Am 20. Februar rufen die Vereinten Nationen mit dem Welttag der sozialen Gerechtigkeit eine große aktuelle Herausforderung in Erinnerung. Kommentar von Caritasdirektor Walter Schmolly.

Walter SchmollyKommentar von Walter Schmolly, Direktor der Caritas Vorarlberg

Was brachte die Vereinten Nationen 2009 dazu, einen „Welttag der sozialen Gerechtigkeit“ in den Kalender aufzunehmen?

Da hilft ein Blick in die Begriffsgeschichte. Die Ursprünge des Konzepts „soziale Gerechtigkeit“ liegen in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die mit der Industrialisierung einhergehende Verarmung der Arbeiterschicht hat damals in Europa die „soziale Frage“ in einer völlig neuen Dringlichkeit ins Zentrum gerückt. In diesem Umfeld gewann das Prinzip der „sozialen Gerechtigkeit“ langsam Konturen. Dabei war ein wesentlicher Strang die Katholische Soziallehre, in die der Begriff über die die Enzyklika „Quadragesimo anno“ (1931) Eingang fand. Und zwar in der entscheidenden Frage nach dem regulativen Prinzip der Wirtschaft: „Die Wettbewerbsfreiheit … kann unmöglich regulatives Prinzip der Wirtschaft sein. … Höhere und edlere Kräfte müssen es sein, die die wirtschaftliche Macht in strenge und weise Zucht nehmen: die soziale Gerechtigkeit und die soziale Liebe!“ (Nr. 88) Alle Bevölkerungskreise müssen im Sinne des Gemeinwohls „am wachsenden Reichtum … entsprechend beteiligt werden“ (Nr. 73).

Ab 2007 hat eine Weltwirtschaftskrise um sich gegriffen. In deren Folge mussten die Dinge neu geordnet werden. Und das ging 2009 so wie im 19. Jahrhundert mit der Gefahr einher, dass die Auswirkungen die schwächsten und schutzbedürftigsten Teile der Gesellschaft und der Menschheitsfamilie am stärksten treffen – durch größere Armut und wachsende Ungleichheit. Die UN-Generalversammlung hat das Gott sei Dank gesehen und lenkt durch den Welttag die Aufmerksamkeit auf diese Gefahr.

Unter den hohen und edlen Dingen, an die dieser Welttag der sozialen Gerechtigkeit appelliert, scheinen mir heute zwei Aspekte besonders wichtig. Erstens die Chancengerechtigkeit, insbesondere für Kinder. Es bedarf heute erneut einer gemeinsamen Anstrengung, dass jedes Kind unabhängig von seinem sozialen Hintergrund seine Potenziale entfalten kann. Zweitens die globale Gerechtigkeit. Schon allein der Klimanotstand, der heute bereits in aller Härte die benachteiligten Länder Afrikas trifft, macht klar, dass die globale soziale Gerechtigkeit in unseren persönlichen und in den politischen Agenden ganz nach oben gehört und dass genau eines zählt, nämlich konsequente und mutige Taten.

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 8 vom 20. Februar 2020)