Was in unserem Land als schulische Utopie gilt, ist in einer Berliner Schule bereits Alltag. Sieben Schüler/innen haben sich davon überzeugt. Der Funke ist übergesprungen.

Bild oben: Die sieben Schul-Erkundschafter/innen in Berlin

Patricia Begle

Von außen betrachtet erscheint die Berliner Schule wie jede andere. Der graue Plattenbau verrät nichts von dem, was sich im Inneren abspielt. Auch innen treffen die Besucher/innen auf Räume, die sie von zuhause her kennen: Gänge, Klassenräume, Stiegenhäuser. Lediglich die bunten Wände und die verschiedenen Regale in den Klassenzimmern weisen darauf hin, dass hier etwas anders ist.

Freude
Das „anders“ zeigt sich vor allem in den fröhlichen Gesichtern. „Die haben wirklich alle Freude an der Schule“, erzählt Milena. „Die Schüler/innen lernen für sich, nicht für die Lehrer.“ Einer der großen Unterschiede zu unserem Schulsystem liegt in der Verantwortung. „Der Schüler hat viel mehr Selbstverantwortung. Ob er lernt oder nicht liegt in seiner eigenen Verantwortung“, erklärt Benjamin. „Er muss dafür sorgen. Bei uns ist es so, dass der Lehrer das für uns macht.“

Selbstorganisation
So entscheiden die Lernenden, mit welchen Themen sie sich in der kommenden Woche auseinandersetzen, wann sie bereit sind für einen Test und welche Schwerpunktfächer sie belegen. Sie organisieren ihr Lernen selbst,  jedes Fach hat seine eigenen Räume, schülerfreundliches Lernmaterial sowie Tutoren stehen zur Verfügung. In manchen Fächern gibt es Gemeinschaftsunterricht. Eine Klasse umfasst dabei drei Jahrgänge, Groß und Klein arbeiten selbstverständlich zusammen.

Potential

„Die Schule unterstützt die jungen Leute, selbstständig zu werden und über sich hinaus zu wachsen“, erzählt Jasmine. „Bei uns liegt so viel Potential in den Leuten, das nicht ausgeschöpft wird. Oft müssen Schüler/innen etwas machen, das ihnen nicht liegt. Durch Zwang und Druck wird die Freude ausgetrieben.“

Weitertragen
Der Mangel an Freiräumen, das unfaire Notensystem sowie die Verwirrungen und der Druck, den die Zentralmatura mit sich gebracht hat, waren für die sieben Schüler/innen Beweggründe, sich auf das Projekt einzulassen. „Die Reise hat die Jugendlichen inspiriert, sie sind heute andere Jugendliche als zuvor“, freut sich Alexandra Abbrederis, die das Jugendprojekt begleitet. Ihre Aufgabe ist es nun, den Funken, der übergesprungen ist, gemeinsam mit den Schüler/innen weiterzutragen, hinein in alle Ebenen, die mit „Schule“ verbunden sind.

Kairos
Eine solche Ebene sind Wirtschaftsunternehmen. Hier hat sich bereits eine Kooperation zwischen den „Tagen der Utopie“ und der Unternehmer-Gruppe „Moll des goht“ ergeben. Beide sind auf ihrer Suche nach Wegen in die Zukunft auf Margret Rasfeld gestoßen. „Das ist ein klassischer Kairos“, zeigt sich Josef Kittinger begeistert. „Hier hat sich Energie getroffen - und sehr potenziert.“

ZUR SACHE

Schule der Utopie

Margret Rasfeld ist Schulleiterin und Bildungsinnovatorin. Seit 2007 entwickelt sie gemeinsam mit Schüler/innen und Lehrer/innen an der Gemeinschaftsschule Berlin-Zentrum ein Modell einer neuen Schulkultur. Dieses ist mittlerweile international beachtet, Rasfeld berät Schulen, kommunale Einrichtungen und Bildungsprojekte.

Da Jugendliche Hauptakteure im Lebensraum Schule sind, war es naheliegend, junge Menschen in den Prozess der Auseinandersetzung mit dem Thema „Schule“ mit einzubeziehen. Sieben Schüler/innen bekamen, von Hilti Foundation finanziell unterstützt, die Gelegenheit, die Berliner Schule von innen zu erkunden. Sie werden ihre Erfahrungen in den Vortrag von Margret Rasfeld einbringen.

TERMINE

Starke Kinder braucht das Land. Praxisseminar mit Margret Rasfeld und ermutigenden Beispielen aus Vorarlberg. Anmeldung unter: info@molldesgoht.at
Fr 26. April, 15 bis 18 Uhr, Veranstaltungszentrum KOM, Kirchfeldstr. 1a, Altach.

Schüler machen Schule
. Vortrag mit Margret Rasfeld und Schüler/innen aus Berlin und Vorarlberg. Anmeldung unter: T 05523 62501-828 oder www.tagederutopie.org
Sa 27. April, 19 Uhr, Bildungshaus
St. Arbogast, Götzis.

Buchtipp

Margret Rasfeld, Peter Spiegel:
EduAction - Wir machen Schule. 
Murmann Verlag 2012.
ISBN: 3867741816