Zweimal binnen eines Jahres wurde der Rotstift angesetzt: Bedingt durch die - dank guter Konjunktur - gesunkenen Arbeitslosenzahlen sind seitens der letzten Bundesregierung die Fördergelder für Soziale Unternehmen gekürzt worden - also jene Einrichtungen, in denen Langzeitarbeitslose befristet eine Anstellung finden, um anschließend wieder leichter auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Caritasdirektor Walter Schmolly erklärt im Gespräch, was die Schließung des carla-Standortes in Lustenau bedeutet - für die Mitarbeiter/innen und die Gesellschaft als Ganzes.

Die Fragen stellte Charlotte Schrimpff

Insgesamt 16 Prozent weniger Fördergelder erhalten die Sozialen Unternehmen seitens des Bundes, was sich laut „arbeit plus - Soziale Unternehmen Vorarlberg“ zu einem Budgetloch in Höhe von einer Million Euro summiert. In Vorarlberg haben aufgrund dieser Einsparungen bereits die Postpartnerstellen der AQUA Mühle schließen müssen sowie der Integra-Regionalmarkt „Tante Irma“. Am 31. Oktober ist nun auch Schluss im carla Einkaufspark in Lustenau. Was bedeutet das konkret?
Walter Schmolly: Der carla Einkaufspark in Lustenau ist einer von insgesamt fünf Standorten in ganz Vorarlberg, die wir als Einheit betrachten und auch als Einheit wirtschaftlich steuern. 2018 konnten wir 64 Prozent unseres Budgets selbst erwirtschaften, aber trotzdem ist so ein Projekt auf öffentliche Förderungen angewiesen. Die Kürzungen der Gelder können wir nicht länger über interne Sparmaßnahmen und Effizienzsteigerungen auffangen, was dazu führt, dass wir, im Vergleich zu 2017, 15 Personen weniger eine befristete Arbeitsstelle anbieten können. Für die Betroffenen ist das bitter - vor allem, wenn man sich vor Augen führt, was Arbeit im Leben eines Menschen in Österreich, in Europa und in allen Gesellschaften, die so stark um das Thema Arbeit herum organisiert sind, bedeutet.

Nämlich?
Schmolly: Ganz grundlegende Erfahrungen des Lebens sind mit Arbeit verbunden: Dass das Leben einen Rhythmus hat, etwa. Ansehen ist zu großen Teilen an eine Arbeit geknüpft. Ein Arbeitsplatz bedeutet auch Zugehörigkeit und bietet die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Vor allem ist eine Arbeitsstelle der Schlüssel, um ein eigenes, selbstverantwortetes Leben in Freiheit zu führen. Wenn man längere Zeit beschäftigungslos ist, hat das nicht nur die Konsequenz, dass weniger Geld zur Verfügung steht, sondern dass man von all diesen Dingen ausgenommen ist. Das ist eine hohe auch psychische Belastung für die Betroffenen, die oft nicht mitbedacht wird. Die gesundheitlichen und sozialen Problemstellungen, die aufgrund von Langzeitbeschäftigungslosigkeit eintreten, sind auch ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor.

Benedicte Hämmerle, Sprecherin der Sozialen Unternehmen Vorarlberg, betrachtet die Kürzungen als Milchmädchenrechnung, weil das Geld, das in der Förderung gespart wird, stattdessen an anderer Stelle - etwa in der Arbeitslosen- oder Notstandshilfe - ausgegeben werden muss.
Schmolly: Die Fördergelder kommen zum ganz großen Teil unmittelbar den Menschen zugute, die bei uns arbeiten - nämlich als Gehalt. Die Frage lautet also: Zahlen wir jemandem einen Lohn, der sich anteilig aus den Fördergeldern und der Eigenerwirtschaftung eines Sozialen Unternehmens speist, oder bekommt er/sie das Geld in Form einer Mindestsicherung oder Notstandshilfe? Ich weiß nicht ob sich das jetzt genau auf den letzten Euro berechnen lässt, aber insgesamt ist es sicher nicht so, dass man sagen kann: Man spart sich das Geld bei den Sozialen Unternehmen ein und braucht es dann nirgends sonst. Und wenn man sieht, was darüber hinaus mit dem Thema Arbeit verbunden ist, dann meine ich: Das Geld ist besser investiert, wenn man es den Menschen als Gehalt zur Verfügung stellt.

Woran liegt es, dass die Politik diese Maßnahmen so wenig wertschätzt?
Schmolly: Ich glaube, es ist nicht die Arbeit der sozialen Unternehmen, die nicht wertgeschätzt wird, sondern die Frage lautet, wie man Menschen unterstützen will, deren Chancen am ersten Arbeitsmarkt relativ gering sind. Versorge ich die einfach, indem ich sage: Gut, wir zahlen euch die Mindestsicherung und ansonsten lassen wir euch in Ruhe, oder sehe ich den Faktor Arbeit als etwas, das über eine unmittelbare finanzielle Absicherung hinausgeht? Soziale Sicherheit heißt eben auch, in Beziehungen leben zu können, nicht zu vereinsamen, sich entwickeln zu können und seine Potentiale entfalten zu können. Und ich glaube, dass es eigentlich klug ist und zu einem gewissen Grad auch Verpflichtung der Öffentlichkeit ist, allen Menschen diese Erfahrungen zu ermöglichen.

Ist von einer kommenden Regierung also die Rücknahme der Kürzungen zu erwarten?
Schmolly: Egal, wer diese Regierung bildet: Sie wird nicht um eine wachsenden Zahl von langzeitbeschäftigungslosen Menschen herumkommen, weil sich die Wirtschaft wieder in eine andere Richtung entwickelt, als das die letzten Jahre der Fall war. Man wird die Frage nicht mehr mit dem Verweis auf eine gute Konjunktur und der Aussicht, dass die Unternehmen Arbeitskräfte suchen, abwiegeln können. Die Themen Arbeitslosigkeit und vor allem Langzeitbeschäftigungslosigkeit werden wieder größer und wichtiger. Und meine Hoffnung ist, dass es dann auch wieder eine größere Bereitschaft gibt, über nachhaltige, gute Förderungen und Lösungen für nachzudenken. In jedem Fall ist es im Sinne der ganzen Gesellschaft und auch unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten geraten, Institutionen wie carla nicht zu Tode zu sparen. «

carla Vorarlberg

„carla“ ist das Soziale Unternehmen der Caritas Vorarlberg, das am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen einen befristeten, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz, Qualifizierung und professionelle Unterstützung beim Wiedereinstieg in den regulären Arbeitsmarkt bietet - z. B. mit Stellen in der Sortierung, Aufbereitung und im Verkauf gebrauchter Gegenstände. Zukünftig werden nur noch in Altach, Bludenz, Feldkirch und Dornbirn Second-Hand-Bekleidung, Möbel und Haushaltsgegenstände zum Verkauf angeboten - der Einkaufspark in Lustenau schließt zum 31. Oktober. „Wir hoffen, dass unsere Kunden aus Lustenau die Einkaufsmöglichkeiten an anderen Standorten nutzen und freuen uns, dass uns auch die Bevölkerung unterstützt, indem sie uns gut erhaltene und gut verwertbare Sachspenden zur Verfügung stellt“, so Caritasdirektor Walter Schmolly.