Berufung ist nicht nur für Freaks, sondern ein essentieller Auftrag der Kirche.

»Jeder Steinblock birgt eine Statue in seinem Inneren, und es ist die Aufgabe des Bildhauers, sie zu entdecken«. Dieses Zitat von Michelangelo beschreibt auf beeindruckende und einfache Weise, was „Berufung“ bedeutet. Wenn ein Künstler diesen Blick auf einen Steinblock werfen kann, wie wird dann wohl Gott als Schöpfer aller Dinge seinen Blick auf uns werfen?

Und genau das ist die Grundbotschaft einer Berufung: Gott ruft jede und jeden ganz individuell in diese Welt, mit den jeweiligen Talenten und Stärken und Herzensanliegen, um in dieser Welt fruchtbar zu sein.

„Wenn wir von Berufung sprechen, geht es demnach nicht nur darum, diese oder jene Lebensform zu wählen, seine Existenz einem bestimmten Dienst zu widmen oder der Faszination des Charismas einer Ordensfamilie, einer Bewegung oder einer kirchlichen Gemeinschaft zu folgen; es geht darum, den Traum Gottes zu verwirklichen, den großen Plan der Geschwisterlichkeit, den Jesus im Herzen trug, als er zum Vater betete: »Alle sollen eins sein« (Joh 17,21).“, so Papst Franziskus vor wenigen Wochen in seiner Botschaft zum 59. Weltgebetstag für geistliche Berufungen.

Wir sind davon überzeugt, dass Berufungspastoral eine wichtige Zukunftsfrage in der pastoralen Arbeit ist und dass jede Pastoral (egal ob Schul-, Pfarr-, Krankenhauspastoral…) immer auch Berufungspastoral mit sich bringt.

Die Frage, mit der wir junge Menschen ansprechen lautet: Wo ist deine einzigartige Berufung, die dir Gott schenkt? Wo und wie findest du das „Leben in Fülle“ (Joh10,10). Wollen wir als Kirche auch noch in Zukunft relevant sein, dann müssen wir uns doch genau auf solche Fragen stürzen, die (junge) Menschen beschäftigen, mit denen sie hadern und bei denen sie sich oft auch Antworten und Begleitung wünschen.

Berufen sind nicht nur Freaks

Die Berufungspastoral darf sich nicht auf die „Insider“ konzentrieren, auf die, die meist eh schon auf dem Weg sind. Wir dürfen uns nicht damit zufriedengeben, einen Mangel zu verwalten und die „Kirchlich-sozialisierten“ und „Suchenden“ zu bedienen. Berufungspastoral heute muss die Begegnung mit der Welt suchen. Es geht in der (Berufungs)Pastoral darum, dass das Reich Gottes wächst – also darum, ein Leben in Fülle für alle Menschen zu ermöglichen. Berufung im Kontext einer synodalen Kirche heißt, dass wir uns gemeinsam auf die Spuren des Evangeliums begeben, auf Augenhöhe mit anderen Menschen in Kontakt treten und mit wahrem Interesse Menschen ansprechen.

Die Kirche sucht und ringt um Berufungen

Dass es auch in der Kirche „Berufene“ braucht, egal ob als Priester, Pastoralassistent*in, Jugendleiter*in, Religionslehrer*in, etc. ist uns wohl allen bewusst. In der heutigen Zeit merken wir aber auch, dass es immer schwieriger wird, Menschen für die Arbeit in der Pastoral zu gewinnen. Wenn wir aktuell die Zahlen der Vorarlberger Theologiestudierenden anschauen dann muss man kein Wahrsager sein um festzustellen, dass es in der Zukunft mit dem Fachkräftemangel wohl nicht einfacher wird. Heißt das, dass Gott niemand mehr für seine Kirche beruft?

Im Gegenteil, würden wir behaupten! Aber vielleicht haben wir in unserer heutigen, schnelllebigen und von Reizen überfluteten Zeit ein wenig das Zuhören verlernt; das Hören auf Gott, aber auch auf unsere eigenen, tiefen inneren Sehnsüchte. Die Welt wird immer hektischer. Neben den Bemühungen Arbeit, Familie, ehrenamtliches Engagement, Hobbies und die Erwartungen, die von außen an einen herangetragen werden, unter einen Hut zu bringen, bleibt meistens nur noch wenig bis gar keine Zeit mehr für Stille, Besinnung und das Hören auf meine tiefste Sehnsucht. Das Bedürfnis nach diesen Dingen und danach, einfach als Mensch so wie ich bin gesehen, wertgeschätzt und geliebt zu werden wird dadurch aber nicht weniger.

Wenn angeblich jeder eine Berufung hat, wie stellen wir es dann an, dass vor allem junge Menschen diese auch finden? Hier ist es wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass wir als Kirche keine Berufungen machen können. Dafür ist Gott zuständig. Aber wir können die Menschen eben auf dem Weg dorthin unterstützen. Der erste Schritt hierzu ist erst einmal: Den Kontakt mit ihnen suchen. Mit ihnen reden. Sie fragen: Was sind deine Sehnsüchte im Leben? Was wünschst du dir? Wovon träumst du? Was erfüllt dich wirklich? Wo findest du das? Wir sind dabei in einer nicht ganz schlechten Ausgangssituation, denn noch gibt es einige Möglichkeiten, wie wir als Kirche mit jungen Menschen in Kontakt kommen können (Ministrantendienst, Firmung oder sonstiges Engagement in der Pfarre).

Bei dieser Suche nach dem "Leben in Fülle" können wir, als Haupt- und Ehrenamtliche, sie ein Stück begleiten, ihnen vielleicht ein bisschen Handwerkszeug mitgeben, ihnen auf jeden Fall aber deutlich machen, dass es jemanden gibt, der sie einzigartig und wunderbar geschaffen hat und der will, dass sie ihre Talente und Gaben und einfach sich als Persönlichkeit so in diese Welt einbringen, dass sie selber und vielleicht auch die Menschen in ihrem Umfeld dadurch das Leben in Fülle haben.

Franziska Römelt und Thomas Erlacher
Berufungspastoral