Die Augsburger Knotenmadonna zählt zu den Lieblingsbildern von Papst Franziskus. Auch deshalb erfreut sich dieses Bild seit einiger Zeit großer Beliebtheit. Gedanken von Bischof Benno Elbs über eine besondere Mariendarstellung.

Seit alter Tradition gilt der Mai als Marienmonat. Warum Maria und der Mai zueinanderfanden, hat wohl vor allem mit der erwachende Natur zu tun. Das blühende Leben, das der Mai zurückbringt, ist ein Bild für die Gottesmutter: Sie schenkt Jesus das Leben, mit dem gleichsam ein neuer Frühling der Hoffnung und der Zuversicht für die Menschen beginnt. Ich bin dankbar, dass mit den Maiandachten und dem Rosenkranzgebet in den Kirchen und Kapellen unserer Pfarren das Vertrauen auf die Fürsprache Marias auch heute weitergetragen wird.

Eine Mariendarstellung, die ich besonders schätze, ist die Knotenlöserin. Seit dem frühen 18. Jahrhundert hängt dieses Bild in der Kirche St. Peter am Perlach in Augsburg. In unseren Tagen ist es deshalb besonders bekannt geworden, weil auch Papst Franziskus diese Darstellung sehr schätzt und eine Nachbildung in den Räumlichkeiten des vatikanischen Gästehauses, in dem er wohnt, angebracht hat. Und auch in unmittelbarer Nähe zu Vorarlberg, zwischen Oberriet und Altstätten, gibt es in der Kapelle im Riet ein Bild der Knotenlöserin, zu dem das ganze Jahr über viele Menschen mit ihren Anliegen pilgern.

Knoten haben ihren Platz und ihren Sinn

Was aber macht dieses Bild so anziehend? Wie wird Maria, wie wird der Glaube dargestellt? Die Knoten, die Maria löst, stehen für die Verwicklungen und Verknotungen des Lebens. Sie sind zahlreich: der Streit in der Familie, die Ehekrise, die Sorge um den Arbeitsplatz, Kränkungen und Beschimpfungen… Wo Knoten das Leben abschnüren, verkümmert es, wird blutleer und kraftlos. Auf der anderen Seite aber verbinden Knoten, was zerrissen ist. Sie markieren die ehemalige Bruchstelle, machen die Schnur jedoch auch stärker. Dort, wo ein Knoten ist, wird ein Band so schnell nicht mehr reißen.

Es ist wichtig, die Knoten im eigenen Leben nicht auszublenden oder zu verdrängen. Die eigene Schwachheit, die Misserfolge, die Wendungen und Brüche in unseren Lebensläufen haben nicht nur Platz, sondern manchmal vielleicht auch ihren Sinn. Vor allem aber sagt uns das Bild der Knotenlöserin: In all den Lebensknoten ist Gott am Werk. In Maria steht er uns bei und hilft uns, dass uns der Knopf aufgeht und wir mit Freude und Vertrauen weitergehen können.

Zärtliche, geduldige Entwicklung

Wer schon einmal ein Wollknäuel entwirren wollte, weiß: Einen Knoten zu lösen, verleitet zu verbissener Anstrengung. Man muss nur auf den Gesichtsausdruck achten, den man dabei annimmt: die Zähne zusammengebissen, die Augen zusammengezogen, einen leisen Fluch auf den Lippen. Und dann die Ernüchterung, dass alles Zerren und Ziehen den Knoten nur noch fester macht. Da ist es entlastend zu wissen, dass jemand da ist, der das verknotete Band in die Hand nimmt. Maria hat geduldige Finger, die suchen, tasten und behutsam lockern. Ihr Gesicht ist nicht finster. Sie geht zärtlich und feinfühlig mit den Knoten um. Sie schlägt sie nicht mit dem Schwert durch, wie es etwa Alexander der Große mit dem berühmten Gordischen Knoten getan hat. Maria löst die Knoten vielmehr, indem sie sie geduldig, mit Konzentration und mit Gefühl entwickelt. Das Bild Maria Knotenlöserin sagt uns damit etwas ganz Wesentliches: Gott kümmert sich mit Geduld, Sorgfalt und Zärtlichkeit um unsere Lebensknoten und macht so eine gute Weiterentwicklung möglich.  

Mir gefällt das Bild der Knotenlöserin. Denn es zeigt, dass sich die Knoten und Probleme des Lebens lösen lassen: durch Gespräch und gegenseitiges Wohlwollen, mit Ehrlichkeit, Zuversicht und Gottvertrauen. Und nicht zuletzt angesichts der wirren, verwickelten Lage unserer Welt ist das Bild der Knotenlöserin auch in erstaunlicher Weise lebensnah.

Bischof Benno Elbs