Der islamische Friedhof in Altach ist 10 Jahr alt geworden. Die Beteiligten zogen am 22. Juni in einer kleinen Feier im Altacher KOM ein sehr positives Resümee über diesen Ort, der über die Grenzen des Landes hinaus noch immer Aufmerksamkeit findet.

von Hans Rapp

Der islamische Friedhof ist ein Platz des Ankommens geworden. Dieses Fazit des Landesrates Christian Gantner mag auf den ersten Blick erstaunen. Sind Friedhöfe nicht eher Orte des Abschiedes von geliebten Menschen? Für den Friedhof in Altach stimmt aber das Bild des Angekommensein. Die erste Generation der türkischen oder bosnischen Muslime wollte und will in ihren Heimatländern bestattet werden. Für Muslime, die in Vorarlberg geboren wurden und für die das Land zur Heimat geworden ist, sieht das anders aus. Sie wollen zunehmend in Vorarlberg bestattet werden, weil das ihre Heimat ist. Wie wichtig ein Bestattungsort ist, drückt eine der Zahlen eindrücklich aus: 39 Kinder sind auf dem Friedhof begraben. „Den Eltern ist es wichtig, sie besuchen zu können und sie so in Erinnerung zu behalten,“ unterstreicht Elif Dagli, die Vorsitzende der islamischen Glaubensgemeinschaft.

Vorarlberg in der Pionierrolle

Am 2. Juni 2012 wurde der islamische Friedhof in Altach feierlich eröffnet. Nur zwei solcher Friedhöfe gibt es in ganz Österreich. Der andere ist in Wien. „Es hat für dieses Projekt Mut gebraucht“, betont der Altacher Bürgermeister Markus Giesinger. „Man hatte ja nicht gewusst, wie das Projekt aufgenommen wird“. Einer, der diesen Mut aufgebracht hat, war Gottfried Brändle, der damalige Bürgermeister von Altach. „Von Anfang an war klar, dass das Thema nicht nur ein Thema von Altach, sondern des ganzen Landes war“, betont Brändle.

Eine lange Vorbereitungszeit

Der Eröffnung des Friedhofs im Jahr 2012 ging eine fast zehnjährige Vorbereitungszeit voraus. Ab 2003 bereitete die Islamische Glaubensgemeinschaft den Antrag vor. 2004 kam es zum offiziellen Antrag an den damaligen Landeshauptmann Herbert Sausgruber, dass ein islamischer Friedhof in Vorarlberg errichtet werden sollte. Die Vorgaben wurden durch Land und Gemeindeverband festgelegt. Es wurden alle 96 Gemeinden angeschrieben, doch es war klar, dass der Friedhof im Rheintal liegen sollte, wo die meisten Muslim leben und der von überall gut erreichbar war. „Die vier Gemeinden der Kummenberg mit Hohenems haben sich daher zusammengesetzt und überlegt, was sie zu diesem Thema beitragen können. In dieser ersten Sitzung wurde der heutige Standort des Friedhofs bereits genannt. Das betraf die Gemeinde Altach. So ging der Auftrag an mich, bei uns abzuklopfen, was möglich ist,“ erinnert sich der damalige Altacher Bürgermeister Gottfried Brändle.

Ein politisch heikles Projekt

Das politische Umfeld war nicht einfach. Die Landtagswahlen standen an und die Minarett-Diskussion erhitzte die Gemüter. „Es wurde mit der muslimischen Gemeinschaft gezündelt. Unter diesem Blickwinkel ist natürlich jeder Bürgermeister erst mal vorsichtig. Ich auch. Jeder wusste, dass mit diesem Thema sauber umgegangen werden musste“ erzählt Brändle. Der Standort, den die Altacher in den Blick genommen hatten war aber ideal. Die wenigsten Altacher wussten, dass er überhaupt in ihrem Ortsgebiet lag. 2005 standen dann die Wahlen an. Das mögliche Projekt eines islamischen Friedhofs sollte dort nicht zum Thema werden. Intern sprach sich Brändle aber mit dem Gemeindevorstand ab und die Parteien zogen an einem Strick. Das Thema wurde im Wahlkampf nicht aufgenommen. Nach den Wahlen begann die Gemeinde, die Bürgerschaft zu informieren. Dazu holte man die bekannte Fernsehmoderatorin Angelika Böhler ins Boot. Die Bemühungen fruchteten. 2006 konnte ein einstimmiger Gemeindebeschluss fallen, den Boden an den Gemeindeverband zu verkaufen.

Verzögerung

Dann geschah vier Jahre lang nichts. Ursprünglich sollte die Islamische Glaubensgemeinschaft den Bau und den Betrieb des Friedhofs übernehmen. Auf die Nachfrage der Gemeinde stellte sich heraus, dass sie nicht in der der Lage waren, das Projekt abzuwickeln, weil sie zu klein waren. Dazu kam die Unterschiedlichkeit der Verbände. Da gab es die bosnischen Moslems, die türkischen, die Aleviten. In Abstimmung mit dem Gemeindeverband bot sich darauf die Gemeinde Altach an, das Projekt zu übernehmen. Sie hatte das entsprechende Know How für den Bau größerer Gebäude. Aus dem gleichen Grund übernahm die Gemeinde auch die Organisation und den Betrieb des Friedhofs. Damit war eine tragfähige Basis für das Projekt gegeben.

Inspiration für den Ortfriedhof von Altach

Das Projekt des islamischen Friedhofs gab auch Impulse für den Ortsfriedhof. Als der Friedhof im Juni 2012 an einem wunderschönen Sommertag eröffnet wurde und alle hier waren, kam die Botschaft aus der Bevölkerung: „Wir möchten auch so einen schönen Ortsfriedhof“. Es gab damals bereits Überlegungen dazu. Eine neue Urnenwand und eine Neugestaltung waren im Gespräch. Das gelungene Projekt des islamischen Friedhofs lieferte weitere Impulse. Sechs Jahre später gestalteten die Altacher ihren Ortsfriedhof neu.

Der Friedhof wird gut genutzt

Nach zehn Jahren kann man sagen, dass der Friedhof gut angenommen wird, betont auch Eva Grabherr, die Leiterin von okay.zusammen leben. Von den 728 Gräbern des Friedhofs sind gegenwärtig 136 belegt. 115 Personen sind darin bestattet. Der Unterschied findet seine Erklärung darin, dass es sich bei einigen Gräbern um Doppelgräber handelt. Der Friedhof wird auch von Familien genutzt wird, die ihre Verstorbenen noch in der alten Heimat bestatten: 508 rituelle Waschungen haben in den vergangenen Jahren stattgefunden. Daneben stoßen auch die Führungen durch den Friedhof auf großen Anklang bei Gruppen die sich für die Entstehung und die architektonische Gestaltung interessieren. Führungen machen Altbürgermeister Gottfried Brändle, Eva Grabherr (okay.zusammen leben) oder Friedhofsverwalter und Bestatter Ali Can .

Anerkennung der islamischen Glaubensgemeinschaft

„Für mich persönlich gibt es verschiedene Perspektiven,“ betont Elif Dagli, die Vorsitzende der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Vorarlberg“. Zunächst bedeutet der Friedhof die Anerkennung der Islamischen Glaubensgemeinschaft bzw. der Muslime als der zweitgrößten Religionsgemeinschaft im Ländle. Zudem wurde das Bedürfnis der Muslime in Vorarlberg erfüllt. Sie kommen hier auf die Welt oder wandern zu. So haben diejenigen, die das möchten, die Möglichkeit, nach islamischer Tradition bestattet zu werden. Und dann ist es sicher auch eine Beheimatung oder die Möglichkeit, teilhaben zu können und dazuzugehören. Die meisten Muslime, ob hier geboren oder zugewandert, haben das Gefühl, hier in Vorarlberg zuhause zu sein. Mit dem Friedhof haben auch sie die Möglichkeit, in Vorarlberg im islamischen Ritus bestattet zu werden.

Wir haben an die Zukunft gedacht

Der Altacher Friedhof ist für die Vorarlberger Muslime ein Zukunftsprojekt „Der Friedhof bedeutet mir viel. Ich bin in Feldkirch geboren, aufgewachsen und ich werde natürlich auch in der Zukunft hier leben,“ erzählt der Fachinspektor für islamischen Religionsunterricht, Abi Tasdögen. Er war von Anfang an am Projekt beteiligt. Aus diesem Grund war es vor fast 20 Jahren ein wichtiger Schritt von uns Muslimen, einen Antrag zu stellen. „Wir wurden damals auch viel kritisiert, weil die erste Generation nicht hierbleiben wollte,“ erinnert sich Tasdögen. „Aber wir haben an die Zukunft gedacht, an die vierte, fünfte Generation und die Generationen danach. Es wird die Zeit kommen, wo man nicht mehr über Überführungen in die Heimatländer sprechen wird. Die Österreichischen Muslime werden automatisch sagen, wir werden uns in Altach begraben lassen. Wenn natürlich dann noch Platz ist. Aber sie werden auf jeden Fall die letzte Ruhe hier im Ländle finden“.

Führung durch den Islamischen Friedhof

Wer den islamischen Friedhof noch nicht kennt, hat am 7. Oktober 2022, 15.00 Uhr die Gelegenheit zu einer Führung mit Alt-Bürgermeister Gottfried Brändle. Anmeldungen unter: