Gedanken zum Sonntag von Bischof Benno Elbs.

Die Betroffenheit sitzt mir noch tief in den Knochen. Der Terroranschlag in Wien verneint alles, was uns in unserem Zusammenleben wichtig ist: Respekt und Achtung voreinander, Freiheit und Sicherheit. Ich bin dankbar für die vielen Wortmeldungen und Taten, die den Zusammenhalt und die Solidarität in unserer Gesellschaft betonen. Wir dürfen auf Hass nicht mit Hass, auf Gewalt nicht mit Gegengewalt antworten. Ich erinnere mich an die Worte von Antoine Leiris. Er hat im Jahr 2015 bei einem Terroranschlag in Paris seine Frau Hélène verloren und sich wenige Tage danach mit einem eindrucksvollen Posting an die Attentäter gewandt: „Freitagabend habt ihr das Leben eines außerordentlichen Wesens geraubt, das der Liebe meines Lebens, der Mutter meines Kindes. Aber meinen Hass bekommt ihr nicht.“

„Heilige von nebenan“

Die Bestürzung über den Terroranschlag und unsere Trauer um die Menschen, die dabei getötet wurden, haben den zweiten Lockdown etwas in den Hintergrund treten lassen. Diese beiden Ereignisse stellen unser Miteinander auf eine harte Probe. Geprägt vom Lockdown und dem Terroranschlag, bin ich in den Tagen nach Allerheiligen in Gedanken verschiedene Lebensbereiche abgeschritten. Da ist mir wieder bewusst geworden: Es gibt nicht nur die großen Heiligen, die es in die Geschichtsbücher geschafft haben, sondern auch viele unbekannte, unscheinbare Heilige des Alltags. Ich denke da an Menschen, die im Kleinen Großes geleistet haben und immer noch leisten. Papst Franziskus nennt diese Menschen gern „Heilige von nebenan“: Alleinerziehende, die Kinderbetreuung und Beruf unter einen Hut bringen müssen; PolizistInnen und Einsatzkräfte, die ihr Leben für unsere Sicherheit aufs Spiel setzen; die Angestellten im Supermarkt und Einzelhandel, die Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflege- und Reinigungspersonal in den Krankenhäusern; Menschen in der Landwirtschaft und im Bildungsbereich; Menschen, die Alte und Kranke besuchen, einen Teil ihres Gehalts Notleidenden spenden oder auf jene Menschen schauen, die angesichts der Kontaktbeschränkungen zu vereinsamen drohen; Arbeitgeber, die alles dafür tun, um ihre Angestellten behalten zu können; und – das sei mir auch gestattet zu sagen – die Priester und die MitarbeiterInnen in unseren Pfarren, Krankenhäusern und Altenheimen, die versuchen, gerade jetzt besonders nahe bei den Menschen zu sein. Diese etwas andere Heiligenlitanei – eine Litanei der Dankbarkeit – könnte noch um viele Menschen ergänzt werden.

Glaube: keine Leistung, sondern Geschenk

Ich glaube, dass in den kommenden Wochen folgende Frage für uns alle wichtig sein wird: Was gibt mir Kraft und Mut für die Zukunft? Als ich am Montagabend von dem Anschlag in Wien gehört habe, bin ich in die Kapelle gegangen und habe für die Menschen gebetet. Da habe ich gespürt: Es ist keine Leistung, sondern ein großes Geschenk, dass ich an einen Gott glauben darf, der das Leichte und das Schwere, die dunklen und hellen Seiten des Lebens unendlich sanft in seinen Händen hält. Ich darf glauben an einen barmherzigen, liebevollen Gott, der mir in jeder Lebenslage einen neuen Weg aufzeigt, auch wenn es noch so aussichtslos sein mag. Und ich staune über die Wunder der Mitmenschlichkeit, die mich darauf vertrauen lassen, dass immer jemand für mich da ist.

Wenn in diesen Tagen vieles geschlossen wird, halten wir unser Herz offen. Ein Lockdown der Herzen würde sich fatal auf die soziale Wärme in unserem Land auswirken. Achten wir deshalb darauf, dass wir in den kommenden Wochen Wohlwollen, Respekt und Hilfsbereitschaft groß schreiben. Und entscheiden wir uns bewusst für die Zuversicht. Ihnen und Ihren Lieben wünsche ich von Herzen alles Gute.     

Bischof Benno Elbs