Priestervormittag mit Christian Hennecke

Das „katholische Aquarium“ ist Geschichte. Die geschlossene Welt, die es zu Beginn der 1960-er Jahre noch gab, in der mehr oder weniger alle zur Kirche gehörten, ist in Auflösung begriffen. Praktizierende Katholiken sind zur Minderheit geworden.

Für einen nüchtern-ungeschönten Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit sprach sich Dr. Christian Hennecke, Pastoralamtsleiter der Diözese Hildesheim und Buchautor, beim Priestervormittag am 27. April im Pfarrheim Altenstadt aus. Gleichzeitig warnte er davor, in die „Jordan-Falle“ zu tappen, die meint, dass früher, an den „Fleischtöpfen Ägyptens“ alles besser war. Stattdessen ermutigte er die rund 90 anwesenden Priester, das „Wunder des christlichen Aufbruchs“ wahrzunehmen.

„Denkt nicht mehr an das, was früher war“
Es sei müßig, gegen eine vermeintlich „gottfreie“ Wirklichkeit anzukämpfen, plädiert Hennecke für einen Perspektivenwechsel, der all das in den Blick nimmt, was der Geist Gottes heute wirkt: Gott ist immer im Werk, allerdings sind die Gestalten von Kirche immer im Wandel. Er empfiehlt die Sichtweise des Propheten Jesaja: „Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten. Seht her, nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht? Ja, ich lege einen Weg an durch die Steppe und Straßen durch die Wüste“ (Jes 43,18). Dieser Blick in die Bibel kann entlasten: das Volk war immer in der Krise, gerade so ist Gott ist immer mit ihm unterwegs. Hennecke: „Nicht wir sind die Hauptakteure der Pastoral, Gott ist schon am Werk.“

Ermutigen und begleiten
Es gelte, einen neuen Blick zu gewinnen: Nicht die Vergangenheit ist Norm für die Zukunft, es geht um das Jetzt, in dem Gottes Handeln an unserer Welt sichtbar wird. Anhand von Beispielen aus Afrika, Indien, England und Frankreich zeigte er die Entwicklungsrichtung von einer Versorgungskirche hin zu einer Kirche der Beteiligung auf: Aus dem Selbstbewusstsein der Taufe heraus nehmen Christen die Verantwortung selbst in die Hand. Aufgabe der Priester sei es, zu ermutigen und zu begleiten. Vielfalt ist angesagt. Weil die Menschen unterschiedlich sind, braucht es unterschiedliche Formen und Gemeinden.

Ein entschiedenes Ja zum Heute
Beim Austausch in Tischgesprächen wurden die positive Sichtweise, der Blick nach vorne und das entschiedene Ja zum Heute, als inspirierend und ermutigend genannt. Wenn Wandlung das Zentrale in der Kirche ist, dann kann nicht alles so bleiben wie es war. Das Wunder des Aufbruchs geschieht an vielen Orten: Menschen glauben bewusst, engagieren sich für das Gute, oft nicht in gewohnten klassischen Settings. Es gelte, Entwicklungen zu fördern und auch Dinge sterben lassen.