Für obdachlose alleinstehende Kinder in den riesigen Elendsvierteln von Kenias Hauptstadt Nairobi ist das Leben ein Dauerstress. Es gilt jeden Tag neu zu überleben. „Bruder und Schwester in Not“ schafft vielfach Abhilfe.

Walter Greußing

Begonnen hat der Einsatz von „Bruder und Schwester in Not“ für die Straßenkinder in den Slums von Nairobi, als Sr. Maria Pacis Vögel aus Schwarzenberg im Jahr 1987 in die Hauptstadt des ostafrikanischen Staates Kenia versetzt wurde. Wobei „Hauptstadt“ falsche Vorstellungen weckt, denn ihr Arbeitsplatz lag nicht in einem Stadtviertel europäischen Zuschnitts, sondern in einem in jeder Hinsicht unvorstellbaren Elendsviertel. Unvorstellbar von der flächenmäßigen Ausdehnung des „Viertels“, von der dort lebenden Menschenmasse und vom Ausmaß ihres Elends. „Doch davon ließ sich eine Sr. Pacis nicht abschrecken“, erzählt Markus Fröhlich, der Leiter der Adventaktion.

Mehr als ein „Viertel“
In Nairobi gibt es fünf riesige Elendsviertel, darunter der Slum Kibera, das größte Elendsviertel Schwarzafrikas, wo fast eine Million Menschen auf engstem Raum lebt. Insgesamt leben ca. ein Drittel der sechs Millionen Einwohner Nairobis in Slums. Die Stadtverwaltung spricht - die Tatsachen verschleiernd - von „informellen Siedlungen“. In Wirklichkeit bedeutet das für die Menschen, dass sie ohne Wasserversorgung, ohne Kanalisation, zumeist auch ohne Strom, ohne medizinische Versorgung, ohne Arbeitsplätze und ohne staatliche Ordnung sich zurechtfinden müssen. Gleichzeitig sind Gewalt und Kriminalität Alltag, Mord ist die häufigste Todesursache gefolgt von Aids.

Arm bis bettelarm 
Der Mukuru-Slum liegt südlich des Stadtzentrums und ist das am schnellsten wachsende Elendsviertel. Geschätzte 600.000 Menschen leben hier auf engstem Raum zusammen. Wer als Tagelöhner außerhalb des Slums eine Beschäftigung findet, kann davon  trotzdem keine Familie ernähren. Sonst bleiben nur noch Gelegenheitsarbeiten. Die überwiegende Mehrheit lebt deshalb unter der Armutsgrenze.

Zwangslage für die Kinder
Die Armut in den Familien und das fehlende Schulgeld treiben viele Kinder und Jugendliche zum Betteln auf die „Straßen“, die jedoch nur unbefestigte Baulücken zwischen den Baracken aus Wellblech, Kisten, Karton und Plastikfolien sind. Was zunächst noch als Abenteuer anmuten mag, endet in der Regel nur zu schnell in einem Teufelskreis aus Schulabbrüchen, Bandenbildung, Drogen und  kriminellen Aktivitäten. Zurück in die Familie ist kein Ausweg, da wartet auch nur der Hunger. Am Schlimmsten sind die Aidswaisen dran. Allein auf sich gestellt sind sie völlig schutzlos und als Kinder zudem wehrlos der Willkür der „Großen“ ausgesetzt. Wehe, du bist ein Mädchen.

Wildfänge wieder sozial eingliedern
Einmal auf der Straße gelandet,  müssen sich die Kinder und Jugendlichen ganz schnell den dort herrschenden rauen Sitten anpassen, um  zu überleben. Viele erhoffen sich Schutz von Banden, denen sie sich anschließen, auch wenn das alles andere als Pfadfinder sind. Wer hier aussteigen will und sich unter die Obhut der Schwestern begibt, muss buchstäblich neu zivilisiert werden. Sich an Spielregeln in der neuen Gemeinschaft halten und miteinander rücksichtsvoll umgehen, das will erst (wieder) gelernt und eingeübt werden. „Das wissen die Schwestern und Mitarbeiter/innen im Mkuru Promotion Center natürlich und beweisen täglich ihre Engelsgeduld“, konnte Fröhlich bei Besuchen feststellen. Das einjährige Wiedereingliederungsprogramm ist die erste Stufe der Befreiung aus dem Elend für die Kinder.

Bildung als Sprungbrett
Der Sprung in die bessere Zukunft wird erst durch eine erfolgreiche Schullaufbahn und eine Berufsausbildung ermöglicht. Das war den Gründer/innen des Zentrums im Jahr 1985 von Anfang an klar. Der erste Unterricht erfolgte noch im Freien bzw. unter Wellblechdächern. Nach und nach wurden Schulen und Werkstätten für eine Berufsausbildung gebaut.

Armut macht krank 
Es ist eine traurige Binsenwahrheit: Armut geht Hand in Hand mit Hunger und Mangelernährung. Das schwächt die Widerstandskraft gegen die in den Elendsvierteln allgegenwärtigen Krankheitserreger. Daher ist Gesundheit der vierte Schlüsselbereich des Zentrums. Die Slumbewohner wissen es hoch zu schätzen, dass ihnen dadurch der Zugang zu qualitativ hochwertigen und leistbaren Gesundheitsdiensten eröffnet wurde. Mit ihrem Einsatz verwirklichen die Ordensschwestern ein Stück weit den Appell von Papst Franziskus, der für die Menschen in den Slums dieselbe Lebensqualität wie für die Stadtbewohner außerhalb der Elendszonen gefordert hatte. Franziskus hatte es sich 2015 bei seinem Besuch in der Hauptstadt Nairobi nicht nehmen lassen, auch ein Elendsviertel kennen zu lernen. Sr. Mary Killian durfte dem Papst die Lebens- oder vielmehr Leidensbedingungen der Menschen erläutern.

Vor allem Aidswaisen
Einen ganz anderen Ansatz verfolgen die Weißen Schwestern von Afrika in Lilongwe. Dort sind es vor allem Aidswaisen, die sich auf den Straßen der Hauptstadt Malawis ein besseres Leben erhoffen, als sie es bei ihren Verwandten auf dem Land vorgefunden haben. Weil die ihrerseits kaum ihre eigenen Kinder satt bekommen, sind die Waisenkinder nicht wirklich willkommen. „Nur zu oft werden sie weggeschickt oder gehen von selber, so brutal das klingt“, berichtet Fröhlich. „Wenn sie die Schwestern auf der Straße aufgreifen, bekommen sie zunächst ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen. Danach wird versucht  ihre Herkunft zu klären und mit den Verwandten oder Dorfältesten eine gangbare Lösung zu finden. „Darin sind die Schwestern sehr geschickt“, freut sich Fröhlich und bittet weiter um irdische Unterstützung für alle Ordens-Engel zugunsten der Straßenkinder.

BSiN-Schützlinge  zur Gymnaestrada 

Vom 7. bis 13. Juli 2019 ist Dornbirn wieder Schauplatz der Weltgymnaestrada, organisiert vom Straßenkinderpaten Mag. Erwin Reis und seinem Team. An diesem größten Breitensportfestival werden dank großzügiger Sponsoren auch Vertreter/innen aus zwei Projekten von „Bruder und Schwester in Not“  teilnehmen. Einmal ist eine Gruppe von Kinder und Jugendlichen aus dem Mukuru-Slum in Nairobi mit dabei, zum anderen 15 Schülerinnen der Sekundarschule für Mädchen in Nkhamenya in Malawi. „Alle trainieren  mit Feuereifer“, wurde Markus Fröhlich von einer Gruppe von Sportlehrer/inne/n aus Vorarlberg berichtet. Diese hatten ihre Herbstferien genutzt, die Sportler/innen auf das turnerische Großereignis vorzubereiten. Bezeichnend für die Gymnaestrada ist zwar der fehlende Wettbewerb und Leistungsdruck, aber eine Blöße will sich doch niemand geben.

Besuch aus Vorarlberg hatten die Schülerinnen in Nkhamenya heuer bereits von drei Absolventinnen der HLW Rankweil, die die Gymnaestrada als besondere Art der Globalisierung zum Thema ihrer Diplomarbeit gemacht haben. Außerdem hatten sie mit den Afrikanerinnen einen sogenannten Flashmob einstudiert, der dann bei der Gymnaestrada getanzt wird. Nicht zuletzt konnten die Maturantinnen das stolze Ergebnis des Stundenlaufes der HLW Rankweil zusammen mit der Mittelschule Nenzing von EUR 8.413,00 übergeben. Die Freude über den Scheck war entsprechend groß und gegenseitig. Denn die HLW-Schülerinnen konnten sehen, welche Verbesserungen für den alltäglichen Schulbetrieb sich damit finanzieren lassen.

Mit heimischen Christbäumen helfen

„Die Kerzen an Ihrem Christbaum leuchten bis nach Malawi in Afrika, wenn Sie den Tannenbaum  bei einem Vorarlberger Produzenten gekauft haben“, macht Markus Fröhlich aufmerksam. Denn ein Teil des Erlöses fließt in den Kauf von tausenden Setzlingen von Mango, Papaya, Orangen und Cashew-Nüssen in Malambo. Die bisher gepflanzten Setzlinge gedeihen prächtig. Nicht zuletzt dank eines von BSiN finanzierten Brunnens zur Bewässerung. Sobald die Bäume Früchte tragen, sichern sie den Familien eine Lebensgrundlage. Außerdem verringern sie die Bodenerosion. „Wir hoffen, heuer weitere 2.500 Setzlinge kaufen zu können, das Stück um 40 bis 50 Cent. Für die Bauern enorm viel Geld angesichts eines Monatseinkommens unter 30 Euro“, erläutert Fröhlich.

Das verletzte Herz
... der Brüder und Schwestern in Not rührte auch 2017 wieder viele Vorarlberger/innen an. Als Beitrag zur Heilung spendeten sie € 256.862,18. Vergelt‘s Gott!

Spenden kommen an
Das Spendengütesiegel garantiert den sachgerechten Einsatz Ihrer Spende. Diese können beim Finanzamt geltend gemacht werden (SO 1434) bei Angabe von Geburtsdatum, Namen und Anschrift laut Meldezettel.

Spendenkonto für „Bruder und Schwester in Not“: Sparkasse Feldkirch, BIC: SPFKAT2BXXX, IBAN: AT23 2060 4000 0003 5600 

(aus dem KirchenBlatt Nr. 50 vom 13. Dezember 2018)