Gedanken zum Sonntag von Bischof Benno Elbs

Wer im Sommer Urlaub hat, den Alltagsbetrieb auf ein Minimum herunterfährt und es sich auch noch leisten kann, das Diensthandy in die Ecke zu legen und einige Tage dort ruhen zu lassen, kommt auf einmal in den Genuss eines allzu spärlich gewordenen Gutes: der Zeit. Im Hin und Her des Alltags kann man schnell vergessen, dass man sie hat. Die freie Zeit nicht einfach zu vertreiben (eine, wie ich finde, furchtbare Redewendung), sondern sie für sich zu nutzen und mit Inhalt zu füllen, ist wahrlich eine Kunst, die nicht jede/r kann; ja für manche ist die Leere der Sommermonate nicht einfach. Wer derart in das sprichwörtliche Sommerloch fällt, auf den kann rasch ein Ausspruch Blaise Pascals zutreffen, der einmal sinngemäß gemeint hat: Das Grundproblem des Menschen ist, dass er es nicht allein mit sich selbst in einem Zimmer aushält. Denn mitten in dieser Ruhe, wenn der Kopf still wird und das Herz zu sprechen beginnt, kann es passieren, dass plötzlich und unerwartet die Schlüsselfragen des Lebens auftauchen: Wer bin ich? Was kommt nach dem Tod? Was ist der Sinn des Lebens und wie kann ich ihn erkennen? Der Sommer kann so zu einer Zeit werden, um über das Woher und Wohin des Lebens nachzudenken.  

Vertrauensfrage

Es ist ein Zufall, dass am heutigen Sonntag mitten im Sommer so eine Schlüsselfrage in den Gottesdiensten zu hören ist. Im heutigen Evangelium (Matthäus 16,13-20) stellt Jesus dem Petrus, dem Anführer seiner Apostel, folgende Frage: Für wen haltet ihr mich? Wer bin ich für euch? Schon das Evangelium selbst zeigt, dass es auf diese Frage unterschiedliche Antwortmöglichkeiten gibt: Die einen erkennen in Jesus einen großen Propheten; die anderen hingegen sehen in ihm Gottes Sohn, der als Messias die Welt in ihrer Bruchstückhaftigkeit und Unvollkommenheit vollenden wird. Die einen betonen sein Mensch-Sein und sein Vorbild in Humanität und Menschlichkeit; für andere wiederum ist er ein großer Unbekannter – sie zucken, wenn sie den Namen Jesu hören, gleichgültig mit den Schultern.  

 „Für wen haltet ihr mich?“ Jesus stellt Petrus eine Schlüsselfrage – nicht zuletzt deshalb, weil dem Schlüssel in dieser Erzählung eine zentrale Symbolik zukommt. Denn am Ende des heutigen Textabschnittes ist von jener berühmten Stelle die Rede, in der Jesus Petrus die Schlüssel des Himmelreiches übergibt. Davor jedoch stellt er ihm gleichsam die Vertrauensfrage. Erst als Petrus bekennt: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“, wird er zum Fels, auf den Jesus die Kirche baut.

Kraft des Glaubens

Viel ist in den letzten Wochen von der Systemrelevanz der Kirchen gesprochen worden. Viel wichtiger als das ist für mich jedoch, dass der Glaube an Gott für unser Leben eine Bedeutung hat. Besonders in Krisen und in den Schattenseiten des Lebens zeigt er seine Kraft. Die Kirche und das Evangelium sind, wie kürzlich der Theologe Wolfgang Huber gesagt hat, weniger systemrelevant, sondern vielmehr existenzrelevant. Denn es geht um den Glauben an einen Gott, der mir in jeder Situation meines Lebens sagt: Ich bin bei dir. Es geht um eine Hoffnung, die nach dem Tod ein Leben in Fülle offen hält; und um eine Liebe, die darauf achtet, dass niemand in unserer Gesellschaft zurückgelassen wird und alle Menschen die Möglichkeit zu einem würdevollen Leben haben. Denn mit Gott im Herzen sehen wir die Nöte und Bedürfnisse der Menschen deutlicher. Wir sehen sie mit den Augen Jesu. Das kann eine konkrete Konsequenz der Schlüsselfrage des heutigen Sonntags sein: „Wer ist Jesus für dich und welche Bedeutung hat er in deinem Leben?“

Bischof Benno Elbs