In kleiner, man könnte auch sagen in illustrer Runde, trifft man sich derzeit im Jugend- und Bildungshaus St. Arbogast. Auf der "Tagesordnung" stehen die "Fragen unserer Zeit" und zu Gast war kürzlich auch Bischof Benno Elbs.

Es war ein Freitag der 13 im Frühjahr. Natürlich hatte man schon von diesem neuen Virus gehört. Aber zuerst war er ja in erster Linie einmal sehr weit weg. Dann war er da - und dann kam der Lockdown. Das stellte natürlich auch in St. Arbogast die Weichen für das Jahr 2020 noch einmal ganz neu. Größere Veranstaltungen? Fehlanzeige. Also suchte man nach der ersten Phase der Vollbremsung nach kleineren Formaten, nach Angeboten, die auf die aktuelle Situation reagieren ließen und sie auch thematisierten. Die Reihe "Fragen unserer Zeit" ist so ein Format. GeprächspartnerInnen aus dem öffentlichen Leben werden eingeladen, sich im ganz kleinen Rahmen - das Maximum waren 10 Personen - auf eine Diskussion über die Fragestellungen unserer Gegenwart einzulassen. Neben der Theologin und Psychotherapeutin Helga Kohler-Spiegel waren bereits Caritasseelsorger Pfarrer Wilfried Blum und eben auch Bischof Benno Elbs zu Gast. Dem Hausherrn in St. Arbogast, Daniel Mutschlechner, kam dabei die moderierende Rolle zu.

Und dann war plötzlich alles abgesagt

Ob und wenn ja, wie sich denn der Lockdown auf sein Leben ausgewirkt habe, lautete da die unumgängliche Einstiegsfrage. Und ja, natürlich machte der Lockdown auch vor dem Bischofshaus an der Feldkircher Bärenkreuzung nicht Halt. "Von einem Tag auf den anderen war mein Terminkalender praktisch leer. Aber es dauerte nicht lange und er füllte sich wieder. Dieses Mal mit Terminen einer ganz anderen Art", erinnert sich Bischof Benno Elbs. "In der Anfangszeit der Corona-Krise drängte sich zunächst die ,Kirche als Unternehmen' in den Vordergrund. Da wurde ein Krisenstab eingerichtet, es wurde über Zeitstände und natürlich auch über finanzielle Folgen gesprochen." 

Wo bleibe ich?

Auf diese erste Phase des Organisatorischen folgte in einem zweiten Schritt die inhaltliche Diskussion. Welche Rolle hat denn die Kirche in einer Krise wie dieser weltweiten Pandemie? Was darf sie, was soll sie, was muss sie sogar leisten? "Es wurde da innerkirchlich wirklich heftig diskutiert. Zum einen war die Regierung an die Religionsgemeinschaften mit der Bitte herangetreten, die Corona-Maßnahmen mitzutragen, was wir natürlich gemacht haben. Das rief dann aber wieder einige Kritiker auf den Plan, die uns vorwarfen, dass wir das Evangelium verraten würden und zu ängstlich seien", schildert Bischof Benno Elbs die verzwickte Lage, in der sich die Verantwortungsträger zunächst befanden. Dazu kam die Frage, ob die Zeit des Lockdowns als eine Zeit der Brache gestaltet werden soll - oder eben nicht. "Und für mich stellte sich dann auch ganz persönlich die Frage, wo ich während der Zeit im Lockdown sein werde. Im Büro in Feldkirch oder bei meiner 88jährigen Mutter in Langen. Ich wusste, wenn ich für diese Zeit übersiedle, dann jetzt", und so kam es auch, was bedeutete, dass man den Bischof via Videokonferenz nun am heimatlichen Küchentisch erreichte.

Das "Wir"-Gefühl und das "Ich"

Dann kehrte eine gewisse Routine im Krisenmodus ein, die Bischof Benno Elbs im Blick zurück als eine Zeitspanne des starken "Wir"-Gefühls beschreibt. "Das war in der Anfangszeit wichtig. Jetzt ist es aus meiner Sich genauso wichtig, auch das Individuelle wieder zu entdecken, die Diversität wieder zu erleben. Denn die Überwachungsmacht, die ja auch da war und ist, ist nicht zu unterschätzen."

Vertraute Stimmen - auf Abstand

In der Krise zeigte sich aber auch, so der Bischof, wie kreativ die Antworten vieler Menschen auf die neue Situation waren. "Es war klar, dass es Richtlinien für die Pfarren geben musste. Wichtig waren mir dabei immer Nähe und Präsenz - und zwar antiviral. Die Pfarren haben da sehr individuell darauf geantwortet. In Sibratsgfäll beispielsweise wurden an Palmsonntag einfach Palmzweige vor die Türen der Häuser gelegt. In anderen Pfarren schrieb man Briefe an die Pfarrmitglieder oder hielt telefonisch den Kontakt. Aber auch die Medien im Land haben uns hier in dieser Zeit sehr unterstützt. So war es uns zum Beispiel möglich, dass alle Radio-Gottesdienste in dieser Zeit von Priestern aus Vorarlberg gefeiert wurden. Es war sehr wichtig, dass die Menschen gerade jetzt vertraute Stimmen gehört haben."

Ist Glaube ein Systemerhalter?

Ja und dann stand da natürlich auch die Frage nach dem Sinn dieser Krise im Raum. Hat sie überhaupt einen Sinn, muss sie einen haben? "Als Psychotherapeut würde ich da natürlich mit Viktor Frankl sagen, dass nicht wir dem Leben die Fragen stellen, sondern das Leben uns und dass es unsere Aufgabe ist, nach möglichen Antworten zu suchen. Ich kann diese Frage deshalb nicht allgemein beantworten. Für die Kirche kann ich sagen, dass mir bewusster geworden ist, dass es eine Systemrelevanz und eine Existenzrelevanz gibt. Religion ist vielleicht nicht systemrelevant, aber ganz klar existenzrelevant", und zwar in dem Sinn, so Bischof Benno Elbs weiter, dass "ich nun die Handlungen und Entscheidungen immer auch nach drei Punkten, die die Religion leistet, befrage. Fragen wir uns doch, ob etwas stabilisierend wirkt, oder eskalierend. Sind unsere Handlungen Hinwendung zu jenen, die keine Stimme haben und handeln wir so, dass Vertrauen gefördert wird." In diesen drei grundsätzlichen Fragen liege, so Bischof Elbs weiter, für ihn die Existenzrelevanz von Glaube, Religion und Kirche.  

Zurück zur Normalität, wirklich?

Nun sind rund sechs Monate der viel zitierten "neuen Normalität" ins Land gezogen. Vieles ist anders, an vieles hat man sich gewöhnt und manchem wird man dann irgendwann einmal nicht nachtrauern. "Ich frage mich bei allem natürlich auch, was heißt es, wenn wir zurück zur Normalität wollen. Wollen wir wirklich, dass gar alles wieder so wird wie vorher? Was derzeit für mich spürbar wird, ist so etwas - ich nenne es jetzt einfach einmal so - wie ein ,gesellschaftliches Burnout'. Viele Menschen tragen Probleme mit sich herum und durch die Krise wurde da vieles an die Oberfläche gespült. Oder auch wenn ich an die Natur denke. In der Krise hat die Natur spürbar aufgeatmet. Will ich also wirklich, dass alles wird wie vorher?"

Die Krise verändert

Die Krise verändert. Sie verändert Menschen, sie verändert das Zusammenleben, sie verändert Sichtweisen. "Ich zum Beispiel gehe aus dem Erleben dieser Krise auch spirituell gesehen verändert heraus. Und ich glaube, so geht es vielen. Die Frage ist nur, wie lange diese Veränderung anhält", wirft Bischof Benno Elbs auch bereits einen Blick nach vorne, in eine Zukunft, in der, so Elbs weiter, ganz entscheidend sein wird, welche Antworten wir gerade im Hinblick auf die Fragen der Umwelt, der Natur und der gesamten Schöpfung zu finden fähig sind.

 

Buchtipp

Cover Werft eure Zuversicht nicht wegBenno Elbs: "Werft eure Zuversicht nicht weg", Tyrolia Verlag 2020

Während der Zeit des Lockdowns ist ein neues Buch entstanden, in dem Bischof Benno Elbs allen äußeren Krisen zum Trotz die Zuversicht thematisiert. "Das Buch ist, wenn man so will, in drei große Kapitel gegliedert. Im ersten Teil gehe ich der Frage nach, was Zuversicht zerstören kann und was Zuversicht entstehen lässt. Zuversichtsgeschichten aus der Bibel bilden den zweiten großen Themenkreis, bevor ich im dritten Kapitel das Kirchenjahr als ,Schule der Zuversicht' aufzeige", umreißt Bischof Benno Elbs in kurzen Worten all jene Gedanken und Querverbindungen., die ihn gerade in der Anfangszeit der Krise die Zuversicht nicht wegwerfen ließen.