In den ersten drei Monaten des laufenden Jahres wurden 65 Prozent mehr Anfragen in den Suchtfachstellen der Caritas als im Vergleichszeitraum des Jahres 2020 verzeichnet. Monika Chromy und Linda Dreher-Bilgeri von der Suchtarbeit der Caritas erklärten bei einem Pressegespräch warum.

Wolfgang Ölz

Wenn jemand in Kurzarbeit ist, dann ist der Job oft schon zu Mittag erledigt und dann steht das große Bier oder das Weinglas eben schon an der Mitte des Tages auf dem Tisch. Wenn der Mangel an Begegnungen die Jugendlichen besonders hart trifft, dann kann es vermehrt vorkommen, dass ein Mädchen beginnt, unnormal die Kalorien zu zählen und eine Essstörung eintritt. Insgesamt wird durch die Isolation im Zuge der Corona-Maßnahmen die Einsamkeit, die vielleicht latent vorhanden war, noch deutlicher spürbar. Dann ist der Griff zu Scheinlösungen in Form von Alkohol und Tabletten oft sehr naheliegend. Auch das „Überessen“ zur Stabilisierung tritt jetzt vermehrt auf. Dann ist es eben statt einer halben Tafel Schokolade eine ganze, um sich ein positives Gefühl anzuessen. Diese problematischen Verhaltensmuster ließen die Zahlen nach oben schnellen. „Sie stabilisieren die Situation aber nur scheinbar und sind keine Lösung“, skizziert die klinische Psychologin Linda Dreher-Bilgeri den Weg in die Sucht. Sie leitet die Suchtfachstellen im Oberland und kennt die fatalen Auswirkungen auf Betroffene und Umfeld, wenn das Suchtverhalten unkontrollierbar wird.

Angehörige im Blick. Monika Chromy, Fachbereichsleiterin der Suchtarbeit der Caritas, erklärt die Erfahrungen ihres Teams in den vergangenen Monaten so: „Durch Corona und die damit verbundenen Einschränkungen wurden die eigenen Lebenswelten für uns alle kleiner, beziehungsweise hat sich das Leben mehr in die eigenen vier Wände verlagert. Viele Familien mussten oft auf engstem Raum ständig zusammenleben. Dadurch sind auch Verhaltensweisen wie beispielsweise ein hoher Alkohol- oder Cannabis-Konsum oder auch Essstörungen Angehöriger mehr aufgefallen als sonst.“ Die Caritas nimmt in dieser Situation vor allem auch die Angehörigen in den Blick, die oft ebenfalls einen hohen Leidensdruck haben.

Wann brauche ich Hilfe?
Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen wird empfohlen, wenn ich das Gefühl habe, dass etwas mit mir nicht mehr stimmt, wenn mein Konsumverhalten mich bestimmt und ich selbst es nicht mehr steuern kann, wenn ich Dinge, die mir an sich wichtig sind, vernachlässige, wenn ich mich schwer aufraffen kann, etwas zu tun.

Suchtfachstelle der Caritas Vorarlberg
Anfragen bei Erstkontakt auch anonym.
T 05522 200-1700, E suchtfachstelle@caritas.at
www.caritas-vorarlberg.at

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 13/14 vom 1. / 8. April 2021)