Denkt man an Märchen, kommen einem wahrscheinlich unweigerlich die Brüder Grimm in den Sinn. Kein Wunder, schließlich haben sie viele Volkssagen überarbeitet und illustriert - und die kommen oftmals aus anderen Ländern, als man es vermuten würde. Oder hätten Sie gewusst, dass der Froschkönig eigentlich aus Schottland kommt und ihn statt eines Kusses die Enthauptung durch ein rostiges Messer erlöst? Nur eine der vielen (grausamen) Erkenntnisse, die die rund 200 BibliothekarInnen bei ihrer Jahrestagung am Wochenende in Batschuns aber gut verkrafteten.

Es ist schon ein komisches Bild, wenn (langjährige) BibliothekarInnen gemeinsam versuchen ein Märchen zu rekonstruieren. Mit nichts als kleinen Symbolkarten und Gegenständen bewaffnet. Einer Krone, einem Granatapfel, Bildern von Tieren und Märchenorten und Textstellen aus dem Märchen nämlich. Da entsteht dann plötzlich eine rege Diskussion darüber was zusammengehört und Textpassagen werden ganz genau unter die Lupe genommen. Genau das wollte Sabine Mähne von LesArt - dem Berliner Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur auch erreichen. Denn: Märchen vorlesen und Märchen erzählen ist nicht das gleiche und um diese zum Leben zu erwecken braucht es manchmal gar nicht viel. Geräusche wie das Zirpen von Vögeln im Wald, Bilder von einem Brunnen oder eben Gegenstände wie eine Krone zum Beispiel.

Warum Schneewittchen Schlangen in sich trägt

"Irritationen machen wach, weil manchmal darüber nachgedacht wird", bekräftigt Mähne und gibt Hinweise darauf, dass die Brüder Grimm die Märchen aus anderen Ländern zusammengesammelt haben. Hänsel und Gretel kommen z.B. aus Brasilien, Rotkäppchen ist eigentlich Brasilianierin, der Froschkönig ein Schotte und Schneewittchen hat türkische Wurzeln. Und deren Geschichten sind manchmal noch etwas "grausamer" als die überarbeite Version der Brüder Grimm. Schneewittchen beispielsweise wird von ihrer Stiefmutter drei Schlangen in den Bauch gepflanzt um den Anschein zu erwecken sie sei schwanger, damit sie ausgesetzt wird. Aber sollte man heute überhaupt noch diese grausigen Märchen erzählen? Unbedingt, meint Mähne, schließlich mildert das freie Erzählen die Grausamkeit - und die Kriegsbilder aus dem Fernsehen sind auch nicht besser.

Tausche Erbse gegen Prinz - die ganze Schote

Etwas unkonventioneller gehen Sabine Aigner und Helmut Schlatzer vom "theater/baum/schere" das Thema Märchen an. Das Märchen der Prinzessin auf der Erbse von Hans Christian Andersen um genau zu sein, oder wie sie es nennen Tausche Erbse gegen Prinz - die ganze Schote. Nur dass dem Prinz die "wehleidige Zimperlies" auf die Nerven geht und er deshalb im "Harold" eine neue Prinzessin sucht. Eine unerschrockene, die mit Matsch werfen und mit Lego spielen mag nämlich. Was Michael Jackson und ein Eisbär damit zu tun haben, bleibt offen, der Applaus des Publikums hingegen sprach Bände. Beeindruckt zeigten sich die beiden Schauspieler von den Bibliotheken Vorarlbergs, in denen sie die vorhergehende Woche bereits getourt hatten und viele innovative Ideen  mit nach Hause in die Steiermark nehmen.

Vorarlberg auf Spitzenplatz

Innovativ und engagiert waren dann auch die entscheidenden Worte zu Beginn der Jahrestagung in Batschuns. Landesrätin Dr. Bernadette Mennel betonte beispielsweise, dass Lesen nicht nur eine wichtige Kulturtechnik, sondern auch Grundlage jeglichen Lernens sei und spannte damit den Bogen zu den Flüchtlingen. Diese werden in den Bibliotheken, die gleichzeitig auch Orte der Begegnung und Treffpunkt sind, nämlich herzlich willkommen geheißen. Mit Sprachkursen und  speziellen Medien zum Beispiel. Nach wie vor nimmt Vorarlberg den bibliothekaren Spitzenplatz in Östereich ein - Stichwort 70.000 BenutzerInnen, 2,5 Millionen Entlehnungen pro Jahr sowie 750 ehrenamtliche MitarbeiterInnen.

Eine wichtige Stütze bildet hier auch die Büchereifachstelle der Diözese Feldkirch, die 1958 gegründet wurde. Auch Pastoralamtsleiter Martin Fenkart bedankte sich bei den BibliothekarInnen für ihre Arbeit, die bis auf ein paar männliche Ausnahmen auf Frauenpower zurückzuführen sei und wies insbesondere auf die vielen gelungenen Projekte in Vorarlberg hin. Die Veranstaltungsreihe zu Tod und Trauer der Walserbibliotheken in Kooperation mit dem Bestattungsunternehmen Stuchly zum Beispiel, bei dem Kinder sogar Särge bemalen durften. Oder die zahlreichen Integrationsprojekte, kam Fenkart beim Aufzählen der zahlreichen Gemeinden Vorarlbergs fast in Straucheln. "Wie beim Bofrost-Mann", grinste er.