In seinem Hirtenwort zur Fastenzeit 2021 spricht Bischof Benno Elbs über die Herausforderungen nach der Pandemie. Dabei geht er auf einen Aspekt der Fastenzeit ein, der weitgehend in Vergessenheit geraten ist.

Liebe Schwestern und Brüder!

Wieder beginnt die österliche Bußzeit in der Wüste. Jesus verbringt dort 40 Tage in karger Umgebung und ist Versuchungen ausgesetzt. Die wilden Tiere und Engel erinnern an das Paradies. Anders als Adam hält Jesus den Versuchungen stand. Durch diese Wüstenerfahrung gestärkt, kann er verkünden: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe“ (Mk1,15).

Eine Zeit der Wüste und des Verzichts machen wir bereits seit über einem Jahr durch. Die Pandemie verursacht bei vielen Menschen große Sorgen, Ängste und Nöte. Da stellt sich am Beginn der Fastenzeit die Frage: Welchen Mehrwert können Verzicht und Buße haben, wo unser Leben jetzt so stark eingeschränkt ist? Unlängst hat mich eine Frau gefragt: Sind die Lockdowns nicht schon Buße genug?

Ein vergessener Aspekt

Das Zweite Vatikanische Konzil hat uns daran erinnert, dass die jährliche Fastenzeit besonders durch zwei Aspekte gekennzeichnet ist: durch Buße und Umkehr, aber auch durch Tauferinnerung (vgl. Sacrosanctum Concilium 109). Der erste Aspekt leuchtet ein. Der zweite ist im Laufe der Zeit weitgehend in Vergessenheit geraten: nämlich die Erinnerung an die eigene Taufe als Fundament des christlichen Lebens. Deshalb möchte ich Euch diesen Aspekt für die vor uns liegende Fastenzeit besonders ans Herz legen. Eine konkrete Möglichkeit der Tauferinnerung im Alltag könnte z.B. sein, die Kirche, in der Ihr getauft wurdet, aufzusuchen oder an einem Sonntag zum Frühstück die eigene Taufkerze anzuzünden.

Das Thema der Taufe klingt auch in den Lesungen des 1. Fastensonntags an. Das Buch Genesis erzählt von der Sintflut (Gen 9,8-15). Altes wird vernichtet und ermöglicht so die Erneuerung der Schöpfung. Besiegelt wird dieses neue Leben durch den Bund, den Gott mit Noah schließt. Der 1. Petrusbrief (3,18-22) greift das Bild der Sintflut auf und deutet es mit Blick auf die Taufe. Wie Noah mit der Arche durch das Wasser hindurch gerettet wird, so rettet das Wasser der Taufe den Glaubenden zum neuen Leben, das an der Liebe und Treue Gottes teilhat.

Taufe als Urquelle des Christ-Seins

Durch die Taufe gehören wir untrennbar zu Jesus Christus. Sie verbindet uns auch mit der Gemeinschaft der Kirche, in der wir als Gottes geliebte Kinder leben. Die Taufe ist darum jenes Sakrament, in dem alles Engagement in Kirche und Welt grundgelegt ist und seine Quelle hat. Das betrifft den Beruf, das Ehrenamt, die Vereine, die Familie und Freundschaften ebenso wie die Jungschargruppen, Liturgiekreise, die Hauskirche, Pfarrcaritas-Gruppen und vieles mehr. Es ist ein großartiges Engagement von Getauften für die Gemeinschaft und die Solidarität in unserer Gesellschaft. Ich möchte Euch herzlich für Euren Einsatz danken und Euch bitten, damit auch in Zukunft nicht nachzulassen.

Balsam für viele Wunden

Als Getaufte sind wir dazu berufen, den Weg Jesu zu den Menschen nachzugehen. Nach dem Ende der Pandemie werden wir merken, dass bei vielen Menschen Wunden zurückgeblieben sind: Wunden der Krankheit, der Trauer oder der Einsamkeit. „Man möchte Balsam für viele Wunden sein“, schrieb die Jüdin Etty Hillesum am Ende ihrer Tagebuchaufzeichnungen.[1] Wunden zu verbinden und traurige Herzen mit dem Balsam der Zuwendung und Liebe zu heilen, ist ein Auftrag an uns – schon jetzt und für die Zeit nach der Pandemie.

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Fastenzeit ist eine Besinnung auf die Mitte und das Wesentliche, das Glaube und Leben ausmacht. Verzicht und Buße wie auch die Erinnerung an die eigene Taufe mögen unsere Herzen bekehren und unsere Erneuerung bewirken. In der Taufe hat Gott uns seine unwiderrufliche Treue zugesagt. Darauf dürfen wir in allen Lebenslagen vertrauen. So mögen die vierzig Tage im Blick auf das Osterfest in erster Linie eine Zeit der Gnade werden. Gott segne und begleite, helfe und stärke Euch auf diesem Weg durch die österliche Bußzeit.  

+Benno Elbs
Diözesanbischof