Bischof Abraham Desta ist derzeit zu Besuch in Vorarlberg. Im Gespräch mit dem Leiter der Diözese Meki wird klar, dass die Bilder von Hunger und Dürre nur ein Gesicht Äthiopiens sind. Es gibt noch andere.

"Ethiopia is a land of origin", erklärt Bischof Abraham und nennt gleich ein paar Beispiele von Dingen, die in dem Ostafrikanischen Land ihren Ursprung haben. Der Kaffee zum Beispiel. Oder die Menschheit selbst, wie Knochenfunde gezeigt haben. Äthiopien hat auch als einziges afrikanisches Land eine eigene Schrift und damit geschriebene Geschichte. "Außerdem hatte Äthiopien mit der Königin von Saba schon vor langer Zeit eine Frau im höchsten Amt - noch vor Thatcher oder Merkel", schmunzelt Bischof Abraham und fährt fort mit der Aufzählung: Der äthiopische Kalender liegt knapp acht Jahre hinter dem Gregorianischen Kalender und zählt dreizehn Monate. Äthiopien gehört zu den ältesten christlich geprägten Ländern der Welt, das Christentum verbreitete sich bereits im 4. Jahrhundert.

Soziales Engagement der Kirche

Die äthiopisch-orthodoxe Kirche, die aus diesen Anfängen entstanden ist, zählt heute rund 55 Millionen Menschen. Die katholische Kirche verfügt über rund eine Million Mitglieder. "Wir sind zwar eine Minderheit", erzählt Bischof Abraham, "aber im sozialen Bereich sind wir sehr sichtbar." Das hat auch mit jenen Projekten zu tun, die in Zusammenarbeit mit der Caritas Vorarlberg entwickelt wurden - gemeinsam mit den Menschen vor Ort. "Wir arbeiten nicht für die Menschen, sondern mit den Menschen", erläutert der Kirchenmann. So konnte in den vergangenen Jahren einiges geschaffen werden: Genossenschaften von Bauern wurden gegründet, die gemeinsames Wirtschaften fördern und unabhängiger von den Konzernen machen. Landwirte wurden geschult, um Erträge zu verbessern und nachhaltig zu wirtschaften. Familien wurden mit Kleintieren wie Ziegen und Schafen unterstützt, um selbständiger zu werden. Imker wurden geschult, um zur Renaturierung der Region beizutragen. Immer ging es darum, langfristige Verbesserungen für Menschen und Umwelt zu initiieren.

Nachhaltigkeit konkret

"Go for green" ist der Leitspruch der Regierung und seit ca. zehn Jahren setzt sich Äthiopien auf vielen Ebenen für den Schutz der Natur ein. "Unterstützung dafür finden wir auch in der Enyklika 'Laudato si'", erläutert Bischof Abraham. "Sogar nicht-christliche Politiker haben nach ihr gefragt." Billionen von Bäumen wurden gepflanzt, erneuerbare Energien wie Wasser-, Wind- und Solarenergie werden forciert. Das Bewusstsein in der Bevölkerung wächst. Und das ist notwendig. Denn Äthiopien ist eines jener Länder, das die Auswirkungen des Klimawandels hautnah und sehr existentiell erlebt. Die Zeiten zwischen den Dürren verkürzen sich und die Stärke der Regenfälle nimmt vielfach zu, sodass es zu Überschwemmungen kommt, die auch vor dem Saatgut auf den Feldern nicht Halt machen. So sind derzeit rund 18 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen, ohne die sie verhungern und verdursten würden. "Nicht ganz Äthiopien ist von dieser Situation betroffen, nur einige Gebiete", erklärt Bischof Abraham. In dieser prekären Situation werden all jene Maßnahmen spürbar, die in den letzten Jahren getroffen wurden, um für solche Notsituationen gewappnet zu sein. Jetzt kann auf die Getreidespeicher der Genossenschaften und der Regierung zurückgegriffen werden. Jetzt wird deutlich, wie wichtig solche Kooperativen letztlich sind. Überlebenswichtig.

Armut als Wurzel

Was sich Bischof Abraham für die Zukunft wünscht, ist die Weiterführung der guten Zusammenarbeit mit der Caritas Vorarlberg. "In der Zusammenarbeit können wir Freunde werden und voneinander lernen. Wenn wir uns verbinden, können wir die Welt verändern, können wir die Armut besiegen." In ihr sieht der Bischof den Grund vieler Probleme, sie steckt hinter Radikalisierung und Terrorismus - Phänomene, von denen Äthiopien zwar noch nicht direkt betroffen ist, die aber durch die Medien präsent sind. Auch in dem ostafrikanischen Land.
Ein Thema, das Äthiopien genauso betrifft wie Europa, sind Flüchtlinge. 750.000 Menschen sind hierher geflüchtet. Sie sind in Camps untergebracht und warten auf eine bessere Zukunft. "Wir sagen unseren Leuten: Emigration ist keine Lösung. Bleibt in eurem eigenen Land, verändert euer Leben, arbeitet hart, studiert hart." Überhaupt sieht Bischof Abraham in der Bildung den Weg heraus aus der Armut. "Wir müssen jungen Menschen bewusst machen: das Land, in dem sie leben ist veränderbar. Und Bildung ist der Weg, etwas zu verändern und Probleme zu lösen."

Die Vision von Bischof Abraham ist, eines Tages selbst Hilfe weiterzugeben. Sowohl materielle als auch nicht-materielle. "Wir können auch Wissen weitergeben oder Kommunikation, Kultur oder Werte. Menschen sollen sich ändern - hin zu einem inneren Reichtum. Wir müsse die jungen Leute unterstützen, damit sie sehen, wo der Wert eines guten Lebens wirklich liegt, damit sie eine gute Balance finden zwischen materiellen und nicht-materiellen Werten."