„Das Glück ist im Grunde nichts anderes als der mutige Wille, zu leben, indem man die Bedingungen des Lebens annimmt“, so der französische Journalist Maurice Barrès. Und wahrscheinlich ist es gerade diese Art von Glück, die man im Haus Said (said = arab. „der Glückliche“) in Bregenz findet. 37 unbegleitete minderjährige Jungen zwischen 15 und 18 Jahren haben hier nach ihrer Flucht wieder ein Zuhause gefunden. Caritas-Stellenleiterin Margaritha Matt erzählt von ihrer Arbeit in dem bunten Haus.

Isabel Natter

„Als ich damals das Stellenangebot erhielt, hatte ich so meine Zweifel bei dem Gedanken, die youngCaritas hinter mir zu lassen und noch einmal den Job zu wechseln. Doch plötzlich trafen mich die Zufälle von allen Seiten. Ich bekam zum Beispiel Anrufe, die sich schon um diese Flüchtlingsthematik drehten, obwohl ich noch gar nichts damit zu tun hatte. Immer wieder stupste es mich aus dieser Richtung an.“
Ob man das nun „Zeichen“ nennen möchte oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen, meint Matt. Die Entscheidung zum Wechsel ins Haus Said sei allerdings die richtige gewesen. „Es ist mein Beitrag, den ich in dieser anspruchsvollen Zeit leisten möchte.“

Ein Tanz von Pflichtgefühl und Spaß

Der Alltag im ehemaligen Herz-Jesu-Heim in Bregenz verläuft für das Team sowie die jungen Männer im Einklang von gegenseitigem Respekt, Struktur und Eigenverantwortung. Alle 37 haben sich an die Pläne für den Putzdienst, den Küchendienst und die Hausordnung zu halten und auch ein - von Land, Stadt und Caritas bereitgestellter - Deutschkurs muss erfüllt werden. Gerade kürzlich wurde ihnen dafür in der HTL Bregenz von Bürgermeister Markus Linhart ein Abschluss-Zertifikat überreicht.
Neben den grundlegenden Regeln und dem Respekt füreinander ist allerdings sehr viel Raum zur freien Gestaltung. Das Haus bietet einen großen Garten, Tischfußballtische, einen Computerraum und Rückzugsmöglichkeiten. „Die Nähmaschine war ein unvermuteter Hit. Einige der Jungs können professionell schneidern und haben sich einfach hingesetzt und drauflosgenäht.“

Kraft schöpfen durch das Tun

„Ein gewöhnlicher Vierzig-Stunden-Job ist es sicher nicht“, lacht Matt. Noch kein Tag ohne Überstunden ist für das sechzehnköpfige Team um die Leiterin vorbeigezogen. Personalien gehören erfasst und archiviert, „gefühlte tausend Pläne“ geschrieben und Team und Jungs koordiniert. Daneben steht natürlich auch die soziale Komponente im Vordergrund: „Trotz der vielen traumatischen Situationen, die sie in ihrem jungen Alter durchlebt haben, sind sie natürlich auch ganz normale Teenager mit ihren eigenen Wünschen, Sorgen und Problemen“, erzählt Matt. Dass da einiges an Gesprächsstoff zusammenkommt, ist klar.
„Hin und wieder gibt es Zeiten, in denen die eigenen Kräfte zu versiegen drohen“, meint die Leiterin des bunten Hauses. „Dann fällt man abends ins Bett und denkt, es geht nicht mehr - und am nächsten Morgen wacht man auf und spürt, dass man sich wieder auf die Arbeit freut. Es ist erstaunlich.“

Mit viel Herz in die Zukunft

Trotz mancher Hürden, Rückschlägen oder traurigen Nachrichten aus der Heimat bleibt die Motivation im Haus bestehen. „Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt, doch es werden sich Wege finden müssen, wie wir als Land an die vielfältigen Facetten der Integration herangehen, gerade was Schulen und Einstiegsmöglichkeiten in die Arbeitswelt angeht.“ Was die Leiterin sich dabei am Meisten wünscht, ist: Herz für den Menschen. Und es ist genau dieses „Herz“, das in jeder noch so kleinen Nische des Hauses spürbar ist. Zeichnungen hängen an den Wänden, frisch geschnittene Blumen aus dem Garten schmücken die Tische und das gedämpfte Stimmengewirr sich austauschender Jugendlicher erklingt im breiten Treppenhaus.
Durch das ganze Gemäuer schwingt das Leben bis über die vielen Stufen nach unten in den großen Eingangsbereich: Das Haus Said ist ein Ort, der viele Schätze birgt, vor allem aber menschliche. Und wer dem Haus und seinen Bewohnern einen Besuch abstattet, der könnte die alten Mauern durchaus verändert wieder verlassen.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 30-31 vom 28. Juli/ 4. August 2016)