Gedanken zum 3. Adventsonntag von Bischof Benno Elbs

„Der Advent ist eine Zeit der Erschütterung“, schreibt der Jesuit Alfred Delp im Dezember 1944. Wer könnte es besser wissen als er? Als er diese Zeilen zu Papier bringt, sitzt er, von den Nazis verhaftet, im Gefängnis. Wenige Wochen später, am 2. Februar 1945, wird er hingerichtet. Von der Erschütterung über seine Verhaftung und vom Schicksal, das ihm droht, aber auch von einem unglaublich tiefen Gottvertrauen geben seine Aufzeichnungen aus der Haft Auskunft: Dokumente, die einen sprachlos zurücklassen.

Der Advent als eine Zeit der Erschütterung: Empfinden wir es nicht auch heute so? Was P. Alfred Delp mit Blick auf seine Zeit schreibt, gilt auch heute und wohl zu jeder Zeit: „So viel Mut bedarf der Stärkung, so viel Verzweiflung der Tröstung, so viel Einsamkeit schreit nach dem befreienden Wort.“

Gedämpfte Freude

Dass wir morgen den Sonntag Gaudete (dt. „Freut euch“) feiern, an dem ein Vorgeschmack auf die Freude des Weihnachtsfestes spürbar werden soll, mag da so gar nicht ins Bild passen. „Juble, Tochter Zion! Jauchze, Israel! Freu dich und frohlocke von ganzem Herzen!“ Wer kann in diesen Jubelchor des Propheten Zefanja schon einstimmen? Freude lässt sich nicht verordnen. Und es gibt viele Menschen, die derzeit nichts zu lachen haben. Freude aber ist mehr als Spaß, mehr als ein gekünstelter Grinser, mehr als ein lautes Lachen nach einem guten Witz. Es gibt so etwas wie eine tief verwurzelte Freude, die zur Lebenshaltung werden kann. Sie äußert sich in Zuversicht, einer positiven Lebenseinstellung, ganz besonders aber in dem Antrieb, anderen etwas Gutes zu tun.

Adventgestalten

Wir brauchen Menschen, die Freude und Hoffnung hineinsprechen in die Not der Zeit. Die großen Adventgestalten, die uns in der Bibel begegnen, können hier Vorbilder sein. Ein Johannes der Täufer, der andere groß werden lässt und eine gute Zukunft ankündigt. Der Engel Gabriel, der Maria eine gute Nachricht bringt. Oder auch Maria selbst, die sich für Gott zur Verfügung stellt und damit Brücken schlägt zwischen Gott und Mensch, zwischen Mensch und Mensch. Solche Hoffnungskeime sind wie Samenkörner, die irgendwann aufgehen, und sei es unbemerkt mitten in der Nacht.

Adventgestalten brauchen wir auch heute: Menschen, die Halt schenken in haltlosen Zeiten. Damit ihre Worte und ihr Einsatz auch bei uns auf fruchtbaren Boden fallen können, dürfen wir nicht müde werden, unser Herz offen zu halten: für Stille inmitten eines dauerbeschallten Alltags; für Freundschaft, die das Zusammengehören und Zusammenhalten großschreibt; für Liebe, die jenseits von Kitsch und Gefühlsduselei Gräben überwindet und Einheit schafft. Nur so können wir zu einer neuen Gesprächskultur finden, die getragen ist von Respekt und Achtung vor einer anderen Meinung.  

Geben wir Stille, Freundschaft und Liebe mehr Raum, kann sich der Advent von einer Zeit der Erschütterung hin zu einer gnadenvollen Zeit für uns alle wandeln. Denn: „Der Advent ist bei allem Ernst auch eine geborgene Zeit.“ Auch dieser Satz stammt von P. Alfred Delp. Und er passt gut zu einem Gedanken, der vor kurzem in einem Gespräch mit Priestern gefallen ist: „Hoffnung schenken können wir immer.“ Ein gutes Programm – nicht nur für den diesjährigen Advent.

Bischof Benno Elbs