Gedanken von Bischof Benno Elbs zum Jahreswechsel 2020/2021

2020 – ein besonderes Jahr geht zu Ende. Als es begonnen hat, haben uns viele Fragen beschäftigt: Was können wir gegen den Klimawandel unternehmen? Wie sollen wir in Europa umgehen mit geflüchteten Menschen? Wie können wir die Probleme im Gesundheitsbereich lösen? Und vieles mehr.

Jetzt, am Ende des Jahres, stehen diese Fragen immer noch ungelöst da. Und sie werden medial überragt von dem alles bestimmenden Thema Corona. Oft habe ich in den letzten Wochen gehört, dass die Pandemie diese Probleme in den Hintergrund gedrängt habe. Ich finde, das genaue Gegenteil ist der Fall. Corona hat diese Themen keineswegs verdrängt, sondern sogar noch verschärft sichtbar gemacht. Denn das Virus hat ein Schlaglicht auf verschiedene sozialpolitische Problemfelder geworfen, die seit Jahren einer Lösung harren.  Seit es Corona gibt, reden wir verstärkt von der Pflege und was es braucht, um diesen Beruf attraktiver zu machen. Wir reden von gerechten Löhnen, weil wir sehen, dass jene Berufe, die sich als systemrelevant herausgestellt haben, mitnichten jene sind, die am besten bezahlt werden. Wir sehen, wie das Klima aufatmet, wenn der Flugverkehr reduziert werden würde. Wir müssen auch sehen, wie Hass, Antisemitismus und Rassismus sich gewaltsam entladen. Und wir müssen in Zukunft intensiver über das Thema Bildung reden. Denn welche Auswirkungen und negativen Folgen das monatelange Distance-Learning für die Schülerinnen und Schüler haben wird, kann im Moment nur erahnt werden. Corona wirkt wie ein Brandbeschleuniger, der brennende Themen in unserer Gesellschaft und in der ganzen Welt aufflammen lässt.

Licht in der Nacht

So wurde uns in diesem Jahr vielleicht stärker bewusst als sonst, dass wir Weihnachten in einer unerlösten Welt feiern. Damals wie heute ist Weihnachten eine Geschichte, die sich in der Nacht vollzieht. Christus wurde, so sagt es die hl. Schrift, in der Nacht geboren. Er kommt auch in die Nächte unseres Lebens: in die Nacht der Ratlosigkeit, der Verzweiflung, der Sorge um die Zukunft. Er hat die Nächte unseres Lebens zu einer heiligen Nacht gemacht. Mitten dieser Situation bricht also das ewige Wort ein in unsere Geschichte, in das Helle und Dunkle unseres Lebens. All diese Worte, die von Weihnachten erzählen, wollen uns nichts anderes sagen als: Gott liebt uns so sehr, dass er sogar Mensch wird und uns ganz nahe ist. 

Gesichter der Menschlichkeit

Es ist gut, wenn wir uns am Ende des alten und am Beginn des neuen Jahres bewusst machen, dass Gott auch heuer auf viele Arten Mensch geworden ist. Er hat das Gesicht eines alten Mannes, der im Pflegeheim seine Angehörigen vermisst und dem ausgelaugten Pfleger ein Lächeln schenkt. Er hat das Gesicht einer Ärztin, die sich liebevoll um einen sterbenden Menschen kümmert. Er hat das Gesicht einer Lehrerin, die nicht müde wird, Kindern eine gute Zukunft zu ermöglichen. Er hat das Gesicht eines Supermarktverkäufers, der übermüdet eine Überstunde nach der anderen leistet. Er hat das Gesicht von Jugendlichen, die sich für den Erhalt des Klimas einsetzen. Es ist erstaunlich und bewundernswert, was Menschen leisten. Die Einsamkeit, die Ängste und Sorgen können zwar nicht aus der Welt geschafft werden. Menschlichkeit, Empathie und Zärtlichkeit aber auch nicht.

Sehnsüchte

All diese Menschen haben dort, wo sie leben und wirken, einen neuen Anfang gesetzt. Sie haben Freude geschenkt, wo Eintönigkeit herrscht. Sie haben Verantwortung übernommen, wo Gleichgültigkeit um sich greift. Sie haben Zukunft ermöglicht, wo man sich resigniert abwendet. Der Jahreswechsel soll auch für uns einen neuen Anfang setzen – nicht nur im Kalender. Setzen wir einen Neuanfang des Glaubens, des Hoffens und des Aufeinander-Zugehens. Arbeiten wir am Frieden in unserer Welt. Denn der Terroranschlag von Wien hat uns wieder in Erinnerung gerufen: Friede ist die tiefste Sehnsucht aller Menschen. Für uns Christinnen und Christen ist diese Sehnsucht ein beständiger Auftrag, den Frieden zu suchen.

Die Probleme des alten Jahres werden uns auch ins neue hineinbegleiten. Es macht aber einen Unterschied, besser: Wir machen einen Unterschied, wenn wir diese ersten Schritte im Vertrauen auf den Segen und die Nähe Gottes gehen. Denn das Kind in der Krippe sagt uns zu jeder Zeit, dass die Nacht nicht ewig dauert. Die Armut der Krippe kennt auch den Gesang der Engel, den Lichtstrahl des Sternes, besonders aber die Hoffnung, die uns im Kind Jesus Christus entgegen kommt.

Ich wünsche Euch ein von Gott gesegnetes neues Jahr.

Bischof Benno Elbs