacken. „Bei manchen Menschen gilt man als Versagerin, wenn man es als Mutter alleine nicht schafft“, erzählt sie und streichelt gedankenverloren ihren Sohn. „Dabei kostet es echt Kraft, um Hilfe zu bitten - und zwar bevor es zu spät ist.“

Familie leben lernen.

Zu spät, das heißt: Wenn die Frage im Raum schwebt, ob eine Mutter überhaupt in der Lage ist, sich um ihr Kind zu kümmern - oder ob man von „offizieller Seite“ her intervenieren muss. Für manche Frauen, erzählt Stellenleiterin Doris Müller, sei das MuKi die letzte Möglichkeit zu beweisen, dass sie es doch können: Gut für ihren Nachwuchs sorgen, ohne sich selbst und den Rest des Alltags dabei aus den Augen zu verlieren. Auch in „gesicherten“ Verhältnissen und mit der Unterstützung von Großeltern, Tanten und Onkeln sei das mitunter ein Kraftakt - allerdings fehle ausgerechnet dieses soziale Netz den meisten Frauen im Haus in Feldkirch. „Viele von ihnen haben als Kinder selbst nur wenig Zuwendung und Geborgenheit erfahren“, erklärt Müller. Das MuKi biete die Chance, diesen Kreislauf zu durchbrechen. „Unsere eigentlichen ‚Klienten‘ sind die Kinder“, ergänzt Müller. „Sicherung des Kindeswohls“ heißt das auf „Beamtisch“. „Den Kindern geht es gut, wenn es ihren Müttern gut geht - und umgekehrt.“

Bis zu einem Jahr haben die jungen Familien Zeit, sich im geschützten Rahmen in der Nähe des Landeskrankenhauses zu sortieren. „Wir geben Hilfe zur Selbsthilfe“, erklärt Müller das Konzept. Jede Mutter legt beim Einzug ins MuKi Ziele fest, die es während des Aufenthalts zu erreichen gilt. „Das können alltagspraktische Dinge sein wie ‚Wie schaffe ich eine gute Tagesstruktur für mich und mein Kind?‘ oder Zukunftsfragen - zum Beispiel der nach einer Wohnung für die Zeit nach dem MuKi.“ Unterstützt werden die Frauen von einem professionellen Team, aber auch von zahlreichen Ehrenamtlichen.

Der Bedarf ist hoch

Die Nachfrage nach dieser Art von Starthilfe ist enorm: In vergangenen Jahren habe man einem Drittel der Anfragen gerecht werden können, erzählt Müller. Insgesamt stehen im Haus Mutter&Kind sieben Zimmer zur Verfügung - dazu kommen vier Plätze in der nächsthöheren Etage, wo das Projekt „start.wohnen“ noch konkreter auf das Leben „draußen“ vorbereitet sowie drei Übergangswohnungen. 32 Familien mit 43 Kindern waren 2019 hier auf Zeit zuhause.

Caritas Vorarlberg / Philipp Mück„Das Angebot ist ein Geschenk“, findet Verena: „Hier werden mir als Mutter nicht noch mehr Steine in den Weg gelegt, sondern geholfen, diese Steine aus dem Weg zu räumen.“ Wenn sie sich etwas wünschen könnte, wären das viele weitere MuKis fürs Land. Müller lächelt. Dagegen hätte auch sie nichts. Ein Teil dieses Wunsches könnte schon bald in Erfüllung gehen: Derzeit werden vier zusätzliche Wohneinheiten à 35 Quadratmeter eingerichtet, um dem stark gewachsenen Bedarf gerecht zu werden. Jede Einheit verfügt über eine eigene Küche sowie einen Schlafraum, dadurch haben die Bewohnerinnen auch die Möglichkeit zum Rückzug - wenn zum Beispiel die Babys schlafen. Im Herbst werden die Einheiten mit Leben gefüllt - so ist zumindest der Plan. Damit er verwirklicht werden kann, braucht es noch Spenden. Denn von den insgesamt 240.000 Euro Baukosten trägt die Caritas 140.000 Euro. Den Rest übernimmt die öffentliche Hand. «

Sie könne helfen

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IBAN AT32 3742 2000 0004 0006
Caritas der Diözese Feldkirch, Verwendungszweck: Erweiterung Haus Mutter&Kind

* Namen von der Redaktion geändert

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 23 vom 4. Juni 2020)