Gute drei Wochen ist es her, dass Papst Franziskus in Rom zum Kinderschutzgipfel gerufen hat. Missbrauch, sexueller, körperlicher und auch psychischer, war das Thema. Ziel war es, ein weltweites Bewusstsein für dieses Thema - innerhalb der Kirche - überhaupt erst zu schaffen. Das war bis dato nicht so. Jetzt, bei der Frühjahrsversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz, fand der Kinderschutzgipfel von Rom in Reichenau an der Rax seinen Nachhall. Denn bei der reinen Bewusstseinsbildung darf es, so die österreichischen Bischöfe, nicht bleiben.

Was es jetzt braucht, sind "konkrete Maßnahmen auf Grundlage der schon bestehenden kirchenrechtlichen Normen gegen sexuellen Missbrauch", hält die Österreichische Bischofskonferenz in ihrer Erklärung zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung in Reichenau an der Rax fest. Die Grundprinzipien der Kirche im Umgang mit sexuellem Missbrauch und Gewalt in den eigenen Reihen müssen dabei sein: Verantwortung, Transparenz, Rechenschaft und Prävention. Als ein Ergebnis des Kinderschutzgipfel im Vatikan sei überdies klar geworden, "dass in der Kirche ein Kulturwandel im Umgang mit geistlicher Autorität unabdingbar ist". Nicht zuletzt Papst Franziskus hatte zuletzt mehrmals das "Übel des Klerikalismus" als Nährboden für Machtmissbrauch in der Kirche verurteilt.

Was die Kirche tut, damit Missbrauch erst gar nicht geschieht

Dass in Österreich im Hinblick auf die Prävention von Missbrauch in jeder Form in den vergangenen 10 Jahren schon einiges institutionalisiert wurde - auch schon lange vor dem Kinderschutzgipfel in Rom - darauf verwiesen die Bischöfe ebenfalls. Dazu legten sie einen eigenen, sieben Seiten umfassenden Bericht vor, der unter www.ombudsstellen.at  abrufbar ist.

Als ein wesentlicher Anstoß dazu sind mit Sicherheit die bereits 1995 und 1998 gegen Kardinal Hans Hermann Groer publik gewordenen Missbrauchsvorwürfen zu sehen. In der Folge wurden kirchliche Ombudsstellen in allen Diözesen eingerichtet, die von unabhängigen Fachleuten geleitet werden; Kardinal Christoph Schönborn feierte im März 2010 gemeinsam mit Missbrauchsbetroffenen einen viel beachteten Bußgottesdienst im Stephansdom; im Monat darauf kam es zur Bildung einer Unabhängigen Opferschutzkommission ("Klasnic-Kommission") mit anerkannten Experten und einer "Stiftung Opferschutz", die die Empfehlungen der Opferschutzkommission hinsichtlich Finanzhilfen und Therapie umsetzt. Im Juni 2010 beschloss die Bischofskonferenz eine für alle kirchlichen Mitarbeiter verbindliche Rahmenordnung unter dem Titel "Die Wahrheit wird euch frei machen". Die darin verankerten, 2016 novellierten Richtlinien "haben sich bewährt und haben im internationalen Vergleich Vorbildwirkung", so die Bischöfe jetzt im Rückblick.

Maßnahmen einhalten und weiterentwickeln

Um deren konsequente Einhaltung und Weiterentwicklung sicherzustellen, konstituierte die Bischofskonferenz am 9. März 2019 einen Beirat unter dem Vorsitz von Bischof Benno Elbs. Darin mitarbeitende Fachleute wie der renommierte Gerichtspsychiater Prof. Reinhard Haller sollen "eine allgemeine Haltung des bewussten Hinschauens stärken, damit jedem Verdachtsfall konsequent nachgegangen wird", heißt es in der Erklärung der Bischöfe.

Die Opfer stehen an erster Stelle

All diese Maßnahmen "machen das Leid jener nicht ungeschehen, die durch die Kirche und ihre Verantwortungsträger Schutz und Fürsorge gebraucht hätten, aber das Gegenteil erfahren haben", sind sich die Bischöfe bewusst. Sie versichern: "Es darf nie mehr passieren, dass das Ansehen der Institution über die Leiden der Opfer gestellt wird, dass Täter lediglich versetzt und Verbrechen vertuscht werden." Darauf hätten sich alle kirchlichen Amtsträger in Österreich verpflichtet "und davon darf nicht abgewichen werden".

Gewalt gegen Minderjährige und sexueller Missbrauch sind laut den Bischöfen eine "leidvolle Realität der ganzen Gesellschaft". Als Ziel erachtet die Bischofskonferenz daher eine breite gesellschaftliche Allianz, "um das nach wie vor verbreitete Tabu darüber aufzubrechen und Kinder noch besser zu schützen".

Statistik über Missbrauch in der Kirche

Der Bericht der Bischofskonferenz mit dem Titel "Maßnahmen der Katholischen Kirche in Österreich gegen Missbrauch und Gewalt" umfasst auch eine Statistik über die bisher 2.193 von der Opferschutzanwaltschaft behandelten Fälle. Nur in 171 davon wurden weder Finanzhilfe noch Therapie zuerkannt, in zwei Drittel der Fälle beides. 180 Fälle sind derzeit in Bearbeitung. Den Betroffenen wurden bisher insgesamt 27,8 Millionen Euro zuerkannt, davon 22,1 Millionen als Finanzhilfen und 5,7 Millionen für Therapien.

Bei 31 Prozent aller Vorfälle handelte es sich laut Angaben der Bischofskonferenz um sexuellen Missbrauch, bei allen anderen um körperliche Gewalt. Die meisten Übergriffe seien rechtlich verjährt und erfolgten hauptsächlich in den 1960er Jahren (37,1 Prozent) und 1970er Jahren (30,8 Prozent). 14,4 Prozent der Vorfälle hätten sich in den 1950er Jahren oder früher ereignet, 0,8 Prozent der Fälle betreffen den Zeitraum seit 2000.

Eine Auswertung der kirchlichen "Stiftung Opferschutz" habe gezeigt, dass sich viele Übergriffe in den von der Kirche im staatlichen Auftrag geführten Kinder- und Jugendheimen ereigneten. Die Schließung dieser Heime sei ein wichtiger Grund, weshalb die Fälle seit den 1980er-Jahren deutlich zurückgingen. Zur kirchliche Vorgangsweise bei der Zuerkennung von finanzieller Hilfe bzw. Therapie erläuterten die Bischöfe, damit werde "ermöglicht, dass Betroffene - auch im Falle der Verjährung - unbürokratisch Hilfe erhalten, ohne den Rechtsweg beschreiten zu müssen, der ihnen weiterhin offensteht".

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Quelle: (Red/KAP)