Die Weihnachtsansprache von Bischof Benno am 24. Dezember 2013 um 18 Uhr in Radio Vorarlberg


Liebe Vorarlbergerinnen und Vorarlberger!

Der Heilige Abend bricht an. Ganz verschieden kann man Weihnachten erleben. 
In kindlich-ungeduldiger Erwartung und Freude, oder auch mit Beklemmung und Angst vor Einsamkeit. Es kann eine wohltuende Stimmung von innigem Gemeinschaftsgefühl herrschen oder es können frostige Spannungen in der Luft liegen.
Was aber gehört für Sie zu Weihnachten? Was macht Weihnachten aus? 
Die Weihnachtsbeleuchtung, der Duft von Bäckereien, von Zimt und Nelken, leuchtende Kinderaugen? Der geschmückte Christbaum, mit Lichtern und funkelnden Christbaumkugeln?

Überhaupt - was haben die Christbaumkugeln mit Weihnachten zu tun? 
Letzthin bin ich auf die Entstehungsgeschichte der Christbaumkugel gestoßen. 
Der Brauch geht angeblich zurück auf die Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals schmückten die Menschen den Christbaum vor allem mit Äpfeln und Nüssen, die man vielleicht sogar mit goldener Farbe bemalt hat. In der kargen Winterszeit hatte der Apfel früher eine besondere Bedeutung. Mitten im Winter verheißt er den Sommer, das Leben. Die Älteren unter uns erinnern sich wohl noch, Äpfel durften früher im Sack des Nikolaus als Geschenke für die Kinder nicht fehlen.

Die Geschichte der ersten Christbaumkugel berichtet also, dass es ein armer Glasbläser im Norden von Frankreich war, der in der Zeit um 1850 die Idee mit der Christbaumkugel hatte. Es war eine Zeit großer Not. Nach einer Dürre und Missernte gab es zu wenig Äpfel, mit denen er den Christbaum für seine Familie hätte schücken können. Aus dieser Not heraus fertigte er Kugeln aus Glas als weihnachtlichen Baumschmuck. Die ersten Christbaumkugeln.

Drei Dinge kann uns diese Geschichte der Christbaumkugel sagen, die den Kern des Weihnachtsfestes erkennen lassen.

Aus der Armut heraus

Die Christbaumkugel erinnert daran, dass uns gerade auch aus der Armut, aus der Not heraus das Glück, das Befreiende wachsen kann. Jesus ist vor 2000 Jahren in Betlehem nicht in einer kuschelig-warmen Idylle in diese unsere Welt gekommen. Nein, klein, arm, heimatlos, schutzlos kommt Gott in diese Welt. So ist es auch heute noch. Betlehem liegt auch in den Händen eines italienischen Fischers, der vor Lampedusa Flüchtlinge aus Afrika in sein Fischerboot aufnimmt. Bethlehem ist, wo Menschen auf den Philippinen nach dem zerstörerischen Taifun wieder Brücken der Hoffnung bauen. Bethlehem ist dort, wo wir wieder Zuversicht finden, wenn wir einen lieben Menschen verloren haben. Wenn wir einander an Weihnachten beschenken, wenn wir in der Zeit des Advents offener als sonst sind für Menschen, die benachteiligt sind, wenn wir uns von der Armut ansprechen lassen, so hat das auch damit zu tun: in der Armut kann uns Gott entgegen kommen.

Achtsamkeit

Die Christbaumkugeln sind oft sehr kunstvoll verziert, sie funkeln und glitzern oder strahlen leicht und schlicht aus klarem Glas. Sie sind zerbrechlich. Ganz sorgsam nehmen wir sie in die Hand, wenn wir damit den Baum schmücken und wenn wenn wir sie nach der Weihnachtszeit wieder wegräumen. Ohne Achtsamkeit zerbrechen sie.
Viele Menschen legen heute großen Wert auf Sicherheit. Gegen alle denkbaren Risiken und Verluste werden Versicherungen abgeschlossen. Und doch bleibt das Leben immer gefährdet und zerbrechlich. Träume und Hoffnungen zerbrechen. Beziehungen gehen in die Brüche.
Gott finden wir besonders dort, wo das Schwache und Gefährdete uns begegnet. 
Auch Papst Franziskus ruft uns dazu auf, an die Ränder zu gehen, zu den Ausgegrenzten und Schwachen: Obdachlose, Drogenabhängige, Flüchtlinge,  Vereinsamte.

Freude


Die Christbaumkugel, rund und vollkommen, ist ein Symbol der Freude. Selbst Splitter funkeln noch, wenn das Licht sie berührt, sollte die Kugel doch zerbrechen. Aber es ist nicht die Größe der Geschenke, welche die Freude von Weihnachten ausmacht. Die folgende Geschichte von Michael lässt uns das erahnen:
Der kleine Michael besucht am Heiligen Abend seinen Opa und er darf ihm beim Aufstellen der Weihnachtskrippe helfen. Plötzlich bemerkt er, wie die Gestalten lebendig werden. Die Hirten, Könige, Maria und Josef sind plötzlich nicht mehr klein und er nicht mehr groß. Er kann unter ihnen umhergehen ohne aufzufallen. Und so geht er in den Stall hinein. Er schaut das Kind in der Krippe an und das Kind schaut ihn an. Plötzlich erschrickt Michael und Tränen treten ihm in die Augen. “Warum weinst du denn?” – “Weil ich dir nichts mitgebracht habe und ich hätte dir so gerne etwas geschenkt.” – “Ich möchte auch gerne etwas von dir haben”, sagt das Jesuskind. “Schenk mir deine letzten Aufsatz!” sagt es leise. Da erschickt Michael. “Jesus”, stottert er verlegen und kommt ganz nahe an die Krippe heran und flüstert, “der Aufsatz ist aber voller Fehler. Da hat der Lehrer “nicht genügend” darunter geschrieben.” – “Eben deshalb will ich ihn haben. – “Aber warum denn?” fragt er. – “Du sollst mir immer das bringen, wo “nicht genügend” darunter steht. Versprichst du mir das? – “Ja”, antwortet Michael.
“Und noch ein zweites Geschenk wünsche ich mir von dir”, sagt das Jesuskind. Hilflos schaut der kleine Junge. - “Deinen Milchbecher!” – “Aber den habe ich doch heute zerbrochen! Absichtlich. Und der Mama habe ich gesagt, er sei mir hinuntergefallen....” schluchzt er.  – “Du sollst mir immer das bringen, was dir im Leben zerbrochen ist. Ich will es wieder heil machen. Hilfst du mir dabei?” Lange schaut der Junge das Jesuskind an und tief im Herzen spürt er eine große Freude.

So erzählt uns die Christbaumkugel in drei kurzen Gedanken also, was wir heute Abend feiern.

  • Der Hl. Abend ist ein Abend der Zuversicht, weil Gott auch in Not, Angst und Trauer sagt: Ich bin da.
  • Der Hl. Abend ist ein Abend der Liebe, weil Gott auch das Zerbrechliche, die Wunde in meinem Leben berührt.
  • Der Hl. Abend ist ein Abend der Freude. Das Licht in der Krippe wird weitergegeben: millionenfach.


Liebe Vorarlbergerinnen und Vorarlberger!
Gott segne diesen Heiligen Abend.

Bischof Benno