Gedanken zum Weihnachtsfest von Bischof Benno Elbs.

Weihnachten 1943. Dietrich Bonhoeffer sitzt, von den Nazis verhaftet, im Gefängnis. In einem Brief aus jenen Tagen erzählt er von einem alten Mann, der in guter Absicht ins Gefängnis kam, um für die Gefangenen Weihnachtslieder zu spielen. Der Effekt: Die Häftlinge haben Krach gemacht, geschrien und gepfiffen, um die Lieder nicht zu hören und die mit ihnen verbundenen Erinnerungen zu unterdrücken.  

Menschen machen Lärm und halten sich die Ohren zu, um die Melodie von Weihnachten nicht hören zu müssen. Trifft das auch auf unsere Zeit zu? Verstopfen wir unsere Ohren nicht allzu oft mit Arbeit oder vorweihnachtlichem Erledigungsstress – und können so die Melodie der Menschwerdung Gottes nicht hören? Viele Menschen kostet Weihnachten am Ende des Jahres große Kraft – Kraft, die sie oft nicht mehr haben. Und so bleibt die Frage: Was für ein Fest ist Weihnachten (geworden)? Austauschbar, inhaltsleer, dem Perfektionszwang unterworfen?

Die Antwort lautet: Es kommt darauf an. Darauf, ob wir meinen, dass das „perfekte“ Fest wirklich sein muss. Darauf, ob wir es zulassen, dass die Hektik der Stille jener Nacht weichen kann. Und nicht zuletzt kommt es darauf an, ob wir uns im Herzen ansprechen lassen vom Kind in der Krippe, in dem Gott sehbar, hörbar und fassbar wird.

Auch heuer habe ich wieder gemerkt, dass an Weihnachten die Sehnsucht groß ist: nach Einkehr und Stille, Andacht und Geborgenheit, Nähe und Hinwendung zu den Einsamen und Armen. Die Geschichte von Mutter und Kind, die in Nacht und Armut spielt, spricht unser Herz an. Der Blick auf das Kind in der Krippe macht uns zu Expertinnen und Experten der Menschlichkeit. Denn an der Krippe lernen wir, im schutzlosen Kind das Schicksal vieler Menschen wiederzuerkennen. Gott steht auf der Seite der Menschen. Das feiern wir heute. Was für ein Fest!

Ihnen und Ihren Familien wünsche ich ein gesegnetes Weihnachtsfest.