Die Flüchtlingshilfe wird in Vorarlberg von einem großen Netzwerk getragen, an dem alle an einem Strang ziehen. Was dabei auf die Beine gestellt wird, davon erzählt Bernd Klisch, Leiter der Caritas Flüchtlingshilfe.

Patricia Begle

„Die Rolle der Caritas hat sich sehr verändert“, erläutert der Fachbereichsleiter, der seit 1. September 2015 die Flüchtlingshilfe managt. „Wir sind nicht mehr der alleinige ‚Player‘ in der Flüchtlingsarbeit.“ Auf unterschiedlichen Ebenen sind in den vergangenen Monaten weitere Verantwortliche mit ins Boot gestiegen.

Wirkungsvolle Zusammenarbeit

Land, Gemeindeverband und Caritas arbeiten seit Herbst „Hand in Hand“. Nach außen wird dies sichtbar beim gemeinsamen Auftreten im Internet und bei Informationsveranstaltungen. Intern verläuft die Kooperation in unterschiedlichen Gremien. Im monatlichen Asylgespräch zum Beispiel werden die grundsätzlichen Weichen gestellt. Zum wöchentlichen Jour fixe wiederum treffen sich die Zuständigen für die Unterkünfte: Vertreter des Hochbauamtes, der Landespolizeidirektion, des Gemeindeverbandes, der Diözese und der Caritas. „Das Team arbeitet sehr lösungsorientiert, ist flexibel und beschränkt sich auf das Wesentliche. Es zeichnet sich durch Verlässlichkeit aus, durch Vertrauen und großes Engagement“, erzählt Klisch. „Ich habe das noch nie so erlebt. Vieles hat sich gefügt, wir hatten viel Glück - und Gottes Segen.“

Klare Botschaft

So ist es gelungen, in den letzten sechs Monaten 90 neue Quartiere zu schaffen. „Von der Frage, ob hier ein Mietvertrag zustande kommen wird, bis zur Belegung eines Großquartiers brauchen wir sechs Wochen.“ Derzeit werden jede Woche drei bis fünf neue Quartiere bezogen, ca. 40 Flüchtlinge finden Unterkunft. Wichtiger Erfolgsfaktor dafür war immer die gemeinsame Botschaft: „Wir sind uns der Verantwortung bewusst und bereit, die Menschen in Not aufzunehmen, zu versorgen und zu integrieren.“ In den letzten Wochen ist die Botschaft seitens der Politik widersprüchlicher geworden. Klisch wünscht sich hier wieder mehr Klarheit. 

Betreuung

In dieser Zusammenarbeit musste die Caritas auch Kompromisse eingehen: Die Großquartiere, die es vorher bei der Caritas nicht gab. „Hier konnten wir aber zwei Dinge durchsetzen, die uns sehr wichtig sind“, erläuert Klisch. „Die Kojen haben Türen, nicht nur Vorhänge. Und die Menschen haben Zugang zu Herd und Kühlschrank - sie können sich also selbst versorgen.“
Auch bezüglich der Betreuung der Flüchtlinge erzählt Klisch von der unkomplizierten und konstruktiven Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen - von der ärztlichen Betreuung bis zu Kindergärten und Schulen. „Alle luagan herawärts.“

Freiwillige

Ein wichtiger Netzwerkpartner sind die Gemeinden. Vielerorts gibt es Koordinatoren oder Teams. Das erleichtert unter anderem auch die Koordination der vielen Freiwilligen, die eine große Herausforderung darstellt. „Ehrenamtliche sind enorm wichtig“, erklärt der Fachbereichsleiter. „Sie sind die Brücke zur Gesellschaft und sorgen zudem dafür, dass die positive Grundstimmung nicht kippt. Sie sind unersetzbar.“
Was in der nahen Zukunft ansteht, ist der strukturelle Umbau der Caritas Flüchtlingshilfe. Immerhin ist die Zahl der Mitarbeiter/innen im vergangenen Jahr von 85 auf 196 angewachsen. „Dabei werden wir auch gut darauf achten, dass Freiwillige einen guten Platz und eine gute Begleitung im großen Gesamt haben“, blickt Klisch voraus.

Christliches Europa?

Für Klisch, der Theologie und Gesundheitsmanagement studiert hat, gehört die Flüchtlingshilfe klar zum christlichen Grundauftrag. „Hier zeigt sich, ob wir in Europa wirklich Christen sind“, erklärt er. „Denn Nachfolge Jesu heißt: Nächstenliebe. Alles andere ist dagegen nebensächlich. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter ist die Kernaussage Jesu auf die Frage, was uns retten kann, wie wir Heil erlangen.“

Zur Sache


Die Caritas Vorarlberg betreut derzeit (Stand 10. März 2016) 2787 Asylwerbende. Knapp die Hälfte davon sind Männer, ein Sechstel sind Frauen. Von den 871 Kindern unter 18 Jahren haben 126 den Status „UMF“, das heißt, sie sind ohne Begleitung einer erwachsenen Person im Land. Rund 75 % der Menschen kommen aus Afghanistan, Syrien und dem Irak. Untergebracht sind die Flüchtlinge in 37 großen Quartieren (über 25 Bewohner/innen) und 196 kleinen Quartieren (weniger als 25 Bewohner/innen).
Die 233 Quartiere verteilen sich auf fast alle Vorarlberger Gemeinden.
Betreut werden die Asylwerbenden von 196 Mitarbeiter/innen.
Neben der Caritas sind drei weitere Organisationen in der Betreuung tätig: ORS Service GmbH (zwei Großquartiere als Übergangsquartiere in Dornbirn und Götzis), Rotes Kreuz (Unterkunft in Hard), ifs (zwei Wohngemeinschaften für UMF).