In den Caritas-Lerncafés werden Schüler/innen unterstützt, die diese Hilfe zuhause nicht bekommen können. In lockerer Atmosphäre wird hier mit ehrenamtlichen Helfer/innen gepaukt - aber auch die Freizeit kommt nicht zu kurz. Eine Reportage aus dem Lerncafé Wolfurt.

Elisabeth Willi

Ein weitläufiger Raum, in dem großzügig verteilt Tische aufgestellt sind: In vier Gruppen verteilt sitzen ein oder zwei Schüler/innen mit jeweils einem Erwachsenen. Die meisten Köpfe sind gebeugt, es ist nur leises Murmeln zu hören. Plötzlich steht eine der Frauen auf, das Mädchen neben ihr klappt ihr Buch zu und ruft: „Ich bin fertig und spiele jetzt Memory. Wer macht mit?“ „Ich“, erklärt ein anderes Mädchen. Die beiden setzen sich in eine Ecke und fangen leise zu spielen an. Alle in dem Raum - ob Schüler/in oder Erwachsene - tragen ein Namensschild, versehen mit dem Vornamen. Hier ist man per Du.

Unterstützung seit 2011

Willkommen im Lerncafé Wolfurt der Caritas. Es ist eines von neun Lerncafés im ganzen Land. In Österreich gibt es Caritas-Lerncafés seit 2007, in Vorarlberg seit 2011. Hier werden acht- bis 14-jährige Schüler/innen - insgesamt sind es 312 - bei Hausübungen und beim Lernen unterstützt. Und zwar kostenlos. Zuhause bekommen sie diese Unterstützung aus verschiedensten Gründen nicht: Manchen Eltern fehlt der sprachliche Hintergrund oder sie haben zu wenig Zeit. Eine beengte Wohnsituation, in der ein Lernen in Ruhe kaum möglich ist, ist ebenfalls ein Anlass für den Besuch im Lerncafé. Bea Bröll, Stellenleiterin der Caritas Lerncafés, erklärt grundsätzlich: „Wir wollen Familien entlasten und Schüler/innen zu einem positiven Pflichtschulabschluss führen.“ Unterstützt werden die Kinder in den Lerncafés von ehrenamtlichen Helfer/innen, jedes Lerncafé wird von einer hauptamtlichen Koordinatorin / einem Koordinator geleitet.

Maximale Betreuung

Koordinatorin des Lerncafés in Wolfurt ist Nicole Nachbaur. Im Umgang mit den Kindern wirkt sie herzlich, begeisterungsfähig und geduldig, sie scheint sich aber auch durchsetzen zu können. Nicole Nachbaur ist seit zwei Jahren Koordinatorin, zuvor arbeitete sie als Volksschullehrerin. „Ich hatte damals den Eindruck, dass manche Kinder in der Schule durch den Rost fallen. Das hat mich belastet“, sagt sie. Deshalb wechselte sie zum Lerncafé - und diese Arbeit ist wie für sie gemacht, schwärmt sie: „Ich kann meine pädagogische Erfahrung einbringen und die Schüler/innen auffangen, die im regulären Unterricht unterzugehen drohen.“ Dafür brauche es oft gar nicht viel: einen ruhigen Platz z.B. oder eine stete Ansprechperson für das Kind. Letzteres ist bei einem Betreuungsschlüssel von 1 zu maximal 3 gegeben. „Faktisch ist es sogar so“, sagt Stellenleiterin Bea Bröll, „dass Kinder manche Aufgaben zu zweit oder zu dritt machen und sich der oder die Freiwillige währenddessen um einen Schüler / eine Schülerin alleine kümmern kann.“

Über 90 Freiwillige arbeiten in Vorarlberg in den Lerncafés. Manche sind jünger, manche älter. Einige haben einen pädagogischen oder wirtschaftlichen Hintergrund, andere sind Frauen, die mit ihren Kindern oder Enkeln gelernt haben und denen nun - da die eigenen keine Schulbank mehr drücken - etwas fehlt. Eine spezielle Ausbildung wird für dieses Ehrenamt nicht benötigt. Mit der Lernwerkstatt bietet die Caritas aber die Möglichkeit zur Fortbildung an.

Offener Gesprächsraum

In einer hinteren Reihe im Lerncafé Wolfurt brüten gerade zwei Schüler/innen über einem Heft, zwischen ihnen sitzt eine Erwachsene. Worte wie „Stellenwert“ und „direkte und indirekte Proportionalität“ sind zu hören. Hier steht wohl Mathematik am Programm. „Ja, so ist es“, erklärt die ehrenamtliche Helferin und pensionierte Mathematiklehrerin Christine später. „Wenn Mathe Thema ist, bin ich immer gefragt“, erzählt sie. Sie hilft aber auch bei allem anderen, was gerade anfällt. Sie, die immer gerne unterrichtet hat, arbeitet mit Begeisterung im Lerncafé. Ein großer Unterschied zu ihrem früheren Beruf ist: „In den Lerncafés ist die Beziehung zu den Kindern und Jugendlichen ganz anders als in der Schule - dort hat man 25 Schüler/innen, hier sind es zwei, drei.“ Stellenleiterin Bea Bröll weiß aus ihrer achtjährigen Erfahrung in den Lerncafés ebenfalls: „Das Verhältnis der Freiwilligen zu den Kindern ist oft sehr gut. Sie kommen miteinander ins Gespräch, die Schüler/innen öffnen und erzählen von sich.“

Erfolgsgeschichte

Die Atmosphäre im Lerncafé Wolfurt - und wohl auch in den anderen in Vorarlberg - ist locker, kameradschaftlich und befreit von Stress. Natürlich gibt es Regeln - diese erzeugen jedoch keinen Druck oder schränken ein, sondern garantieren ein gutes Miteinander. Auf die Frage, wie es den Schüler/innen, die heute in Wolfurt sind, im Lerncafé gefällt, antworten durchgehend alle mit „sehr gut“.
In dieser Atmosphäre und dank der Unterstützung stellt sich bei vielen Kindern und Jugendlichen der Erfolg ein: Viele können ihre Noten und die Mitarbeit im Unterricht verbessern. „Bei manchen wird dadurch die Persönlichkeit gefestigt, sie werden ruhiger und selbstsicherer“, sagt Stellenleiterin Bea Bröll. In den Lerncafés pauken die Schüler/innen nicht nur den Unterrichtsstoff, sondern sie lernen regelmäßiges Lernen. Außerdem stellen sie fest, dass sie durch beständiges Hausübung-Machen aktiv etwas tun können und fühlen sich vor Tests oder Schularbeiten nicht mehr so ausgeliefert.

Man darf also wohl behaupten: Die Lerncafés sind eine Erfolgsgeschichte. Dies beweist auch die an sich bedauerliche Tatsache, dass die Nachfrage seit Jahren höher ist als das Angebot. Die Lerncafés sind personell und räumlich an ihre Grenzen gestoßen. Dass sie vom Land Vorarlberg vor kurzem eine Einmalförderung erhalten haben, tut in dieser Situation gut. Damit sollen mehrere Projekte umgesetzt werden (nähere Infos siehe unten).

Keine Pause ohne Jause

„Es gibt Jause!“, heißt es in Wolfurt mittlerweile. „Yuppie!“, ruft ein Junge. Corona bedingt nacheinander verschwindet ein Kind nach dem anderen in die Küche, wo Lerncafé-Koordinatorin Nicole Nachbaur ein kleines Buffet mit Schwarzbrot, Äpfeln, Nüssen und Paprika aufgebaut hat.
Prinzipiell wird der Nachmittag im Lerncafé so eingeteilt: von 13.30 bis ca. 15.30 Uhr ist Lern- und danach Jausenzeit. Von 16 bis 17 Uhr ist Freizeit; die Schüler/innen können dann basteln, spielen oder sich draußen bewegen. Manche - vor allem diejenigen, bei denen ein Test ansteht - nutzen diese eine Stunde aber auch, um nochmals zu lernen.

In Wolfurt setzen sich die Schüler/Innen heute nach der Jause  in einen großen Kreis. Angeleitet von Koordinatorin Nicole Nachbaur sprechen sie über das Thema „Regeln“. Die Bandbreite zieht sich von „Warum braucht es Regeln“ bis hin zu „Es ist wichtig, respektvoll und nett miteinander zu sein“. Wie im Flug vergeht auch die letzte Stunde, schon schultern die Schüler/innen ihre Rucksäcke und verabschieden sich mit den Worten „Danke, wir sehen uns nächste Woche wieder!“

Die Lerncafés freuen sich immer über neue Ehrenamtliche. Infos: Bea Bröll, T 0676 88420 4041.

Neue Projekte der Lerncafés
Durch die Einmalförderung des Landes, die die Lerncafés erhalten haben, soll zum einen die Elternarbeit vertieft werden. Schon bisher gibt es Gespräche mit ihnen und Elternabende - nun werden Projekte entwickelt, die darüber hinausgehen. Zum anderen werden mit dem Geld die neuen Standorte Wolfurt, Feldkirch und Bludenz gestärkt. Angedacht ist auch, weitere Cafés zu eröffnen. Ein zehnter Standort, er wäre im Montafon, wird momentan vorbereitet. Weiters ist geplant, die Erfahrungen mit dem Online-Lernen aus dem Lockdown weiterzuentwickeln. Gerade für ältere Schüler/innen soll künftig eine digitale Lernhilfe angeboten werden. Das wäre für Kinder, die keinen Platz im regulären Lerncafé erhalten haben, eine gute Alternative.

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 42 vom 15. Oktober 2020)