Bischof Benno Elbs feiert am 16. Oktober seinen 60. Geburtstag. Bischof wurde er 2013, als Franziskus Papst wurde.

Monika Slouk

Herr Bischof, Sie feiern am 16. Oktober 60. Geburtstag. Wie fühlt sich das an?
Bischof Benno Elbs: Ich muss ehrlich sagen, dass Geburtstage für mich ziemlich furchtbar sind. Nicht so sehr wegen dem Älterwerden, sondern weil ich ein schüchterner Mensch bin und nicht gerne im Mittelpunkt stehe. Ich würde am liebsten in ein Kloster gehen und drei Tage Exerzitien machen. Ich weiß, dass das nicht geht, weil du halt nicht nur für dich selber lebst. Aber: Es freut mich, wenn jemand anruft, es ist ein Augenblick der Wertschätzung. Ich rufe auch gerne an, wenn jemand Geburtstag hat, weil ich ihn wertschätze, Danke sagen möchte. Die Dankbarkeit und Wertschätzung, die man erfährt, ist etwas Schönes.

Gehen Sie dann noch in ein Kloster?
Elbs: Ja, ich habe mir in den Herbstferien ein paar Tage reserviert. Schauen wir einmal, wie sich die Situation entwickelt, aber ich würde mich gerne ein paar Tage zurückziehen.

Wohin?
Elbs: Zu den Franziskaner Missionsschwestern von Maria Hilf ins Montafon, wenn sie mich nehmen. Da gehe ich manchmal hin zum Rückzug.

Für einen Bischof sind Sie jung. Sie sind ja seit sieben Jahren im Amt und seit 1994 in der Diözesanleitung.
Elbs: Ja, meine Stationen waren die Leitung des Pastoralamtes, Generalvikar und Diözesanadministrator bis zur Bischofsernennung. Es waren ganz unterschiedliche Positionen, sonst müsste ich sagen, es ist zu lang. Was ein wichtiger Faktor ist: Ich bin vom Typ her ein Seelsorger und weniger ein Organisator. Da gibt es zwei Dinge, die mir immer wieder geholfen haben. Das Wichtigste war das Suchen von guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie schaffen einen guten Spielraum für die Seelsorge. Und ich bin auch noch ein wenig therapeutisch tätig. Was bei uns in der Diözese großartig ist: Dass wir sehr gute Amtsleiter haben. Sie arbeiten inhaltlich sehr stark. Da sind große Themen in Bewegung. Zum Beispiel die Wege der Pfarrgemeinden, wo man überlegt hat, wie man sinnvoll mit den Pfarrgemeinden umgeht, im Heute, mit der Einbindung der verschiedenen Aufgaben, Priester, Pastoralassistentinnen und Pastoralassistenten, Gemeindeverantwortliche, Pastoralteams ... Das ist die Chance einer kleinen Diözese, dass wir Lösungen maßschneidern können. Es gibt kein generalstabsmäßig geplantes Konzept. Es gibt Leitlinien, Leitplanken sozusagen, aber letztlich ist es sehr individuell. Das schaut in Bregenz anders aus als in Dornbirn, in Bludenz oder im Vorderland.

Wie bleiben Sie trotz der Ämter bodenständig?
Elbs: Bei uns gibt es eigentlich keine Hürde zum Bischof. Deshalb gehe ich in die Schulen, wenn Leute mich wollen, ich habe Kontakte mit Jugendlichen in Hotspot-Talks, wir haben Wallfahrten von Maturanten, Firmlingen. Heute Nachmittag bin ich in einem Altenheim, mit dem richtigen Corona-Abstand. Kontakt, Nähe und Präsenz sind meine großen Anliegen. Die andere Seite ist, dass ich nicht so geschützt bin, weil jeder alles direkt sagt. Aber das ist unsere Mentalität – die Vorarlberger Mentalität und auch meine. Ich bin froh darüber. Wie Papst Franziskus einmal gesagt hat, braucht es den Mut zum offenen Wort. Das ist auch unsere Kultur, und dann bleibst du auf dem Boden.

Sie haben schon erwähnt, dass Sie auch als Psychotherapeut noch tätig sind. Wie verbinden Sie das mit der Seelsorge?
Elbs: Aus meiner Sicht passt es perfekt zusammen. Ich habe die Therapie-Ausbildung bei Viktor Frankl gemacht, habe ihn persönlich noch erlebt, das ist ein großes Geschenk. Mein Menschenbild ist mit Frankl, dass der Mensch verschiedene Dimensionen hat, die physische, emotionale, seelische, geistige ... Das sind Bereiche, wo es verschiedene Kompetenzen braucht. Je ganzheitlicher ich den Menschen sehe, desto mehr kann ich ihm und mir selber gerecht werden. Das ist mein Lebensthema. Ich hätte auch gerne Medizin studiert, war sieben Jahre lang bei der Rettung in Innsbruck als Notfallsanitäter. Mir gefällt das Bild gut, das Papst Franziskus in Evangelii Gaudium verwendet hat, wo er sagt: Wir müssen vor dem heiligen Boden des anderen die Schuhe ausziehen. Das ist für mich ein therapeutisches Credo, dass jeder Mensch heiliger Boden ist. Und wenn ich mich ihm nähere, muss ich aus Respekt und Ehrfurcht die Schuhe ausziehen, weil ich heiligen Boden betrete, wenn mir jemand etwas anvertraut. Was auch wichtig ist: Schuster, bleib bei deinem Leisten. Ich versuche abzuschätzen, ob ich mit einem Menschen gehen kann, wo ich helfen kann oder wo ich überfordert bin.

Empfehlen Sie auch in der Seelsorge, sich manchmal abzugrenzen?
Elbs: Ja, ich halte es für eine der entscheidenden Fähigkeiten, dass man seine Grenzen erkennt. Das ist in der Seelsorge so, aber auch in der Medizin oder in der Psychotherapie. Wenn ich vorgaukle, dass ich etwas weiß oder kann, was ich nicht kann, hilft das niemandem. Der Innsbrucker Pastoralpsychologe Hermann Stenger sprach immer von der Inkompetenzkompensationskompetenz. Er sagte, das ist das Wichtigste für einen Manager, aber ich glaube auch für einen Seelsorger. Ich muss wissen, was ich nicht kann, und muss eine Kompetenz haben, meine Inkompetenz durch andere Kompetenzen zu kompensieren. Das ist für mich das Zauberwort auch in der Leitung der Diözese.

Kontakt und Nähe sind Ihnen wichtig. Das ist zurzeit etwas komplizierter. Wie wirken sich die Corona-Einschränkungen auf Ihr Leben aus?
Elbs: Ich wohne in der Wohnung, wo ich auch vor dem Bischofsamt gewohnt habe, bin also nicht in das Bischofshaus gezogen, obwohl es natürlich schön wäre, aber es hat einen Park, es hat eine Mauer rundherum, es symbolisiert die Distanz. Das wollte ich nicht. Ich lebe in einer Wohnung, wo rundherum Familien mit Kindern wohnen und ältere Menschen, das macht sehr viel aus. Ich sehe, wie sie leben, dass die Kinder manchmal schreien, bei der älteren Frau kommt Besuch oder auch nicht ... Der Punkt ist, dass ich versuche, trotz Corona Kontakte aufrechtzuerhalten. Während des Lockdowns war es klar, da waren die technischen Medien und die Telefonate, Briefe und Karten an der Reihe. Aber seit dem Sommer lade ich immer wieder Leute ein, nicht mehr so viele wie früher, sondern weniger, aber trotzdem ist mir wichtig, dass es weitergeht, mit der notwendigen Vorsicht. Man kann nicht das Leben abschalten, man muss kreativ, optimistisch, mit großer Gelassenheit den Weg weitergehen. Mit Verantwortung und Gelassenheit. Wir dürfen auch diese Phase des Lebens mit Gottvertrauen gehen. Ich bin natürlich zurückhaltend. Wenn ich in ein Altenheim hineingehe, wäre es furchtbar, wenn ich da das Virus hineinschleppe. Aber keinen Besuch im Altenheim oder Spital zu machen, das ist keine Alternative. Die Alternative ist nicht das vollkommene Nein, sondern das verantwortungsvolle Trotzdem. „Trotzdem ja zu Leben sagen!“, würde Viktor Frankl sagen.

Herr Bischof, Sie sind in Ihrer Diözese sehr beliebt, trotzdem verliert die Kirche an Bedeutung. Wie sieht die Zukunft der Kirche aus?
Elbs: Das weiß ich nicht. Ich kann nur sagen: Die Großwetterlage und die Entwicklung der Gesellschaft werden wir nicht beeinflussen können. Die Frage ist: Können wir das, was unser Auftrag ist – und der entsteht im Blick auf das Leben Jesu: Was würde Jesus tun? – Wie können wir diesen Auftrag mit Freude, Zuversicht, Elan, Kreativität und Intelligenz leben? Das Schielen auf die Entwicklung der Kirche führt uns in eine depressive Grundhaltung. Mit welchem Gerät wollen wir den Glauben messen? Es gibt einen PCR-Test für das Coronavirus, aber keinen für den Glauben. Meine Erfahrung ist, dass es viele Überraschungen gibt. Von Leuten, wo man denkt, sie sind weit weg, die dann doch tief drinnen sind, oder umgekehrt, wo man meint, sie wären drinnen, aber bei Entscheidungen merkt man, sie sind weit weg von der Nächstenliebe! Ich habe längst aufgehört zu sagen, wer dazugehört und wer nicht. Es war auch bei Jesus so: Manche waren eng verbunden, manche haben ihn einmal im Leben getroffen, manche wurden von ihm geheilt und haben ihn nie wiedergesehen, manche haben ihn gelegentlich getroffen. Die unterschiedliche Zugehörigkeit ist in einer pluralen Gesellschaft so, die möchte ich positiv sehen. Das hat nichts damit zu tun, dass ich die Realität nicht sehen will. Ich kann Statistiken lesen, aber ich lebe nicht für die Statistiken. Ich weiß, wo der Bereich ist, wo ich etwas tun kann, und dort tu ich was.

Zur Person

Benno Elbs wurde 1960 geboren und wuchs in Langen bei Bregenz auf. Er studierte Theologie in Innsbruck und Paris, schloss 1986 mit dem Doktorat ab und wurde im selben Jahr zum Priester geweiht. Außerdem absolvierte Elbs eine psychotherapeutische Ausbildung  in Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor Frankl. Er war Kaplan in Bregenz-Mariahilf und Religionslehrer. Ab 1989 wirkte er als Spiritual und später als Rektor am Bischöflichen Studieninternat Marianum. 1994 wurde Benno Elbs Pastoralamtsleiter, 2005 Generalvikar. Ab 2011 war er Diözesanadministrator, am 8. Mai 2013 ernannte ihn Papst Franziskus zum Bischof.

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 42 vom 15. Oktober 2020)