„Völlig aufgelöst platzte der Bursche in unser Gespräch und bettelte um die erneute Aufnahme ins Eingliederungsprogramm. Die Polizei hatte gerade den Freund an seiner Seite erschossen.“

zu: Stichwort Kenia

Walter Greussing

So hautnah wurde Mag. Markus Fröhlich mit der Not der Straßenkinder in den Slums von Nairobi konfrontiert, als er sich bei seinem Besuch im September bei Sr. Mary Killeen über das Hilfsprojekt von „Bruder und Schwester in Not“ im Slum Mukuru berichten ließ. Die 15-jährigen Teenager waren von den Polizisten beim Klauen erwischt worden und versuchten zu entkommen. Erbarmungslos griffen die „Gesetzeshüter“ zu ihren Waffen, um die Flüchtenden zu stoppen. Mit tödlichem Ausgang für den einen und ohne Erfolg beim anderen.

Überlebenskampf 
Um zu überleben, bleibt den Straßenkindern in den Slums der Hauptstadt Kenias oft gar keine andere als eine kriminelle Wahl. Wobei kleine Diebstähle noch die harmlosesten Vergehen sind. Wirklich schlimm wird es beim Drogenhandel und vollends menschenunwürdig, wenn sie keinen anderen Ausweg vor dem Verhungern mehr sehen, als sich zu prostituieren oder ihre Babys zu verkaufen. Gerade Aidswaisen, die auch noch für jüngere Geschwister sorgen müssen, können es sich gar nicht leisten wählerisch zu sein, wenn sich eine Möglichkeit zu einem Geldverdienst bietet, so verwerflich oder schmerzlich er auch sein mag.

Keine Infrasruktur 
Der Mukuru-Slum im Südosten der Stadt ist der am schnellsten anwachsende Slum Nairobis. Zwei Drittel der 3,1 Millionen Einwohner hausen in über 200 Elendsvierteln. Schätzungen gehen in Mukuru inzwischen von 600.000 bis 700.000 Menschen aus, im Kibera-Slum gar von mindestens 800.000. Sie (über-)leben unter unvorstellbaren Bedingungen: Bis 60.000 Menschen pro Quadratkilometer, keine Wasserver- oder Abwasserentsorgung. Falls es ausnahmsweise Strom gibt, dann sind die Leitungen dazu  lebensgefährlich.

Auf 9 Quadratmetern
Die Behausungen sind aus Wellblech, Brettern, Karton und Plastikfolien, die übliche Hüttengröße für ganze Familien beträgt gerade einmal 3 mal 3 Meter; der Boden ist bestenfalls zementiert, weil dann das zumeist mit Abwässern verschmutzte  Regenwasser besser durchrinnen kann. Es gibt keine Toiletten, und in den ganz wenigen  öffentlichen Anlagen ist Toilettenpapier unerschwinglicher Luxus. Trotzdem kassieren die - vielfach nur vorgeblichen - Besitzer des Landes, auf denen die Hütten stehen, Miete. Jugendbanden beherrschen in den Slums das Maklergeschäft. Wer nicht zahlen kann, dessen Haustür, Dach oder beides wird entfernt.

Krankheiten vorprogrammiert
Ohne Kanalisation und ohne fließendes Wasser bleibt Hygiene ein Wunsch und Krankheitserreger finden ideale Brutstätten. Zumal in der regnerischen Zeit, wenn die Slums im Morast versinken, aber sich kaum jemand Gummistiefel leisten kann. Geschweige im Krankheitsfall eine medizinische Behandlung. Eine solche ermöglicht allein das Ordensspital von Sr. Mary.

Selbst Straßen fehlen 
„Dass und wie sich in einer derart trostlosen Umgebung Kinder alleine und ohne Unterkunft durchschlagen müssen, das übersteigt unsere Vorstellungskraft“, betont der Aktionsleiter. Das Leben ist schon für Erwachsene schwierig, die versuchen, sich als Tagelöhner in den benachbarten Industriezonen und mit Gelegenheitsarbeiten sozusagen über Wasser zu halten. Die üblicherweise so genannten „Straßenkinder“ haben in den Slums nicht einmal eine Straße - es gibt keine. Wenn es brennt, kann keine Feuerwehr helfen, die würde ja Zufahrtsstraßen benötigen. „Hier gibt es für Straßenkinder keine Kindheit und Jugend mitteleuropäischen Zuschnitts, sondern hier gilt es Tag für Tag zu überleben, wie auch immer“, so Fröhlich.

Falscher Trost 
Um dem Elend wenigstens stundenweise zu entkommen, greifen viele  Bewohner aller Altersgruppen zu schwarzgebranntem Alkohol oder zu Drogen. Kinder schnüffeln ersatzweise giftige Klebstoffe. Die Kriminalität „blüht“, Gewalt gehört zum Alltag.  Das österreichsche Außenministerium warnt daher vor Slumbesuchen.  Straßenkinder schließen sich vielfach zu Banden zusammen, um sich sicherer zu fühlen. Denn auf der „Straße“ herrscht das Recht des Stärkeren. Der Schulbesuch ist für Straßenkinder sowieso kein Thema, solange der Magen knurrt und kein halbwegs sicherer Schlafplatz gefunden ist.

Powerfrauen für Kinder
Als die Irin Sr. Mary Killeen und die leider verstorbene Sr. Maria Pacis Vögel aus Schwarzenberg an ihrem neuen Einsatzort das Elend der Slumkinder kennengelernt hatten, begannen sie energisch mit Gegenmaßnahmen, Sr. Mary im Mukuru-Slum, Sr. Pacis im Slum Kawangware. Ausspeisung der Kinder und Programme zu ihrer Wiedereingliederung in die Familien standen am Beginn, Schulbesuchs- bzw. Berufsausbildungsmöglichkeiten folgten. Die Mitschwestern vom Kostbaren Blut führen das Werk von Sr. Pacis weiter, Sr. Mary hat inzwischen Projekte in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Berufsausbildung und soziale Wiedereingliederung unter ihrer Obhut.

Päpstliche Ermutigung
Als Vertreterin der Hilfsorganisatonen konnte Sr. Mary dem Papst im November 2015 im Slum Kangemi das Elend der Slumbewohner schildern. Franziskus forderte darauf nachdrücklich die Menschenrechte für die Slumbewohner ein, insbesonder für die Kinder bzw. für sie dieselben menschenwürdigen Lebensbedingungen, wie sie in Nairobi außerhalb der Slums vorhanden sind. „Ihre Spende schenkt alleinlebenden Kindern in den Slums die Erfahrung menschenwürdiger Behandlung und eine hoffnungsfrohe Zukunftsperspektive!“, knüpft Aktionsleiter Markus Fröhlich an die Papstworte an.

Stichwort Kenia

Der ostafrikanische Staat liegt am Äquator und ist fast siebenmal so groß wie Österreich. Die Bevölkerung dürfte nach der letzten Volkszählung 2009 mittlerweile auf geschätzte 48,5 Millionen Einwohner angewachsen sein. Ein Viertel davon lebt in Städten. Jünger als 15 Jahre sind 42 Prozent, älter als 65 Jahre hingegen nur 3 Prozent. Vier von fünf Männern und drei von vier Frauen können lesen und schreiben. Zugang zu Sanitäreinrichtungen hatte im Jahr 2015 nicht einmal jeder dritte Einwohner, und beinahe ­jedem vierten fehlte der Zugang zu Trinkwasser.

Mit einem Bruttonationaleinkommen je Einwohner von 1.380 US-$ im Jahr 2016 (vgl. Österreich: 45.230 US-$) rechnet die Weltbank Kenia zu den Staaten mit mittlerem Einkommen im unteren Bereich. Als größte Volkswirtschaft in Ostafrika gehört das Land zu den wirtschaftlich führenden Staaten Afrikas. In der HDI-Rangordung (Human Development-Index = Index der menschlichen Entwicklung) liegt es an der 146. Stelle von 186 ­erfassten Staaten (Ö: Rang 24).

In die Schlagzeilen kommt Kenia immer wieder wegen gewalttätiger politischer Unruhen zwischen dem gerade wiedergewählten Machthaber Präsident Uhuru Kenyatta  und der Opposition, angeführt von Raila Odinga. Die Oppositionsparteien hatten die Wahl allerdings boykottiert.

Projekte

Zur Gymnaestrada

Mag. Erwin Reis, Organisator der Weltgymnaestrada 2019 in Dornbirn und Straßenkinderpate, hat mit Sponsoren eine Gruppe von Straßenkindern aus dem Mukuru-Slum  zu diesem Sportspektakel eingeladen. „Die trainieren mit Feuereifer und freuen sich riesig darauf“, konnte BSiN-Leiter Markus Fröhlich feststellen.

Weitere Projekte

Detaillierte Angaben zu weiteren Projekten in Afrika, Lateinamerika, Indien, auf den Philippinen und in der Mongolei sind nachzulesen auf www.kath-kirche-vorarlberg.at/organisation/bruder-und-schwester-in-not/adventsammlung-2017
Dazu zählen z. B. die Arbeit von ­Bischof Erwin Kräutler und Projekte von P. Hubert Kilga in Brasilien, die neue Geburtenstation in Malambo/Malawi, Selbsthilfeprojekte für Frauen in Indien, Berufsausbildungsprojekte in Nigeria, u.a.m.

BSIN_LogoVom verletzten Herz

... ließen sich 2016 viele Vorarlberger/innen anrühren.
Sie spendeten für die Brüder und Schwestern in Not 280.924 Euro.
Vergelt’s Gott!

Spenden GütesiegelBeruhigt spenden

Das österreichische Spendengütesiegel garantiert, dass die Spenden sachgerecht eingesetzt werden. Spenden können beim Finanzamt geltend gemacht werden (SO 1434).

Spendenkonto für „Bruder und Schwester in Not“:
Sparkasse Feldkirch, BIC: SPFKAT2BXXX,
IBAN: AT23 2060 4000 0003 5600

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(aus dem KirchenBlatt Nr. 50 vom 14. Dezember 2017)