Ein würdevolles Leben bis das Herz aufhört zu schlagen. Das wünscht sich wohl jede/r, auch wenn der Gedanke an das Ende des Lebens gerne möglichst tief im Herzen verschlossen wird. Im Rahmen der neuen Hospiz-Kampagne „Leben > Tod“ möchte die Caritas aber genau diesem Thema mehr Zeit und Raum schenken.

Interview mit Dr. Karl Bitschnau
Zur Sache: Hospiz am See
Kommentar von Waltraud Klasnic

Mirjam Vallaster

Einen nahe stehenden Menschen zu verlieren, ist für Betroffene meist nur schwer zu verkraften. Die Konfrontation mit dem Unvermeidlichen wirft Angehörige wieder auf sich selbst zurück, auf die eigene Sterblichkeit und stellt vieles im eigenen Leben in Frage. Dabei kommen verborgene Ängste wieder an die Oberfläche und die Frage: „Wie wird es wohl bei mir sein?“

Hospiz Vorarlberg rückt die letzte Lebensphase in den Mittelpunkt ihrer Arbeit und stellt sich all diesen Fragen. Die Hospiz-Mitarbeiter/innen begleiten in ganz Vorarlberg Menschen auf ihrem letzten Weg und stützen die Angehörigen in dieser schweren Zeit. Auch Kinder und Jugendliche werden in dieser Ausnahmesituation von speziell geschulten Ehrenamtlichen betreut und unterstützt. Im „Hospiz am See“ werden die Gäste, wie die Patient/innen genannt werden, in einem wohltuenden Ambiente professionell betreut und bis zu ihrem letzten Atemzug liebevoll begleitet. Das Mobile Palliativteam – ein Kooperationsprojekt mit dem Landeskrankenhaus Hohenems – engagiert sich dafür, dass Patient/innen möglichst lange in ihrer vertrauten Umgebung bleiben können und Schmerzen und belastende Symptome auf ein erträgliches Maß reduziert werden. Denn Sterben ist ein Teil des Lebens und Sterbende sind Lebende, die durch entsprechende Unterstützung ein intensives Leben führen können und deren Würde es zu schützen gilt.

Informationen zur Hospizarbeit

Barbara Geiger
T 05522 200-1100,
Weitere Informationen:
www.hospiz-vorarlberg.at

Der Tod ist immer eine Zumutung

Dr. Karl Bitschnau„D‘ Mama bliebt immer d‘ Mama“, spricht Karl Bitschnau, Leiter von Hospiz Vorarlberg, liebevoll über seine kürzlich verstorbene Mutter. Obwohl ihr Tod nicht überraschend war und Karl Bitschnau als Hospiz-Mitarbeiter schon viele Menschen am Ende ihres Lebens begleitet hat, hinterließ der Tod seiner Mama auch bei ihm einen tiefen Eindruck und starke Gefühle.

Das Interview führte Miriam Vallaster

Herr Bitschnau, wie haben Sie die letzten Monate mit Ihrer Mutter erlebt?
Karl Bitschnau: Meine Mutter hatte vor vielen Jahren die erste Herzoperation und wir mussten immer mit ihrem Tod rechnen. Der Tod war quasi ihr ständiger Begleiter und schlussendlich hat sie sich von einem Infekt nicht mehr erholt und ist mit 86 Jahren friedlich im Krankenhaus verstorben. Sie hat trotz ihrer Krankheit gerne und intensiv gelebt und wäre gerne bei der Hochzeit ihres Enkels und der Geburt ihres Urenkels dabei gewesen. Wir sind eine große Familie und waren auf ihren Tod vorbereitet, doch war ihr Sterben auch für mich als Hospiz-Mitarbeiter nicht alltäglich und hat mich tief berührt.

Hätte Sie ihre letzten Lebenstage nicht lieber zuhause verbracht?
Karl Bitschnau: Sie hatte leider große Schmerzen und konnte daher Zuhause nicht mehr ausreichend betreut werden. Doch im Krankenhaus waren alle sehr bemüht, ließen uns Zeit und Raum, um uns zu verabschieden, was eine sehr tröstliche Erfahrung für mich war. Für sie und für uns war das Krankenhaus ein guter Ort zum Sterben. Sie war umgeben von ihrer Familie  und war auch in ihren letzten Minuten nicht alleine. 

Waren Sie dabei, als Ihre Mutter für immer die Augen schloss?
Karl Bitschnau: Für mich war und ist es wichtig, dass ich sie am Vorabend noch einmal gesehen habe und mich verabschieden konnte. Ich habe gemerkt, dass es nicht entscheidend ist, ob man beim letzten Atemzug dabei ist. Es ist aber tröstlich, bewusst Abschied nehmen zu können.

Hat Ihnen Ihre Arbeit als Hospiz-Mitarbeiter in dieser schweren Zeit geholfen?
Karl Bitschnau: Es hat mir vielleicht geholfen, weil mir die Abläufe im Krankenhaus und der Prozess des Sterbens vertraut waren. Doch schlussendlich war ich in dieser Situation nur das Kind, das um seine sterbende Mutter trauert. Dennoch war es eine schöne Erfahrung, dass die ganze Familie miteinander Abschied genommen hat. Ich bin überzeugt, dass meine Mutter das gespürt hat.

Was haben Sie für sich aus dieser Situation mitgenommen?
Karl Bitschnau: Der Tod der Eltern ist ein starkes Lebensereignis. Mama war ein großes Vorbild, weil sie mit wenigen Ressourcen noch eine hohe Lebensqualität hatte. Sie hat das Leben sehr geschätzt und hat der Krankheit getrotzt, in dem sie mit ihr zu leben lernte. Es hat mir gezeigt, dass die Perspektive auf den unvermeidlichen Tod das Leben umso kostbarer macht.

Ist das auch der Kerngedanke der aktuellen Hospizkampagne der Caritas?
Karl Bitschnau: Die Frage ist, wo geht unsere Aufmerksamkeit hin? Auf den „Akt des Sterbens“, oder auf das Leben vor dem Tod. Es ist möglich, auch mit lebensbedrohlichen Erkrankungen noch ein gutes Leben zu führen – wie das gehen kann, das definiert jeder für sich selbst. Macht jemanden ein Stück Bergkäse glücklich, oder ist es ein guter Tag, weil die Medikamente wirken und die Schmerzen nachlassen? Der Tod ist immer eine Zumutung. Doch es ist ein natürlicher Prozess, den man annehmen muss, auch wenn das nicht einfach ist. Er ist unser ständiger Begleiter und braucht nicht noch einen Ehrenplatz. Als religiöse Menschen leben wir ohnehin in der Hoffnung, dass der Tod nicht das letzte Wort hat.

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ZUR SACHE

Hospiz am See

„Die Zeit im Hospiz am See war für mich wie ein Kachelofen, der bis zum Schluss Wärme spendete“, so eine Angehörige eines Gastes vom „Hospiz am See“ in Bregenz. Und in vielerlei Hinsicht hat die Atmosphäre des altehrwürdigen Hauses nur wenig mit einem Krankenhaus zu tun. Ein großer Esstisch lädt Patient/innen, Angehörige und Hospiz-Mitarbeiter/innen zum Essen und Verweilen ein, medizinische Geräte sind hier kaum mehr vorhanden.

Denn was hier zählt ist Zeit, Geborgenheit und jene Feinfühligkeit, die Menschen in der letzten Phase ihres Lebens benötigen. Ob eine Zigarette am Balkon, ein leckeres Stück Kuchen oder ein letzter Schluck Sekt aus einer Sprühflasche um einen Geburtstag zu feiern – im „Hospiz am See“ ist noch vieles möglich, auch wenn die Lebenszeit nur noch begrenzt ist. „Hier fühle ich mich wie zuhause“, hat Seelsorger Norman Buschauer schon einige Male von Patient/innen gehört. Und das macht das „Hospiz am See“ zu einem ganz besonderen Ort am Bodensee.

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KOMMENTAR

Da-sein bis zuletzt

von Waltraud Klasnic, Präsidentin Hospiz Österreich

Das Leben ist größer oder mehr als der Tod, heißt das Motto der gelungenen Kampagne von Hospiz Vorarlberg. Leben bis zuletzt mit bestmöglicher Lebensqualität ermöglichen ist ein Grundsatz von Hospiz und Palliative Care, ebenso wie in Würde sterben dürfen.

Hospiz Vorarlberg leistet einen wunderbaren Beitrag mit seinen Angeboten: speziell geschulte Ehrenamtliche begleiten Schwerkranke und ihre Angehörigen, das Mobile Palliativteam unterstützt die Versorgung zu Hause. Das neue „Hospiz am See“ ist Herberge bis zuletzt und ergänzt das Angebot der Palliativstation in Hohenems. Trauercafés bieten einen Ort, um nach dem Verlust eines vertrauten Menschen sich auszutauschen und Halt zu finden. Das Kinder-Hospizteam begleitet Familien in einer sehr schwierigen Lage.

In vielen österreichischen Pflegeheimen wurde - nach dem Vorbild von Hospiz Vorarlberg - mit dem Dachverband Hospiz Österreich ein Grundwissen zu Hospizkultur und Palliative Care verankert. Da-Sein bis zuletzt, Begleiten, Betreuen mit Fachkompetenz und Herz ist unser Anliegen. Es ist eine Aufgabe und Herausforderung, die HERZ, HIRN und HÄNDE braucht.

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(aus dem KirchenBlatt Nr. 15 vom 12. April 2018)