Gedanken zum Sonntag, 1. Juli 2018, von Bischof Benno Elbs

Sommerzeit – Urlaubszeit. Stehen Sie schon in den Startlöchern in die Ferien? Oder ist es genau umgekehrt. Denn wir alle wissen: Ein bevorstehender Urlaub kann manchmal auch zusätzlich Druck erzeugen. Hier ist noch ein Meeting anzusetzen, dort muss noch ein Projekt abgeschlossen oder einem Produkt der letzte Schliff verliehen werden. Und wenn Sie dann wirklich in den Urlaubsmodus kommen, suchen Sie dann das Weite, zieht es Sie in die unbekannte Ferne? Oder verbringen Sie Ihren Urlaub lieber in der vertrauen Umgebung: im eigenen Garten, am Bodensee, in den Bergen…?

Was machen mit der „leeren Zeit“?

Urlaub ist, im Unterschied zum dichten Arbeitsalltag, keine bis zum Anschlag angefüllte, sondern eine leere Zeit. Im Englischen Wort für Urlaub hört man das noch durch: vacation hat mit Vakuum zu tun. Der Urlaub schafft einen Freiraum, der nicht von anderen befüllt wird, sondern über den ich selber bestimmen kann. Urlaub will aber auch gestaltet sein. Deshalb stellt sich die Frage: Was tut mir im Moment gut? Ist es eine Städtereise, in der ich viel erlebe? Ist es ein Urlaub mit Freunden? Ist es Zeit für die Familie? Oder stehen einfach Entspannen und Nichtstun auf der Tagesordnung, um die gar nicht so unerträgliche Leichtigkeit des Seins wieder einmal spüren zu können?

Zeit des Heilens

Im heutigen Sonntagsevangelium hören wir eine von vielen Heilungsgeschichten. Heil und Heilung für den Menschen – das ist der rote Faden der ganzen Bibel. Gott will, dass der Mensch aus Bedrückung und Unheil gerettet wird und „Leben in Fülle“ spüren kann. Ich denke, dass auch der Urlaub so eine Zeit der Heilung sein kann. Heilen bedeutet, etwas wird wieder ganz. Im Urlaub sollen Dinge in den Vordergrund rücken, die sonst das Jahr über zu kurz kommen: Erholung statt Stress, Frei-Zeit statt Zeitdruck, Langsamkeit statt Beschleunigung. Der Urlaub ist die Zeit, in der Fehlendes ergänzt wird, sodass das Leben wieder ganz sein kann.

Für einen guten Ausgleich sorgen

Ich merke es in Gesprächen immer wieder: Für viele Menschen ist der Beruf die wichtigste, oft sogar die einzige Säule der Identität. Aber auf einem Bein steht man gewöhnlich nicht gut. Und die Gefahr, dass man durch den kleinsten Windstoß umgeworfen wird, ist umso größer. Unbestritten ist: Der Beruf nimmt einen wichtigen Teil unseres Lebens (auch unserer Lebenszeit!) ein. Darum soll er Freude machen und man soll auch ein Stück weit im Job „aufgehen“. Aufgehen kann aber mehrere Bedeutungen haben. Man kann im Job aufgehen wie eine Blume, große Potentiale entfalten und darin Erfüllung finden. Aufgehen kann aber auch heißen, aufgelöst und verschlungen zu werden.

Um dem entgegenwirken zu können, brauchen wir neben dem Berufsleben ein zweites Standbein, das unser Leben trägt und hält. Ich nenne dieses zweite Standbein die Kultur des Mensch-Seins. Urlaub ist eine reservierte Zeit dafür: Zeit, um Mensch zu sein. Zeit, um für und mit anderen einfach da zu sein. Zeit für das Mehr, für das Größere, Zeit für Gott.
Für den bevorstehenden Sommer wünsche ich Ihnen viele göttliche Momente des Aufatmens, um voll und ganz Mensch sein zu können!

Bischof Benno Elbs