Krisen sind Momente der Entscheidung. In welche Richtung gehen wir? Und wo finden wir Orientierung? Eine biblische Richtschnur kann dabei den Weg weisen. Gedanken zum Sonntag von Bischof Benno Elbs
Der amerikanische Präsident John F. Kennedy hat bei seiner Antrittsrede im Jahr 1961 einen bemerkenswerten Satz gesagt: „Die Welt hat sich radikal verändert. Die Menschheit hält in ihren sterblichen Händen die Fähigkeit, alle Formen menschlicher Armut und alle Formen menschlichen Lebens zu beseitigen.“ In ein und demselben Atemzug nennt er hier zwei Zukunftswege der Menschheit, die in ihren Folgen unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite haben wir durch Innovation und Technik die Möglichkeit, Großes zu leisten. Wir können Armut bekämpfen, Krankheiten heilen, Menschen in ihren Sorgen und Nöten unterstützen. Dieser Weg führt in die Zukunft. Auf der anderen Seite wissen wir aber auch, dass es in der Macht des Menschen steht, alles Leben auf diesem Planeten mit einem Schlag zu vernichten. Beides liegt in unserer Hand: alle Formen der Armut oder alle Formen des Lebens aus der Welt zu schaffen.
Die Klimakrise, der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen auf die ganze Welt haben uns an einen Scheideweg geführt. Deshalb stehen wir als Menschheitsfamilie heute neu vor der Frage: Wofür entscheiden wir uns? In welche Richtung gehen wir?
Wir haben die Wahl
Eine solche drastische Entscheidungssituation ist auch an einer Stelle im Alten Testament angesprochen. Im Buch Deuteronomium heißt es: „Siehe, hiermit lege ich dir heute das Leben und das Glück, den Tod und das Unglück vor: Wähle also das Leben, damit du lebst, du und deine Nachkommen.“ Gott legt dem Volk Israel also zwei Möglichkeiten vor: Leben oder Tod, Zukunft oder Zukunftslosigkeit. Die Entscheidung darüber trifft Gott allerdings nicht selbst, er überlässt sie vielmehr der Freiheit des Menschen. Wir haben die Wahl, uns für das eine oder andere zu entscheiden. Das gilt im großen Rahmen für Politikerinnen und Politiker, in deren Händen das Schicksal des Weltgeschehens liegt. Das gilt aber auch für jede und jeden Einzelnen. Jeden Tag haben wir unzählige Male die Wahl zu lieben oder zu hassen, unseren Mitmenschen wertschätzend zu begegnen oder sie zu kränken, sie zu ermutigen durch ein gutes Wort und einen liebenden Blick oder sie auszugrenzen. So facettenreich das Leben ist, so vielfältig kann es auch durch unseren Einsatz gefördert werden: durch Umweltschutz, in der Begleitung Sterbender, bei Festen und Familienfeiern, durch ehrenamtliches soziales Engagement, durch Inklusion und Integration, in der Sorge um Kranke und Einsame und vieles, vieles mehr. Das alles sind Entscheidungen für das Leben, jeden Tag neu.
Dem Leben trauen – trotz allem
Gerechtigkeit und Friede entstehen nicht von selbst. Es braucht immer eine bewusste, überzeugte Entscheidung und, was ebenso wichtig ist, das Engagement vieler Einzelner. „Wähle das Leben“ – dieser biblische Satz ruft auch Widerstandskräfte wach. Wir sind es – du und ich –, die dem Leben mehr trauen sollen als den Mächten des Hasses, der Vernichtung und des Todes. Ich vertraue fest darauf, dass das Leben immer eine größere Anziehungskraft hat als alles, was es verneint und niederhält. Umso mehr sollte bei allem, was es zu entscheiden gibt, und bei den vielen Möglichkeiten, die sich anbieten, das biblische Prinzip gelten: Wähle das Leben – für dich und deine Nachkommen!
Bischof Benno Elbs