In Sachen Klimakrise haben sich Alt und Jung nichts zu sagen? Von wegen: Beim ersten Generationtalk im Jugend- und Bildungshaus St. Arbogast entspann sich ein interessanter Dialog...

Es gibt Themen, die meidet man tunlichst, sobald mehrere Generationen an einem Tisch sitzen. Politik ist bei Familienfeiern so ein rotes Tuch, Religion kann inzwischen auch prima spalten – und Klimafragen sowieso: Weil Nichte X den Braten schmäht – die CO2-Bilanz von Fleisch ist schließlich katastrophal – Schwager Y aber partout nicht auf seinen SUV verzichten will.

Dummerweise bekommt unsere Gesellschaft ausgerechnet da ein Problem, wo Menschen – nicht zuletzt „die“ Jungen und „die“ Alten – aufhören, miteinander zu reden. Und spannend wird es, wo genau das doch passiert!

Reden ist Gold

Freigeist, das Jugendprogramm des Jugend- und Bildungshauses St. Arbogast hat zusammen mit den Fridays For Future Vorarlberg zum ersten „Generationtalk“ geladen: Gut 60 einander wildfremde Menschen zwischen 15 und 20 sowie über 55 Jahren trafen sich Dienstag, um einen Tag lang in verschiedensten Konstellationen über die Klimakrise zu sprechen – freiwillig. Unter ihnen eine Pionierin der Vorarlberger Umweltbewegung wie Hildegard Breiner, Herbert Koschier als betriebswirtschaftlicher Leiter des Vorarlberger Umweltverbandes und Alex Klapper als Vertreter der Fridays For Future. Die anfängliche Befürchtung von Anika Vallaster, Obfrau des Jugendforums Montafon, dass sich die Anwesenden prinzipiell eh einig wären und es darum gar nicht so viel zu diskutieren gebe, entkräftete sich schnell. Denn selbst innerhalb der „Echokammer“ derer, die die Klimafrage für das wichtigste Thema unserer Tage halten, ist die Spannbreite der Positionen enorm: Da wäre zum Beispiel Eduard Fischer als Vizepräsident der Wirtschaftskammer und Geschäftsführer der Offset-Druckerei Schwarzach, der überzeugt ist, dass das Geld, das in Klimaschutzmaßnahmen investiert werden soll, überhaupt erst verdient werden müsse – und brachte die Wirtschaft als wichtigen Partner ins Spiel. Auf der anderen Seite steht Anika, die glaubt, dass es seitens der Wirtschaftstreibenden an mancher Stelle sinnvoller wäre, Emissionen zu reduzieren, statt ihren Ausstoß über den Handel mit Klimazertifikaten zu kompensieren. Breiner, die Diskussionen wie diese seit Jahrzehnten miterlebt und -gestaltet hat, weiß, dass man ob der scheinbaren Unvereinbarkeit der Positionen manchmal schier verzweifeln möchte – dass es sich aber lohne, am Ball zu bleiben. Auch darum imponierten ihr die Fridays-For-Future-Aktivitäten: Weil man auf den Demonstrationen und Streiks das Gefühl bekomme, dass man mit seinem Engagement nicht alleine ist.

Handlungsspielräume entdecken

Die Diskussion am Podium setzt sich nahtlos in kleineren Gruppen fort: Wo ist die ältere Generation gefordert, wo die jüngere? Was braucht die eine von der anderen – und welchen aktuellen Herausforderungen müssen wir uns stellen? Dass sich einander Unbekannte so offen und vorurteilsfrei darüber austauschen und dabei auch vor Meinungsverschiedenheiten nicht zurückschrecken, entpuppt sich als große Stärke des Formats – und unterscheidet den Generationtalk wohltuend von besagten Familienfesten und Diskussionsforen im Netz: Hier begegnet man sich von Angesicht zu Angesicht wie bei Omas Geburtstag, ist sich aber trotzdem fremd genug, um die Gebote des Anstands nicht über Bord zu werfen wie in manchen anonymen Kommentarspalten.

Einigkeit herrscht darüber, dass es gar nicht so leicht ist, sich unserer Wachstums- und Konsumgesellschaft zu entziehen – und sich zu fragen, was es eigentlich wirklich für ein gutes und zufriedenes Leben braucht. Manche Teilnehmer/in hat sich auf diesen Prozess der Selbstreflektion bereits eingelassen und etwa bewusst auf das neueste Smartphone verzichtet oder zu einem privaten Kleidertauschmodell gefunden, wie Lisa und ihre Oma Karin. Alex hat dabei entdeckt, dass sich dieses Fokussieren nicht wie „Verzicht“ anfühlt, sondern wie eine Entschleunigung und Befreiung. Trotzdem weiß er, dass das nicht allen so geht und viele fürchten, dass Klimaschutz in erster Linie Askese und Verbot bedeutet. Hildegard Breiner ist überzeugt, dass es hilft, wenn viele mit gutem Beispiel vorangehen. Und dann ist da noch Christoph, der der Diskussion mit verschränkten Armen verfolgt: „Eigentlich bin ich als Skeptiker der Fridays For Future hergekommen“, erklärt der HTL-Schüler später. „Aber jetzt merke ich, dass ihr das nicht nur macht, um die Schule zu schwänzen, sondern weil ihr wirklich mit Herzblut dahintersteht.“ Das imponiere ihm – und er nehme einiges an Denkanstößen mit nach Hause.

Die Diskussion geht also weiter: Beim gemeinsamen Essen, am Gang, später im Bus, und, hoffentlich: Darüber hinaus...