20.000 Menschen aus über 60 Nationen bringt die Weltgymnaestrada nach Vorarlberg. Unter den Bewegungsbegeisterten sind auch Jugendliche aus Malawi und Kenia. Im Rahmen einer „Welcome-Party“ in Nenzing zeigten sie ihr Können und ihre Begeisterung.

Patricia Begle

Sie betritt die Bühne und trägt Körbe auf ihrem Kopf. Ein klassisches Bild - jede und jeder denkt gleich an afrikanische Frauen. Und tatsächlich kommen die Mädchen, die hier hintereinander nach vorne schreiten von diesem Kontinent, Malawi heißt ihr Heimatland. Ihre bunten Kleider bewegen sich im „Wind“ ihres Tanzes. Er ist eine Mischung aus Tradition und Zeitgeist, die sich auch in der Musik wiederfindet - afrikanische Songs aus den Boxen wechseln sich ab mit den Klängen der Instrumente, die die jungen Frauen in ihren Händen tragen.

Akrobatik

Die zweite Gruppe des afrikanischen Kontinents verzichtet ganz auf die Musik aus den Boxen. Die Jungs tragen zu Beginn ihrer Show ihre Trommeln auf die Bühne. Die Mädchen tanzen dazu, voller Energie und Begeisterung. Unterbrochen werden sie von den akrobatischen Einlagen der jungen Männer, die über Hebefiguren in schwindelerregende Höhen steigen. Teamwork und Vertrauen ist angesagt. Das Publikum bedankt sich mit tosendem Applaus, über tausend Frauen, Männer und Kinder sind an diesem Samstagabend zur „Welcome-Party“ in die Tennishalle nach Nenzing gekommen.

Netzwerk in den Süden

Die Teilnahme der afrikanischen Gruppen bei der Weltgymnaestrada 2019 ist nicht selbstverständlich, sie hat eine lange Vorgeschichte. An deren Anfang stand der Wunsch von Erwin Reis - Hauptorganisator des Sportevents - Jugendliche von diesem Kontinent mit dabei zu haben. Markus Fröhlich, Leiter der Aktion „Bruder und Schwester in Not“, vermittelte dem Dornbirner die Kontakte in Kenia und Malawi. Dort werden seit vielen Jahren Projekte mit Vorarlberger Spendengeldern unterstützt. Um die Jugendlichen auf ihren Auftritt vorzubereiten, reisten zwei Trainer/innen vom Akrobatik und Showtanz Verein (ASTV) Walgau in den Süden. Nicole Tschabrun war eine von ihnen.

Straßenkinder

„Der erste Besuch in Nairobi im Februar 2018 war ein Schock“, blickt die Schlinserin zurück. Die Lebensumstände in den Slums, aus denen die Schüler/innen kommen, erschreckten. Die Schule, die am Rande der Slums von den „Missionary Sisters of Precious Blood“ betrieben wird, bedeutet für die Kinder Rettung und Zukunft, denn die Schwestern holen sie weg von der Straße. Seit Jahrzehnten schon sind die Schwestern verlässliche Projekt-Partner von "Bruder und Schwester in Not". „Der Grund dafür, warum Kinder auf der Straße leben müssen, ist Armut“, erzählt Thomas Wanjoh. „Es gibt kein Essen, keine Kleidung,  und so versuchen die Kinder, selbst Geld aufzutreiben“, erzählt der 17-Jährige, der einen Teil seiner Kindertage selbst auf der Straße verbracht hat. Die Gefahren dort sind groß: Ausbeutung, Missbrauch, Vergewaltigung, Drogensucht. 

Vorarlberger Coaching

116 Mädchen und Buben werden derzeit in der Schule der Schwestern tagsüber betreut, neben Essen und Schulbildung haben sie auch die Möglichkeit, ihre Freizeit miteinander zu gestalten - zum Beispiel im Amani-School-Acrobatics-Team oder in der Tanzgruppe. Diese beiden Teams wurden von den Expert/innen aus Vorarlberg eine Woche lang gecoacht. „Körperlich waren die Kinder und Jugendlichen in guter Verfassung“, erzählt Nicole Tschabrun. „Die Hebefiguren waren allerdings ein bisschen kriminell.“ So wurden technische Tipps gegeben und mehr auf Sicherheit geachtet. Tipps gab es auch für die Zusammenstellung der Show. „Dabei war es uns wichtig, dass sie nicht ihren Stil verlieren“, erklärt die Sportlehrerin.

Freundschaften knüpfen

Im Oktober reisten die Vorarlberger/innen dann nochmals nach Kenia. „Diesmal haben die Schüler/innen schon auf uns gewartet, sie haben sich gefreut“, erzählt Nicole Tschabrun. Sie waren keine Fremden mehr und wussten nun, was sie erwartete. So wurde die Reise ganz anders als die erste. Mit im Trainerteam war auch Rosa Schnetzer, ein Mitglied des ASTV Walgau. Die 18-Jährige fand auf Anhieb einen Draht zu den Jugendlichen, gemeinsam bereiteten sie einen Überraschungsbeitrag für den Dornbirn-Abend vor.
Neuland. Das Kennenlernen anderer Kulturen und das Knüpfen von Freundschaften stehen neben - den Auftritten - im Zentrum dieser Tage. „Darin sehe ich den Gewinn dieser Großveranstaltung“, erklärt Markus Fröhlich, Leiter von „Bruder und Schwester in Not“. „Sie ist ein Zeichen der Wertschätzung, eine Möglichkeit des kulturellen Austausches, ein Üben von Toleranz.“ Die Offenheit und Neugier der jungen Menschen ist groß. „Es ist wunderbar“, schwärmt Lucy Akoth nach dem ersten Tag in Vorarlberg. „Die Menschen respektieren dich, sie haben ein gutes Herz.“ Was die 14-jährige Kenianerin an Vorarlberg besonders mag, sind die vielen Bäume und die Sauberkeit im Land. Wie viele andere Jugendliche aus den Slums kennt sie nur Teile ihrer Stadt. Die Reise nach Österreich bringt sie zum ersten Mal in eine andere Umgebung. Sie möchte diese Woche nutzen, um zu lernen. Das Pflanzen von Bäumen zum Beispiel oder das Aufstellen von Müllbehältern - diese Ideen nimmt sie  mit in ihre Heimat.

Die Welt verändern

Was die Kinder und Jugendlichen außerdem mit in den Flieger nehmen, das sind Koffer. Bepackt wurden sie von Schüler/innen aus Rankweil, Blons, Nüziders, Ludesch und Nenzing. Kleidung, Schuhe, Schulsachen - Dinge, die in Nairobi Mangelware sind - wurden gesammelt und werden von den Schwestern vor Ort verteilt werden. Symbolisch wird bei der Welcome-Party am Samstagabend einer der Koffer an Sr. Anne übergeben. Freudig nimmt sie ihn entgegen und rollt ihn mit Schwung über die Bühne. Kurz darauf tanzen unzählige Kinder und Jugendliche den Gymaestrada-Tanz 2019. „We will change this world from black and white into a coloured one“ (Wir werden diese Welt verändern - von Schwarz-Weiß in eine bunte). Damit zeigen sie, dass das friedliche Miteinander unterschiedlichster Kulturen möglich ist. «

Weitere Bilder finden Sie unter www.kath-kirche-vorarlberg.at/bsin

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 28 vom 11. Juli 2019)