Jahrestagung der Bibliothekar:innen, das klingt vielleicht „trocken“, ist es aber nicht. Heuer wurde im übertragenen Sinn der Kochlöffel geschwungen und man stellte fest, dass Literatur längst auch eine Sache des kulinarischen Geschmacks ist.

Es dreht sich ums Essen. Nicht alles. Aber vieles. Jede:r, der schon einmal den WhatsApp-Status seiner Telefonbuch-Bekanntschaften durchgeblättert hat, wird längst das Gefühl nicht mehr los, dass Essen absolut ein Thema ist. Und nicht irgendwelches Essen, gutes Essen, schön in Szene gesetztes Essen. Essen ist zum Lifestyle geworden. Das wissen natürlich auch Renate Mechini (Verkaufsleiterin) und Barbara Thieme (Marketingleiterin) vom Verlag Dorling Kindersley (DK), der nicht zuletzt für seine Kochbuch-Serien bekannt ist. Stichwort Jamie Oliver, Stichwort Yotam Ottolenghi - da fällt der Groschen. Beide also Renate Mechini und Barbara Thieme, waren sie zuletzt zu Gast bei der Jahrestagung der Bibliothekarinnen im Spannrahmen Hard und da ging es - Achtung Preisfrage - ja, ums Essen und um die Bücher dazu. 

Drei Rezepte pro Lieblingsbuch

Essen ist heute keine reine Bedürfnisbefriedigung mehr, sondern ein Lebensgefühl geworden. Man lädt Freunde ein, man zelebriert das Zubereiten, man schmökert abends auf der Couch in den kulinarischen Neuerscheinungen. Und ja, die Verlage wissen das und ja, sie fördern das natürlich auch bewusst. Ein Kochbuch, das ist ein Reiseführer, das ist die Biografie eines Küchenstars und das ist - neben dem Inhalt - natürlich auch Optik und Haptik. Sprich: ein Kochbuch mit Rezepten aus Italien muss auch nach Italien aussehen. In den Verlagen stellt man sich nun also die Frage. wie denn „Italien“ aussieht, wie es sich anfühlt, welche Schrift dazu passt. Ja, es wird viel Aufwand darum betrieben und das, obwohl im Durchschnitt handverlesene drei Rezepte aus den neuen „Lieblingskochbüchern“ auch wirklich gekocht werden.
Warum also das ganze Brimborium? Vielleicht, weil die Kochbücher aktuell satte 25% an der Gesamtzahl der Sachbücher stellen, die DK derzeit im Verlagsprogramm haben. Kochen ist Trend und das nicht erst seit gestern. Das bestätigt auch Helga Reder von der Tyrolia in Bludenz gerne. Einen echten Ladenhüter in Sachen kochen hatte sie noch nie und im Grunde gehe es immer darum, dass jemand an der einen oder anderen Stelle eine Auswahl treffen muss. Sei es der Verlag, die Händler:innen und am Schluss die Leser:innenschaft.

young and urban am Herd 

Das Auswählen  zeigt sich auch in den Bibliotheken. Auch hier findet man Kochbücher. Nicht immer in der Kulinarik-Ecke, durchaus schon mal im Bereich „young and urban“ (wenn zum Beispiel ein youtube-Star auch kochen kann und so ganz neue Zielgruppen Interesse entwickeln) und auf jeden Fall auch im Revier der Krimis und Thriller. Krimis mit durchaus kulinarischen Ambitionen gibt es nämlich auch.

Die Idee, das Buch, der Verlag und dann?

Nicht selten knurrt da der Magen, wenn Paola Brunetti über den Dächern von Venedig den Herd anschmeißt oder sich Commissario Montalbano eine Portion Pasta gönnt. Oder wenn Doro Ritter an den Ufern des Gardasees von Band zu Band immer wieder in Kriminelles hineinschlittert. Doro Ritter ist übrigens niemand geringerer als die Protagonistin in Gudrun Grägels Gardasee-Krimis und bei der Jahrestagung der Bibliothekarinnen war die Autorin selbst zu Gast. Sie las aus dem aktuell dritten Band ihrer Italien-Serie – „Pasta criminale“ - und auch da wurde es herzhaft. Zum Beispiel, als Gudrun Grägel davon erzählte, wie sie vor Ort zu recherchieren begann, wie sie Kontakte knüpfte zu den Menschen in den malerischen Dörfern und so auch in die Küchen und in die Töpfe der urigen „Ristorante“ linsen durfte. Ja, das Schreiben ist auch Knochenarbeit – die Suche nach einem Verlag sowieso. Und dann geht es natürlich weiter. Weil „nur weil man dann einen Verlag hat, verkauft sich das Buch sicher noch nicht einfach so von selbst“, erzählt auch die Vorarlberger Neo-Backbuchautorin Sophia Dünser. Gebacken habe sie immer schon gerne. So richtig wichtig wurde es für sie während ihrer Studienzeit. Dann kam die Suche nach einem Verlag. Sie habe sich, auch wenn es zunächst Absagen gab, einfach schon gefreut, dass sie überhaupt eine Antwort bekommen habe. Bei der Edition V hat es dann geklappt. Was das Besondere an ihrem Backbuch „Himbeerschnitte und Holundereis“ ist? Dass nicht alles sauber durchgestylt wirkt, dass sie für die Fotos durchaus selbst zur Kamera gegriffen hat und dass ihr Studium der Biologie auch mitspielen darf. „Jedes Kapitel beginnt mit einer Beschreibung der Beeren, mit denen danach gebacken wird“, lächelt Sophia Dünser, die werktags nicht nur in der Backstube, sondern auch im Klassenzimmer steht. Lehrerin ist sie nämlich auch noch und seit neuestem auch Autorin eines Kinderbuches („Geschichten aus dem Hühnerstall“).

Grillen nur was für "Fleischtiger"? Sicher nicht!

Zurück aber zum Kochen und den Büchern dazu. Die Frage nach dem Zielpublikum stellt man sich da natürlich nicht nur in der Bibliothek, sondern lange zuvor schon beim Verlag. Die Antwort der beiden Dorling Kindersley-Damen: „Eher weiblich. Eher männlich, wenn es um Spezialbücher wie zum Beispiel jene zum Thema ,Whiskey‘ oder ,Grillen‘“ geht. Tom Heinzle, der Vorarlberger, der heute schlichtweg als Pionier der Wintergriller bekannt ist, könnte das sicher bestätigen. Genauso wie das Klischee, dass „der“ typische Grillen eben ein Fleischtiger ist. Aber bei Tom Heinzle kommt man damit nicht durch. Bei seinen Workshops gibt es deshalb erstens immer genügend Beilagen und zweitens immer auch einen vegetarischen Gang. Ob da schon mal jemand gemeckert hat? Nicht nur einmal. Ob am Schluss immer alles ratzeputz weg war? Auf jeden Fall! Was er nie machen würde? Etwas, hinter dem er nicht stehen könnte. Was er schon längst machen wollte? Ein vegetarisches Grillbuch. Gesagt, getan und so ist Tom Heinzle aktuell mit „Vegetarisch grillen“ auf dem Markt. Ob er stolz ist auf seinen Erfolg? „Wenn ich mir die Entwicklung von meinem ersten bis zu meinem aktuell letzten Grillbuch anschaue, dann freue ich mich schon auf mein zwölftes Buch“, lacht er da.

Kochen ist Lifestyle

Es hat sich viel getan, auf dem Kochbuch-Markt. Und wenn man die Kochbücher der Vergangenheit mit den gegenwärtigen in ein Regal stellt, dann wird sichtbar, wie sehr auch das Kochbuch gesellschaftliche Entwicklungen spiegelt. Was denn so die Trends für 2022 gewesen seien, darf man da die Damen vom Verlag schon fragen. Ganz klar: Zero waste, also Nachhaltigkeit, die local exotics, regional Produzenten, die sich an ausgefallene Gemüsesorten heranwagen, und nicht zuletzt die real omnivores, wo einfach alles zu verwerten versucht wird. Nachhaltig, regional und ausgefallen also. Klingt schwer nach Zeitgeist. Ist es auch. Und so gilt der Spruch mit dem sag mir, was du isst und ich sage dir, wer du bist, wohl noch einige Jahre länger. Den findet man übrigens auch in der Bibliothek um die Ecke – versprochen.