Die Budgetrede von Finanzminister Spindelegger trifft bei zahlreichen NGOs auf harte Kritik: bei den Ärmsten der Armen werde gespart, die angekündigten Strukturreformen fehlten, die großen Themen wie Bildung, Pflege, Wohnen und Armut würden nicht ernsthaft angegangen. Die Organisationen vermissen das Einhalten der Regierungsprogramme. Verantwortung und Haftung wird für Banken übernommen - für Menschen nicht.

Die Politik, die mit der Budgetrede des Finanzministers am Dienstag deutlich wird, ist für Caritas-Präsident Michael Landau "bedrückend und ein Ärgernis". Bei einer Pressekonferenz nannte Landau es einen "Skandal", dass die Bürger für eine Pleite-Bank und eine Krise haften müssten, die sie selbst nicht verursacht haben. Das Mindeste wäre laut Landau, dass die Politik dann ebenso auch für die Menschen am Rand der Gesellschaft haftet. "Hier aber hat sich die Bundesregierung zu einer Gesellschaft ohne Haftung für die Schwächsten entschlossen", so das bittere Resümee des Caritas-Chefs.

Die Hauptkritikpunkte Landaus betreffen die Kürzungen bei der Entwicklungshilfe und Humanitären Hilfe, die fehlende Entlastung des Faktors Arbeit, mangelndes Gegensteuern gegen immer höhere Mieten und Säumigkeit bei Pflege und Hospiz. Das vorliegende Budget sei insgesamt "völlig inakzeptabel", da es sich auch nicht an den erklärten Zielen des Regierungsprogramms orientiere. "Wir rufen die Regierung auf, die selbst gesteckten Ziele auch einzuhalten", so der Caritas-Präsident. Als einzige Budget-Positiva würdigte der Caritas-Präsident die - wenn auch "zaghafte" - Familienbeihilfenerhöhung und Akzente im Kampf gegen Arbeitslosigkeit.

Aber, so schränkte Landau gleichzeitig ein, "es fehlen die angekündigten Strukturreformen". Konkret nannte er eine Föderalismus-Reform, eine Verfassungsreform, die etwa Haftungsübernahmen durch Bundesländer einschränkt und "katastrophale Folgen" wie das "Hypo-Desaster" verhindert. Landaus Warnung: "Wenn wir die strukturellen Probleme in diesem Land nicht lösen, werden wir sparen, kürzen, streichen und nochmals reduzieren - und wir werden die budgetäre Situation dennoch nicht in den Griff bekommen."

"Workingpoor"


In Österreich steige die Armut, weil der laut Landau "beste Schutz" davor - nämlich gute Arbeit - versage: Gerade niedrig Qualifizierte fänden immer schwerer Arbeit, von der sie auch leben können. Knapp 300.000 Österreicher gelten bereits als "workingpoor". Dies habe, so der Caritas-Chef, mit der enormen Belastung des Faktors Arbeit zu tun. Möglich wäre dies nach Überzeugung der Caritas durch Gegenfinanzierung bei Vermögen, Erbschaften und Schenkungen. Die geplante Senkung der Lohnnebenkosten fällt laut Landau "leider viel zu gering aus".

Die bedarfsorientierte Mindestsicherung dürfe als "letztes soziales Netz Österreichs" nicht noch löchriger werden als jetzt schon und sollte vielmehr zu einem "Sprungbrett" in den Arbeitsmarkt werden. Hier vermisst Landau klare Akzente - trotz positiver Aspekte wie den anhaltenden Bemühungen um ältere Arbeitslose und der Bildungsgarantie bis 18 Jahren.

Probleme bei Wohnen und Sterbebegleitung


Als "neuralgischen Punkt" sieht Landau den Wohnraum: "Während die Mieten stetig steigen, stagnieren die Löhne." Leistbares Wohnen sei längst auch ein Problem des Mittelstandes. Landau plädierte für die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderungsmittel, inklusive Rückflüsse, als "unverzichtbar".

In der Budgetrede vermisste Landau auch Anhaltspunkte für eine "solidarische Absicherung des Lebensrisikos Pflegebedürftigkeit". Es fehle ein Konzept für die langfristige Finanzierung von Pflege und Betreuung, auch der Hospizbereich sei unterdotiert und auf Spenden angewiesen: "Die Nachfrage nach einer Begleitung am Ende des Lebens übersteigt das Angebot bei weitem. Wir heilen gebrochene Arme, geben unser Bestes, um den Krebs zu besiegen, aber im Tod und im Sterben lassen wir die Menschen alleine." Die Caritas trete für einen Rechtsanspruch auf Betreuung durch Hospiz- und Palliativeinrichtungen ein - gemeinsam finanziert durch Bund, Länder und Sozialversicherungen.

EZA-Kürzungen "größte Enttäuschung"


Als "größte Enttäuschung des Budgets" nannte Landau Österreichs schwindende Solidarität angesichts der weltweiten Armut. Wie bereits viele andere NGOs aus dem Bereich der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) kritisiert nun auch die Caritas, dass im Jahr 2015 weitere 17 Millionen Euro bei der direkten Projekthilfe gekürzt werden sollen. Dieser Betrag entspreche ein, zwei neu gebauten, sanierten Autobahnkilometern, mit nur einer Million Euro könne Österreich aber 2.000 Familien langfristig vom Hunger befreien.

Auch seitens der Geschäftsführung des NGO-Dachverbandes "Globale Verantwortung" kam es angesichts der Budgetpläne zu harten Worten der Kritik: "Wieder einmal bei den Ärmsten der Armen zu sparen, ist eine absolute Bankrotterklärung der Regierung", kommentierte Geschäftsführerin Annelies Vilim.

Sie erinnerte daran, dass die neuen Budgetzahlen in deutlichem Widerspruch zum Regierungsprogramm stehen, in dem SPÖ und ÖVP einen Stufenplan zur Erhöhung der EZA-Mittel auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) sowie die Erhöhung des jährlichen Budgets des Auslandskatastrophenfonds auf 20 Millionen Euro angekündigt hatten. Die Wahrheit sehe nun ganz anders aus, kritisierte Vilim. Die Dotierung für Katastrophenhilfe bleibe nach den jüngsten Plänen bei fünf Millionen Euro pro Jahr und somit "auf unterstem Niveau"; Österreich sei damit "im Bereich der Humanitären Hilfe auch international eine Schande", so Vilim.

Diakonie: Pflege und Bildung keine "Fleißaufgabe"


Diakoniedirektor Michael Chalupka betonte bei der gemeinsamen Pressekonferenz, dass die Regierung mit dem aktuellen Budgetplan von den Kernaufgaben eines modernen Wohlfahrtsstaates abrücke. Der Staat müsse ein "gutes Leben" und Chancen für alle Menschen gleichermaßen bieten. Die aktuelle Regierung sehe die Kernaufgaben des Staates hingegen "vor allem im Sparen und in der Bankenrettung". Wenn der Finanzminister alle weiteren Aufgaben als "Fleißaufgaben" bezeichne, so sei das ein Schlag ins Gesicht: "Alte Menschen zu pflegen ist keine Fleißaufgabe, Kinder zu lehren und auszubilden ist keine Fleißaufgabe, und auch Menschen mit Behinderungen zu begleiten ist keine Fleißaufgabe. All dies sind Kernaufgaben des Staates."

Eine Politik, die allein auf budgetäre Kürzungen setze, sei "ein alter Hut" und keine "visionäre Zukunftsplanung". Das "hässliche Gesicht dieser Politik" zeige sich in seinen Wirkungen zwar erst in etwa fünf Jahren, dies dürfe aber nicht zu einer Verschiebung der Probleme in die Zukunft führen, wie dies etwa bei der Frage der langfristigen Pflegefinanzierung geschehe. Daher brauche es "mutige Investitionen und weitsichtige Politiker, die das gute Leben als Kernaufgabe des Staates erkennen". Konkret fordert die Diakonie gezielte Investitionen in den Ausbau ganztägiger Schulformen und den Ausbau der schulischen Inklusion sowie eine neue Bewertung des Finanzbedarfs von Schulen gerade in sozial benachteiligten Regionen.

Rotes Kreuz und SOS-Kinderdorf: "Niveauverlust in der Politik"


Scharfe Kritik am Budgetentwurf äußerte auch Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer. Die Politik befinde sich inzwischen in "Geiselhaft" wirtschaftlicher Sparzwänge, konkret: der Banken-Rettung. Er vermisse nicht nur Gesamtkonzepte im Blick etwa auf die Pflege und das Hospizwesen, sondern vor allem eine "Handschlagqualität": In den vergangenen Jahren seien vermehrt Zusagen nicht eingehalten worden. Dies habe zu einem "Qualitätsverlust in der Politik" geführt, so Schöpfer.

christian Moser, SOS Kinderdorf-Geschäftsführer, erläuterte die drängende Problematik im Bereich der Jugendfürsorge bei den "18+"-Jugendlichen und Unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF). Jugendliche, die nicht bei ihren Eltern leben können, verlieren mit 18 den Rechtsanspruch auf Kinder- und Jugendhilfe. "Die Politik lässt sie im Stich, es muss endlich eine einheitliche Lösung für ganz Österreich geben", so Moser. Als beschämend bezeichnet Moser außerdem den Umstand, dass unbegleiteten Kindern auf der Flucht derzeit in Österreich nur die halben finanziellen Mittel zuerkannt werden. "Braucht ein Kind aus Afghanistan nur halb so viel zu essen? Nur halb so viel Zuwendung? Es gibt kein halben Kinder!"


kathpress / red.