Die Lage am Vorarlberger Wohnungsmarkt wird immer angespannter, vor allem für die Einkommensschwächsten. Jetzt schlägt die Caritas Vorarlberg Alarm. Ein Appell an alle Immobilienbesitzer.

v. l. n. r: Christian Beiser, Caritasdirektor Walter Schmolly, Angelika Ott

Ein guter Job im Management einer Schweizer Firma, das entsprechende Gehalt. Eine wunderschöne Wohnung im Rheintal, ein ziemlich selbstständiger Teenager-Sohn, tolle Urlaube, diverses Erspartes… in Kajas* Leben gibt es nicht viel, das besser laufen könnte. Und dann gerät plötzlich ihr Arbeitgeber ins Schlingern – Kajas Job ist weg. Als der erste Schock verdaut ist, macht sie sich auf Stellensuche – kann ja nicht so schwer sein mit ihren Qualifikationen. Aber es hagelt Absage um Absage: Den einen hat sie zu viel Erfahrung, anderen ist sie zu teuer – von manchen hört sie überhaupt nie wieder etwas. Als die Rücklagen aufgebraucht sind und die Räumungsklage für die so wunderschöne Wohnung im Briefkasten liegt, ahnt Kaja, dass sie in eine Lage geraten ist, aus der sie allein nicht mehr herauskommt.

Grundrecht auf Wohnen?

Ein Fall wie dieser, das stellt Angelika Ott von der Beratungsstelle „Existenz & Wohnen“ auf der heutigen Caritas-Pressekonferenz zum Thema Wohnungsnot klar, ist zwar genau so passiert, aber nicht die Regel. Unter jenen fast 15.000 Beratungskontakten der Caritas-Stelle waren 2016 vor allem Einkommensschwache, Alleinerziehende, Großfamilien, Flüchtlinge. Manchen droht wie Kaja die Räumungsklage, weil sie sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können, andere ziehen schon viel zu lange von Provisorium zu Provisorium und brauchen dringend ein Dach über dem Kopf. Die Zahl der Bedarfsfälle sei allein im vergangenen Jahr um rund 20 Prozent gestiegen, erklärt Christian Beiser, Leiter der Beratungsstelle – von 2.685 betreuten Haushalten 2015 auf 3.202 2016. Ein Ende dieses Trends sei nicht abzusehen.

Neue Mindestsicherung verschärft die Lage

Das liegt zum einen an den österreichweit enorm gestiegenen Mietpreisen, die leistbaren Wohnraum immer seltener machen. Vor allem die niedrigen Einkommen wüchsen nicht im gleichen Maße mit, was dazu führe, dass Familien bis zu 50 Prozent ihres Haushaltseinkommens für Wohnkosten aufwenden müssten – „normal“ sind etwa 16 Prozent. Zum anderen – und das macht die Lage so prekär – sind Mietkostenzuschüsse seit Einführung der neuen bedarfsorientierten Mindestsicherung gedeckelt. Wohnraum für eine sechsköpfige Familie darf seitdem maximal 759 Euro kosten – ein Ding der Unmöglichkeit am gegenwärtigen Vorarlberger Wohnungsmarkt. Mehrkosten zum tatsächlichen Mietpreis werden den Familien von den generellen Lebenshaltungskosten abgezogen. Rund 6.000 Antragssteller auf gemeinnützigen Wohnraum sind in den Wohnungsämtern der Vorarlberger Gemeinden verzeichnet, davon etwa 2.000 mit hoher Dringlichkeit.

History repeats itself

Caritasdirektor Walter Schmolly hofft auf das Bewusstsein um den Ernst der Lage und das Engagement der Vorarlbergerinnen und Vorarlberger, die eine ähnliche Situation schon einmal gemeinsam gemeistert hätten: In den 1950er Jahren gab es nach massiven Preissteigerungen viele Häuslebauer, die ihre Rohbauten aus Geldmangel nicht fertigstellen konnten. Die Caritas initiierte erstmals Haussammlungen, mit deren Erlösen vor allem kinderreichen Familien zinsfreie Wohnbaudarlehen gewährt werden konnten. Ideen für entsprechende Programme würden auch heuer diskutiert – hälfen denjenigen, die akut eine Bleibe bräuchten, aber nicht, so Schmolly.

Freien Wohnraum zur Verfügung stellen

Der Appell an Menschen, die über freien Wohnraum ab 25 Quadratmetern inkl. Bad und Kochgelegenheit verfügen, lautet daher zu überlegen, ob sie diesen nicht zu leistbaren Konditionen (maximaler Mietpreis: 6,90 Euro/Quadratmeter brutto, inkl. allg. Betriebskostenanteil) einkommensschwachen Haushalten zur Verfügung stellen wollten. Die Caritas unterstützt Interessierte auf Vermieter- wie Mieterseite in allen Phasen der Vermittlung und steht auch darüber hinaus als Ansprechpartner zur Verfügung.

Kaja hat mithilfe der Caritas für sich und ihren Sohn eine bezahlbare Wohnung gefunden – und vielleicht haben bald auch Anna, Aavid, Hans und all die anderen so viel Glück. Oder wir selbst – wer weiß das schon.

Ansprechpartner
Caritas Wohnraumvermittlung
Jahnplatz 4
6800 Feldkirch
Telefon: 05522 200-1221
E-Mail:
Mo-Fr 08:30 - 12:00 Uhr  

*Name aus Datenschutzgründen geändert