Nach einem Jahr zieht das Plaudernetz der Caritas Wien eine gemischte Bilanz: Das Angebot werde viel genutzt – und dieser hohe Bedarf sei besorgniserregend.

Diese Pandemie hat mehr als genug Zahlen, wirklich: 7-Tages-Inzidenz, Intensivbettenbelegung, Sterbefälle an oder mit Corona. Aber vielleicht interessiert Sie diese hier trotzdem: Täglich nehmen Freiwillige 100 Anrufe entgegen von Menschen, die einsam sind und niemanden zum Reden haben. Mehr als 10.000 Mal war das im vergangenen Jahr der Fall, berichtet die Caritas, die das „Plaudernetz“ eigens zu diesem Zweck eingerichtet hat.

Das Prinzip ist simpel: Wer das Bedürfnis zum Austausch hat, wählt anonymisiert die Telefonnummer 05/1776-100. Nach Zufallsprinzip werden Gesprächswillige dann mit freiwilligen Gegenüber verbunden, der oder die gerade Zeit hat. Die Zuhörenden haben sich zuvor auf www.plaudernetz.at registriert.

Reden ist Gold

„Die Telefonnummer hat Menschen zusammengebracht, die sich noch nie davor gesehen oder gesprochen haben. Sie konnten miteinander plaudern, ihre Sorgen und Ängste loswerden und sich mit jemandem verbunden fühlen“, sagte Klaus Schwertner, geschäftsführender Caritasdirektor der Erzdiözese Wien, der selbst als freiwilliger Plauderpartner schon einige Telefongespräche geführt hat. „Die psychosozialen Folgen von Ausgangssperren sind groß, wenn persönliche Kontakte wegbrechen.“ Oft helfe ein einfaches Telefonat schon enorm.

Die im ersten Lockdown gestartete Zusammenarbeit mit dem technischen Partner Magenta wurde verlängert. „Bereits vor der Coronakrise gab es in Österreich laut einer Befragung rund 372.000 Menschen, die niemanden für persönliche Gespräche in ihrem Umfeld haben“, betont Schwertner. Die Pandemie habe das Problem „noch einmal deutlich verschärft“. Entgegengenommen werden die Anrufe derzeit zwischen 12 und 20 Uhr von 3.410 Freiwilligen. Im Schnitt dauert ein Gespräch 30 Minuten.

Für kleinere und größere Krisen

Das von der Stadt Wien geförderte Plaudernetz ist keine Krisen-oder Expertenhotline, sondern ein Angebot für die kleinen und großen alltäglichen Gespräche, die den Menschen derzeit oft fehlen. Die Anrufenden bleiben anonym. Weiterhin werden Menschen gesucht, die als Plauderpartner mitmachen wollen.

Außerdem besteht das Angebot der Telefonseelsorge, das unter der Nummer 142 österreichweit rund um die Uhr kostenlos zur Verfügung steht.

Quelle: kathpress.at / religion.orf.at / red