Die Gedanken zum Sonntag, 3. Mai 2014, von Bischof Benno Elbs

Es war eine Zeit großartiger technischer Errungenschaften und atemberaubender Entwicklungen vor genau 100 Jahren – kurz vor dem Ausbruch des ersten Weltkriegs. Immer schnellere Automobile wurden gebaut, die ersten Flugzeuge entwickelt, Kunst und Kultur blühten, die Industrialisierung sorgte für Reichtum – gleichzeitig aber auch für die Verarmung breiter Schichten.

Aber trotz Wohlstand und Fortschritt wähnten sich die großen Staatengebilde Österreich-Ungarn und Preußen von äußeren Feinden umstellt. Eine latente Kriegsbereitschaft konstatieren die Historiker, auch die Kirchen waren in die Ideologie des Krieges verstrickt. Ein Attentat in Sarajewo am 28. Juni 1914 auf den österreichischen Thronfolger führte zu einem Krieg, den doch keiner beabsichtigt hatte, von dem jede der beteiligten Mächte den Eindruck hatte, dass er ihr von den anderen aufgezwungen worden sei. Ungehört verhallten die Friedensappelle eines Papstes Benedikt XV. Die verheerende Folge: 17 Millionen Tote, traumatisierte Menschen, der politische Umbruch und Zusammenbruch in Europa – der Sturz der Kaiserhäuser, des osmanischen Reiches, die russische Oktoberrevolution. Die Wurzeln für den 2. Weltkrieg liegen wohl auch hier.

Und heute, hundert Jahre später?
Die technische Entwicklung ist rasanter denn je. Kommunikations-, Informations-, Daten-, Finanz- und Warenströme nehmen an Tempo und Umfang immer weiter zu. Politische Spannungen sind mit dem Konflikt in der Ukraine in die Nähe gerückt. Scharfe Worte fallen, Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wurden gefangen genommen. Separatisten und Drohgebärden verschärfen die Situation. Ist der Friede in Europa in Gefahr? Und nicht zu vergessen viele andere Krisenherde in der Welt – das Kriegsdrama in Syrien, der Nahe Osten, Zentralafrika, der Südsudan, Gewalt in Nigeria.

Was können wir tun?
Frieden ist unteilbar. Er beginnt im eigenen Herzen. Er nährt sich vom Respekt vor der Würde jedes Menschen. Jean Vanier, der Gründer der internationalen Gemeinschaften “Arche”, in denen Menschen mit und ohne geistige Behinderung in christlicher Weise zusammenleben, nennt sechs Wegmarkierungen für den Weg zum Frieden:
•    Erweise jedem einzelnen Menschen Achtung.
•    Schaffe den Freiraum, den die Menschen zum Wachstum und zu Entdeckung ihres inneren Reichtums brauchen.
•    Suche immer wieder das Gespräch.
•    Stimme ständig die gegenseitigen Erwartungen aufeinander ab.
•    Freue dich an der Verschiedenheit der Menschen.
•    Bemühe dich immer um diejenigen, die am meisten leiden.

Eine solche innere Haltung des Friedens und der Versöhnung kann in sich eine Form von aktivem, tätigem Gebet sein. Und wir können beten für den Frieden, so wie wir das oft auch bei den Fürbitten in den Gottesdiensten tun. Aber: hilft denn beten? Was nützt die Ohnmacht der leeren Hände – selbst wenn sie allemal besser ist als eine Gleichgültigkeit der vollen Hände? Die evangelische Theologin und Mystikerin Dorothee Sölle gibt da eine deutliche Antwort: “Natürlich hilft beten und sich eins wissen mit der Macht, die dem Grashalm durch den Asphalt hilft. Natürlich hilft wünschen, träumen, darüber reden, eine Vision haben und sie mitteilen im Handeln.” Solange der Mensch betet, gibt er sich nicht auf. Wenn ich bete, gebe ich Gott Raum in meinem Leben.

Beten wir also für den Frieden im Kleinen in unseren Familien und Gemeinschaften und beten wir für den Frieden in der Welt – durch unser Tun und Handeln, durch unser Denken und Hoffen.

“Der Friede sei mit Euch”, ist der Gruß des auferstandenen Christus an die Seinen. Gott segne die Welt mit Frieden!

Dr. Benno Elbs, Diözesanbischof