Hier finden Sie häufig gestellte Fragen zum Thema Armutsmigration (Quelle: Leitfaden zum Thema Armutsmigration der Caritas). Einfach draufklicken und loslesen.

„Ich habe das Gefühl es werden immer mehr BettlerInnen?“
„Gibt es die sogenannte‚ Bettelmafia‘?“
„Sind alle BettlerInnen Roma?“
„Wäre es nicht besser, den Menschen Gutscheine zu geben?“
„Ich habe das Gefühl, wenn man einmal etwas gibt, dann wollen die Leute immer mehr?“
„Ich biete an, etwas zu essen zu kaufen, aber der/die BettlerIn lehnt ab und sagt nicht einmal Danke!“
„Ist die Not der Menschen echt oder sind das organisierte Gruppen?“
"Werden Menschen zum Betteln gezwungen?“
„Wie verhalte ich mich persönlich?“
„Was können wir als Pfarrgemeinden tun?“
"Welche Möglichkeiten hat die Caritas?“
„Unsere KirchenbesucherInnen fühlen sich belästigt.“

„Ich habe das Gefühl es werden immer mehr BettlerInnen?“

Seit 1. Jänner 2014 gibt es in Österreich keine Arbeitsbeschränkungen mehr für Menschen aus den südeuropäischen Ländern der EU. Aufgrund extremer Verarmung in diesen Ländern machen sich die Menschen auf den Weg, um in Österreich Arbeit und ein Auskommen zu finden – oftmals ohne fachliche Qualifikation und Sprachkenntnisse.

„Gibt es die sogenannte‚ Bettelmafia‘?“

Es kursieren Gerüchte über Sozialtourismus, organisierte Kriminalität und Zwangsabgaben.  Nach der aktuellen Kriminalstatistik gibt es in Österreich nur in vereinzelten Fällen den Nachweis, dass Menschen zum Betteln gezwungen wurden. ArmutsmigrantInnen sind oftmals gut organisiert, aber nicht im kriminellen Sinn: Sie organisieren sich innerhalb ihrer Familien- und Dorfverbände, um An- und Rückreise überhaupt erst möglich zu machen und verlassen sich auch während ihres Aufenthaltes auf diese Strukturen.

„Sind alle BettlerInnen Roma?“

Die Frage, wie viele bettelnde Menschen aus osteuropäischen Staaten der Volksgruppe der Roma angehören, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Gemeinsam ist diesen Menschen, dass sie kaum über Schulbildung verfügen, in ihrem Heimatland keine Arbeit finden und in den meisten Fällen in Familienverbänden leben. Das, was sie in Österreich erbetteln, dient dazu, ihre Familie mit dem Lebensnotwendigsten zu versorgen – also mit Lebensmitteln, Kleidung und Heizmaterial für die kalte Jahreszeit.

„Wäre es nicht besser, den Menschen Gutscheine zu geben?“

Jeder Privatperson steht es frei, einen Gutschein auszugeben, Geld zu spenden oder auf eine andere Art und Weise zu helfen. Als Caritas raten wir allerdings von der groß angelegten Ausgabe von Gutscheinen ab, denn diese steht in vielerlei Hinsicht in Widerspruch zum Gedanken einer „Nächstenliebe ohne Wenn und Aber“: Erstens wird dadurch dem Mythos „Bettelmafia“ Vorschub geleistet. Zweitens geht die Ausgabe an den Bedürfnissen vieler ArmutsmigrantInnen vorbei. Mangels Einkommensalternativen in der Heimat werden mit dem erbettelten Geld nämlich Familien im Herkunftsland unterstützt. Drittens birgt die Ausgabe von Gutscheinen das Risiko, dass ein Bezahlmechanismus für Leistungen eingeführt wird, die in Österreich derzeit kostenfrei oder gegen geringe Unkostenbeiträge in Anspruch genommen werden können. Leistungen wie Notunterkünfte, Kleiderspenden oder warme Suppen sollen allen Notleidenden offenstehen, unabhängig von Herkunft, Nationalität oder dem Besitz eines Gutscheins. Nicht zuletzt führt die Vergabe von Gutscheinen zu einer Bevormundung der bettelnden Menschen, denen dadurch das Recht abgesprochen wird, frei über die Geldspende zu verfügen.

„Ich habe das Gefühl, wenn man einmal etwas gibt, dann wollen die Leute immer mehr?“

Den Menschen fehlt es am Notwendigsten und gleichzeitig sehen sie den großen Wohlstand in Österreich. Das ist schwer auszuhalten und führt zu noch drängenderem Bitten. Wer aber definiert was genug ist? Haben Sie sich schon einmal überlegt, wie viel Geld Sie pro Tag für sich brauchen würden, um mit dem Notwendigsten – einem Dach über dem Kopf und Kleidung – versorgt zu sein? Eine klare Kommunikation und eine damit verbundene Grenze, was ich bereit bin zu geben/geben kann, hilft einem selbst und auch dem Gegenüber.

„Ich biete an, etwas zu essen zu kaufen, aber der/die BettlerIn lehnt ab und sagt nicht einmal Danke!“

Viele hilfsbereite Menschen sind enttäuscht, wenn sie mit fehlender Dankbarkeit von Seiten der HilfsempfängerInnen konfrontiert sind. Diese Reaktion ist nachvollziehbar, trotzdem darf mangelnde Dankbarkeit kein Kriterium für die Verweigerung der Hilfe sein. Oft ist Scham der Grund, warum Hilfesuchende ihre Dankbarkeit nicht ausdrücken können. Gefühle werden in manchen Gesellschaften überhaupt nicht oder nur non-verbal gezeigt. Zudem nehmen Hilfesuchende in ihrer Notlage die Hilfegebenden kaum richtig wahr. Eine gern gegebene Jause kann nicht mit den Kindern im Heimatland geteilt werden. Nur im Gespräch können diese Missverständnisse ausgeräumt werden.

„Ist die Not der Menschen echt oder sind das organisierte Gruppen?“

Die Notreisenden haben in Österreich keinen Zugang zu Sozialleistungen und nur eingeschränkte Arbeitsmöglichkeiten. Die starke Familien- und Gruppensolidarität der MigrantInnen führt dazu, dass man sich gemeinsam auf die Reise macht, gemeinsam wohnt und auch das Betteln gemeinsam organisiert. In ihrer Notlage bleibt nur, mit Betteln ihr Überleben zu sichern, um die Familie in der Heimat unterstützen zu können. Sie wünschen sich Arbeit, um nicht betteln zu müssen oder Unterstützung im Heimatland, um dieses erst gar nicht verlassen zu müssen. Die Gleichsetzung von „organisiert“ und „kriminell“ entspricht nicht den Tatsachen. Dieser betrifft vor allem ArmutsmigrantInnen aus Ost- und Südosteuropa, vorrangig Roma und Romnija.

"Werden Menschen zum Betteln gezwungen?“

Erfahrungen, die die Caritas z. B. in Salzburg gemacht hat, sprechen klar dagegen, dass die Menschen zum Betteln gezwungen werden. In zahlreichen Gesprächen haben Menschen von ihrem Schicksal erzählt: Einzig die bittere Armut und die Ausweglosigkeit in ihrem Heimatland zwingt sie zum Betteln. 150 Interviews mit ArmutsmigrantInnen belegen einerseits die extreme Sparsamkeit und den Wunsch bzw. die freiwillige Verpflichtung, mit dem erbettelten Geld die Familie im Heimatland zu unterstützen. Andererseits kann eine enge Kooperation und ein starker Zusammenhalt zwischen den ArmutsmigrantInnen der Reisegemeinschaften festgestellt werden. So werden oftmals die Kosten für Aufenthalt, Treibstoff usw. geteilt. Für die häufig kolportierte Behauptung, das  erbettelte Geld komme gar nicht den ArmutsmigrantInnen zugute, sondern werde von „Hintermännern“ abkassiert, konnten in den Interviews keine Hinweise gefunden werden. Zwang zur Bettelei wird von der Caritas strikt abgelehnt. Es braucht aktiven Schutz dieser Menschen.

„Wie verhalte ich mich persönlich?“

Begegnungen mit bettelnden Menschen erzeugen oft ein Gefühl der „Hilflosigkeit“, ein „Unwohlsein“. Es ist nicht einfach, der Armut ins Gesicht zu schauen und sich der Tatsache zu stellen, dass es auch im reichen Österreich Menschen gibt, denen es am Notwendigsten fehlt. Entscheiden Sie für sich selbst, ob Sie einem bettelnden Menschen etwas geben, mit ihm Kontakt aufnehmen oder einfach vorbeigehen. Wenn es Ihnen gelingt, mit einem freundlichen Blick, einem Gruß oder ein paar Worten Ihre Wertschätzung auszudrücken, kann dies mindestens so wertvoll sein, wie eine rasch im Vorbeigehen abgelegte Münze.

„Was können wir als Pfarrgemeinden tun?“

Es ist uns zumutbar, der Armut ins Gesicht zu sehen. Der Grundsatz sollte lauten: besser hinschauen und in Kontakt treten, als vorschnell zu urteilen und gleichgültig zu werden. Gemeinsam kann sich die Gemeinde dem Thema stellen und Handlungsmöglichkeiten erarbeiten, beispielsweise Orte der Begegnung schaffen oder spezielle Hilfsangebote einführen. Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung sowie Solidarität mit den Hilfesuchenden sind zwei wichtige Ansätze der diakonischen Arbeit. In enger Zusammenarbeit mit der Caritas kann gemeinsam an einem „Netz der sozialen Aufmerksamkeit“ geknüpft werden.

"Welche Möglichkeiten hat die Caritas?“

Hilfe kann nur wirksam sein, wenn sie auf mehreren Ebenen ansetzt: Also Maßnahmen in den Herkunftsländern, Rückkehrberatung, Notversorgung und Basisberatung für Einzelschicksale. Das kann die Kirche nicht alleine bewerkstelligen, auch Politik und Gesellschaft sind gefordert. Auf politischer Ebene ist wichtig, dass Europa sich zu einem sozialen Europa bekennt und die nötigen Schritte setzt. Kirche und Caritas müssen die Armut im Blick haben und den betroffenen Menschen in den Mittelpunkt rücken, nicht schweigen, sondern hinsehen und handeln. „Soll man lieber vor Ort helfen?“ Um die Situation der Menschen in ihren Herkunftsländern nachhaltig zu verbessern, braucht es Maßnahmen auf EU-Ebene. Bis diese greifen, wird es noch viele Jahre dauern. Zäune zu errichten, kann keine Lösung sein. Seit Jahren unterstützt die Caritas die Menschen vor Ort. Wie wir – gerade auch als ChristInnen – mitder Armut umgehen können, also mit den unangenehmen Gefühlen der Hilflosigkeit und Unsicherheit, ist eine Herausforderung. Wir werden uns dieser gemeinsam als Gesellschaft stellen müssen. Dazu braucht es eine behutsame und differenzierte Sprache und die Bereitschaft, miteinander ins Gespräch zu kommen. Bekämpfen wir gemeinsam die Armut und nicht die Armen!

„Unsere KirchenbesucherInnen fühlen sich belästigt.“

Unsere Begegnung mit bettelnden Menschen folgt stets dem Gedanken der Nächstenliebe und der Würde des Menschen. Dies gilt auch für die Anwesenheit von bettelnden Personen während des Gottesdienstes. Klar kommunizierte Regeln für die Zeit des Gottesdienstes, beim  Pfarrkaffee und bei Veranstaltungen  können helfen, unerwünschte Situationen zu verhindern.