Gertrud Wohlfarter hat einen sehr herausfordernden Beruf: Sie arbeitet in der Notschlafstelle der Caritas Vorarlberg in Feldkirch. „Jeder Mensch hat eine Chance verdient“ erzählt sie von Menschen, die es schaffen, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren und anderen, die die eine oder andere „Schleife“ mehr brauchen.

Schauplatz Notschlafstelle am Feldkircher Jahnplatz: Es ist ein trister Herbstabend. Nach und nach kommen die KlientInnen in ihr vorübergehendes Zuhause. Maximal 28 Tage können sie hier bleiben, bekommen psychosoziale Unterstützung sowie praktische Hilfe bei der Wohnungssuche und bei Behördengängen. In der Küche wird Kaffee getrunken. Acht KlientInnen sind derzeit untergebracht. „Normalerweise ist der Großteil Männer, momentan sind auch vier Frauen hier“, erzählt Gertrud Wohlfarter. Überraschend offen erzählen zwei junge Männer, warum sie vorübergehend hier wohnen: „Ich habe einen Job. Nach Problemen zu Hause musste ich ausziehen, kann aber keine Wohnung finden. Überall nur Absagen, vielleicht auch, weil die Menschen Vorurteile auf Grund meiner Herkunft haben“, erzählt etwa ein Klient mit Wurzeln in der Türkei. Was er schon mehrmals erlebt hat: Die Vermieter sagen unter einem Vorwand ab und zwei Tage später ist die Wohnung wieder als „zu vermieten“ deklariert. Gertrud Wohlfarter nickt: „Die Wohnungsfrage ist ein Riesen-Thema. Es wird immer schwieriger, Wohnraum zu finden.“ Sie motiviert die Menschen immer wieder neu, nicht aufzugeben, nach 15 Absagen auch noch einen 16. Versuch zu starten.

Oder die Geschichte jenes jungen Mannes, der mit seinen Eltern nicht mehr klar gekommen ist, die Lehre geschmissen hat und jetzt in einem Arbeitsprojekt für Jugendliche neu Fuß fassen will. „Es ist fast aussichtslos, ohne Arbeit eine Wohnmöglichkeit zu finden. Geld für Kaution und Provision habe ich auch nicht“, resigniert der 18-jährige. Gertrud Wohlfarter versucht in diesem Fall Mut zuzusprechen. Die Gründe, warum Menschen in die Notschlafstelle kommen, sind vielfältig: Das können Trennungen mit dem Partner, Schwierigkeiten im Elternhaus, Suchtprobleme, Wegweisungen, Mietrückstände oder psychische Probleme sein, manchmal wissen Menschen auch nach einer Haftentlassung nicht, wohin sie gehen können.

„Trink mal erst einen Kaffee“, fängt das Team die Menschen auf und nach und nach erzählen sie. Wer in der Notschlafstelle vorübergehend wohnen möchte, muss sich auch an Regeln halten: Es gibt eine eigene Hausordnung, Gewalt jeglicher Art, Waffen, Alkohol oder Drogen sind beispielsweise verboten, abends müssen die KlientInnen bis 24 Uhr im Haus eingelangt sein. „Der Rahmen wird vorgegeben, dazwischen haben die Frauen und Männer aber sehr wohl Freiraum“, erklärt Gertrud Wohlfarter. So wird öfters gemeinsam gekocht und abends zusammen gesessen. Ob Aggression und Gewalt in der Notschlafstelle vorkommt, wird Gertrud Wohlfarter gefragt: „Das kann schon sein, ich versuche das aber frühzeitig abzufangen, in dem ich die Kontrahenten beispielsweise ablenke.“ Auf das bevorstehende Weihnachtsfest angesprochen, erzählt die Betreuerin von sehr schönen Momenten: „Der Christbaum wird schon am Vorabend geschmückt und es kommen immer wieder Menschen vorbei, die etwas abgeben – Kekse, ein Weihnachtszopf oder Geschenke.“ Dann ist spürbar, dass den Menschen nicht egal ist, wenn andere in Not sind.