Es ist eine Binsenweisheit, dass die, die sich am lautesten auf die Werte des „christlichen Abendlandes“ berufen, nicht unbedingt die fittesten sind, wenn es um deren Inhalte geht. Allen voran: die Koalitionsverhandlerinnen und -verhandler von FPÖ und ÖVP bei den Themen Asyl und Mindestsicherung. Vorarlbergs Caritasdirektor Walter Schmolly warnt einen Tag nach dem ersten Welttag der Armen scharf vor einer Preisgabe von Menschenrechten.

Laut Medienberichten haben sich ÖVP und FPÖ in ihren Koalitionsverhandlungen im Bereich Innere Sicherheit verständigt. Sie sehen massive Veränderungen im Asylrecht und in der Gestaltung der Mindestsicherung vor – in welche Richtung dürfte klar sein.

Verdrehung der Wirklichkeit

Mit den geplanten Maßnahmen seien ÖVP und FPÖ auf dem besten Weg, Menschenrechte in Österreich aufzugeben, so Schmolly in einer Aussendung. Das Vorhaben, „die illegale Migration auf null zu senken“ heiße schlussendlich, dass in Österreich auch das Recht auf einen Asylantrag und ein rechtsstaatliches Asylverfahren für in ihrem Herkunftsland verfolgte Menschen de facto abgeschafft werden solle. Das gäbe ein Menschenrecht preis und bräche auch mit grundlegenden Werten der christlichen Tradition in Österreich.

Die geplanten Veränderungen in der Mindestsicherung bedeuteten darüber hinaus nichts anderes als die Abschaffung der Mindestsicherung für bestimmte Gruppen. Von einer „Mindestsicherung light“ zu sprechen, sei laut Schmolly eine unverantwortliche Verdrehung der Wirklichkeit. Wenn eine Familie mit vier Kindern 1.500 Euro erhalte, dann sei dies keine Mindestsicherung mehr, sondern eine „Null-Sicherung“. Diese Familie werde damit in die Armut gedrängt – das Menschenrecht auf soziale Sicherheit gelte für sie in Österreich offenbar nicht mehr. Das sei ein Tabubruch, für den die gesamte Gesellschaft langfristig einen hohen Preis werde zahlen müssen.

Symbolpolitik auf Kosten der Schwächsten

Überhaupt hält Schmolly die Gewichtung der Themen für nicht nachvollziehbar: Österreich sei laut dem „Global Peace Index“ das drittsicherste Land der Welt. Die Mindestsicherung mache im Gesamten 0,89% des Sozialbudgets aus, die Einsparungspotenziale seien minimal und ein Bruchteil dessen, was zum Beispiel durch die Verhinderung der Steuerflucht eingespart werden könnte. Hier gehe es offenbar nicht um Sachpolitik, sondern um Symbolpolitik auf Kosten der Schwächsten, so Schmolly. Er appelliert an eine verantwortungsvolle Politik, die das Wohl aller Menschen im Blick haben müsse – anstelle eines verlängerten Wahlkampfes.

Caritas-Präsident für Gesamt-Östereich Michael Landau positioniert in seiner Stellungnahme nicht ganz so kämpferisch: Es gelte abzuwarten, ob es sich bei den angekündigten Maßnahmen nicht um „ideologische Duftmarken“ handelt. Zugleich kündigte er aber an, die Caritas werde bei jeder zustandekommenden Bundesregierung genau achtgeben, „wie sie mit den Schwächsten umgeht – was den Zugang zu Bildung für Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen, die Sicherheit im Pflegebereich oder die Sorge um leistbaren Wohnraum und eine Arbeit, von der man leben kann betrifft.“ Er entlarvte außerdem die Doppelmoral in den bisherigen Äußerungen: „Wenn sich Politiker stark machen für das Schließen von Flüchtlingsrouten, dann muss es ihnen auch gelingen, die Schlupflöcher der Steuerflucht zu schließen“, betonte er in Hinblick auf die jüngsten Veröffentlichungen rund um die so genannten Paradise Papers.

Widerstand – JETZT!

Schmolly hofft auf den Widerstand aus Bevölkerung und Politik: Er sei überzeugt, dass es nicht der mehrheitliche Wunsch der Bevölkerung sein könne, dass in Österreich grundlegende Menschenrechte über Bord geworfen werden. Schließlich ist es genauso eine Binsenweisheit, dass Armut jeden treffen kann. Und dann ist das Geschrei WIRKLICH groß.

Quelle: Caritas Vorarlberg / kathpress / red