Fulbert Steffensky blickt mit seinen 80 Jahren auf viel Lebenserfahrung zurück. Als Theologe hat er diese immer auch als Glaubenserfahrung reflektiert und damit intensiviert und vertieft. Aus diesem Reichtum schöpfte er bei einem Seminar im Bildungshaus St. Arbogast.

Patricia Begle

Eingeladen wurde Steffensky von „ALTER-nativ“, einer Bildungsplattform, die Bildungsangebote für ältere Menschen organisiert. „Spiritualität als geformte Aufmerksamkeit“ lautete der Titel. Der deutsche Religionspädogoge befreite in seinen Ausführungen den Begriff „Spiritualität“ von hochgesteckten Ansprüchen und brachte ihn auf den Boden der Realität. Spiritualität ist „Handwerk“ und „Arbeit“, manchmal „schön“, oft auch „langweilig“.

Fulbert SteffenskyFulbert Steffensky, geb. 1933 in Rehlingen/Saar, Studium der katholischen und evangelischen Theologie, 13 Jahre Benediktinermönch in der Abtei Maria Laach, 1969 Konversion zum Protestantismus, 1972-75 Professur für Erziehungswissenschaft an der FH Köln, 1975-1998 Professor für Religionspädagogik an der Universität Hamburg, von 1969 bis zu ihrem Tod 2003 verheiratet mit Dorothee Sölle, lebt jetzt in Luzern, verheiratet mit der katholischen Theologin Li Hangartner.
Am 20. November 2013 wurde ihm der deutsche ökumenische Predigtpreis in der Kategorie „Lebenswerk“ verliehen.

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Rituale
Dieses Handwerk ist nicht Genies vorbehalten, ein Mensch kann es erlernen wie lesen, schreiben und kochen. Was es dafür braucht ist „Aufmerksamkeit auf das Leben“ – auf dessen Schönheiten und Zerstörungen. Außerdem sind Regeln und Methoden nötig, feste Orte und Zeiten zum Beispiel oder fixe Abläufe von Handlungen und Worten. Rituale. Steffensky sieht in Ritualen eine der großen Schönheiten. Schon beim ganz einfachen Anzünden einer Kerze wird das Innere, die Wünsche, nach außen gesetzt und zu Theater, zu Figur, zu Tanz. „Die Kirche muss ein Tanzverein werden.“

Neu deuten
Wenn Rituale nicht ganz verstanden werden und fremd sind, können sie wie Fremdsprachen gesprochen werden. „Es gibt eine Äußerlichkeit, die an unserer Innerlichkeit baut“, weiß der Theologe. Seine Art, mit unzeitgemäßen Ritualen und Begriffsdeutungen umzugehen liegt nicht in deren Abschaffung sondern in deren Neuinterpretation.

Tradition
Damit schafft er Zugang zu Tradition. „Wir kommen nicht aus dem Nichts. Unsere Toten haben uns Mäntel ihres Glaubens hinterlassen. (...) Ich kann mit Traditionen brechen und ich kann sie weiterentwickeln. Wer Traditionen nur rezitiert, verrät sie.“ Steffensky versteht sich in der Rolle des Glaubenden oder Betenden als „Gastgeber von Worten und Bildern“, der „die Weltanschauungen und Hoffnungen nicht zu den meinen machen muss“. Denn Rituale und Traditionen tragen nur, wenn sie in Freiheit vollzogen werden.

Toleranz
Steffensky vergleicht Glaubenstraditionen auch mit Sprachen, „die mir die Toten vorgewärmt haben. Ich schreibe von den Toten ab. Man zitiert, wenn man glaubt.“ In diesem Vergleich stellt der Theologe fest: „Gott spricht im Dialekt des Katholizismus, der Muslime, der Buddhisten,... wer wagte es, ihnen das Heil abzusprechen?“ Hier ist Toleranz gefragt, die aber nicht willkürlich ist, sondern dort Widerstand leistet, wo z.B. Menschenrechte nicht respektiert werden.

Gerechtigkeit
„Spiritualität ist Tätigkeit. Sie ist Gerechtigkeit. Es gibt keine Gotteserkenntnis ohne Barmherzigkeit. Wer in Gott eintaucht, taucht neben dem Armen wieder auf.“ Mit diesen Worten führt Steffensky den Zuhörenden ein Kriterium vor Augen, das Maßstab ist in der Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten Glaubensströmungen, mit denen wir heute konfrontiert sind.

Dank
Der Blick auf den „Mantel“ von Fulbert Steffensky ist befreiend. Eine Teilnehmerin fasst dies am Ende des Tages mit folgenden Worten zusammen: „Dass es Menschen gibt, die verdichtet und umfassend sagen, was wir suchen, in sehr poetischer Sprache ... ach ist das schön, dass es solche Menschen gibt.“