Düstere Prognosen gibt die Caritas-Katastrophenexpertin Sarah Ebner in einem aktuellen Interview ab: Demnach werden in den kommenden zwei bis drei Monaten unzählige Kinder in der afrikanischen Sahelzone an Hunger sterben, wenn keine verstärkte Hilfe geleistet wird. Schon seit Monaten kämpfen rund Millionen Menschen gegen den Hungertod, nun sind zunehmend auch die Kinder betroffen. "Je länger Kinder unterernährt sind, desto weniger schreien sie", erklärt Ebner. Eine betäubende Stille.

18 Millionen Menschen sind in Afrika derzeit von der Dürre und ihren Folgen betroffen, sechs davon allein in Niger, wo die Caritas-Katastrophenexpertin Sarah Ebner vor Ort mit lokalen Partnern die Nothilfe koordiniert und neue Initiativen plant. In manchen Regionen erreichten die Hilfsmaßnahmen gerade einmal die Hälfte aller unterernährten Kinder.

Hilfe in Ernährungszentren
In Ernährungszentren unterstützt die Caritas vor allem inder unter fünf Jahren sowie schwangere und stillende Mütter. Außerdem werden in den Zentren und Dörfern Lebensmittel verteilt, da die Lebensmittel auf dem Markt nicht mehr bezahlbar sind. So sei beispielsweise im Niger Hirse seit Jahresbeginn um das zwei- bis dreifache gestiegen, erläuterte Ebner. Rund hundert Frauen kommen einmal pro Woche in die Ernährungszentren, um ihre Kleinen wiegen, messen und impfen zu lassen. Unterernährte Kinder erhalten nährstoffreiche Spezialmilch, ihre Verwandten bekommen etwas Getreide. "Sind die Kinder unterernährt, sind es ihre Familien mit Sicherheit auch", erklärt die Auslandshilfe-Mitarbeiterin der Caritas Tirol Verena Egger.

Durchfall und Magenkrämpfe
Auch die Caritas stößt bei ihren Hilfsmaßnahmen immer wieder an ihre finanziellen Grenzen. "Es ist tragisch, wenn man Frauen wieder wegschicken muss, die den ganzen Tag auf Hilfe gewartete haben und nun nichts bekommen", erklärt Ebner. Es sei schrecklich die Angst und Verzweiflung in den Augen der Frauen zu sehen, die nicht wissen, wie sie hre Kinder die nächsten Tage ernähren können. Als Folge des Ernährungsengpasses haben die Menschen in einigen Regionen bereits damit begonnen, Saatgut oder Blätter zu essen.  Letztere verursachen Durchfall und Magenkrämpfe, den Hunger stillen sie aber nicht. Ohne Hilfe von außen und neues Saatgut gibt es aber auch keine neue Ernte.

Betäubende Stille und stumme Augen
Die schlimmsten Momente in ihrer Aufgabe seien jedoch, "wenn du in einen Raum kommst und dich die Kinder mit stummen Augen ansehen. Je länger Kinder unterernährt sind, desto weniger schreien sie." Diese "betäubende Stille" sei unerträglich, "damit dürfen wir uns nicht abfinden", hält Ebner fest.  Dabei könnte man bereits um sieben Euro einem Kind in der Sahelzone für einen Monat das Überleben sichern. Um 25 Euro könnte man für eine Familie Saatgut und landwirtschaftliche Geräte finanzieren.

Ein Hoffnungsschimmer, aber keine Prognose
Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es allerdings: Wenn alles gut geht und die derzeitige Regenzeit gut verläuft, könnte die Krise in einigen Monaten einigermaßen überwunden sein. Im Oktober steht die nächste Ernte an und in manchen Regionen gibt es bereits Regen; in anderen aber auch noch nicht, berichtet Ebner. Prognosen zu stellen sei dennoch schwierig, manchmal setze der Regen im August auch plötzlich aus.

Tödlicher Mix
Doch nicht nur die Dürre macht den Menschen zu schaffen - es ist vielmehr ein "tödlicher Mix" aus Dürre, Lebensmittelteuerungen, chronischer Armut und politischen Konflikten, erklärt Ebner. Schon die Ernte im Vorjahr sei schlecht ausgefallen und neben der aktuellen Dürre würden auch die politischen Konflikte in den Nachbarländern massiv zur derzeitigen Katastrophe beitragen. So hätte der gewaltsame Konflikt in Mali Flüchtlingsströme nach Burkina Faso und Niger ausgelöst und durch die Revolution in Libyen hätten mehr als 200.000 aus Niger stammende Menschen das Land verlassen müssen. Ebner: "Die haben bis dahin von Libyen aus ihre Großfamilien versorgt. Das war ein enormer Wirtschaftsfaktor, der nun weggebrochen ist."