Eine Lohnkutscher-Rechnung und keine Geschichte.

Archivale des Monats - Juli 2014

 

Im Pfarrarchiv Bregenz St. Gallus findet sich unter anderen Rechnungsbelegen aus dem Jahr 1912 eine einfache Lohnkutscher-Quittung; am 12. Juli 1912 stellte der Lohnkutscher Johann Georg Botzenhart in Bregenz eine Quittung für folgende Leistung aus: "Ein Wagen für Sr. Hochwürden den Herrn Bischof, abholen und wieder zur Bahn bringen."

Es reizt natürlich, den Anlass herauszufinden, warum "Herr Bischof" - in diesem Fall Franz Egger - sich an diesem Freitag nach Bregenz begeben hat. So einfach scheint es nicht zu sein: es folgt eine "Tiefenbohrung" im Diözesanarchiv.

Der Tag

Der 12. Juli 1912 war ein Freitag. Das Wetter war - laut Tageszeitung - sommerlich, Kaiser Wilhelm hatte den schönen Tag für eine Bootstour am Bodensee genutzt, das Volksblatt berichtete über den neuen Weltrekord im Klavierspielen - 74 Stunden, so geschehen in Südafrika.

In den Aufzeichnungen

Bischof EggerWarum Bischof Franz Egger an diesem Tag mit dem Zug nach Bregenz und dann nach Bregenz St. Gallus gefahren war, lässt sich aus den Unterlagen des Diözesanarchivs nicht mehr rekonstruieren. Es war weder eine Visitation, noch fand ein festlicher Gottesdienst aus Anlass einer Weihe, Einkleidung oder sonstigen kirchlichen Handlung statt.

Das Verkündbuch der Stadtpfarre Bregenz vermerkt nur für den 12. Juli: "Am Freitag, 12., begehen wir das Gedächtnis des Maryrers Andreas von Rinn". Dieser Gedenktag wurde übrigens inzwischen ins Reich der Legenden verwiesen und von der Diözese Innsbruck abgeschafft. In Bregenz heißt es weiters: "Am Freitag wird der gestiftete Jahrtag mit 2 Ämter und 6 hl. Messen mit Vigil und Placebo (=Totenandacht) gehalten für Konrad Gais."

Auch der Vorarlberger Landtag hielt keine Sitzung ab, ebenfalls ist den Medien sonst keine Vereinsversammlung oder politische Kundgebung zu entnehmen. Hochzeiten und Beerdigungen gab es in St. Gallus an diesem Tag ebenfalls keine. Weder Protokollbände noch Listen der bischöflichen Funktionen, Matrikenbücher oder Weihebücher und Akten geben einen Hinweis auf den Grund der Reise.

Alltag der Mobilität

St. Gallus Bregenz (Turm)Immerhin erzählt uns die Archivale einiges über die Alltagskultur der Mobilität der Zeit. Die Bevölkerung war noch kaum motorisiert. In den Städten waren Lohnkutscher diejenigen, die Taxidienste auf kurze Strecken versahen, die Postkutschen waren inzwischen durch die Eisenbahnlinien abgelöst worden. Auf dem Lande waren immer noch Pferde, Pferdewagen und Fuhrwerke als Transportvehikel im Einsatz. Ein Bischof reiste jedoch standesgemäß mit der I. Klasse der Eisenbahn und anschließend mit der Kutsche zur Stadtpfarrkirche.

Warum reiste Bischof Franz Egger also nach Bregenz?

Vielleicht wollte er einfach nur mit Stadtpfarrer Josef Ammann zu Mittag essen und die aktuelle Lage in der Diözese Brixen besprechen: schließlich war am 25. Juni 1912 der Fürstbischof von Brixen, Joseph Altenweissel, überraschend gestorben und Franz Egger war einer der Nachfolgekandidaten. Und tatsächlich: am 27. September 1912 wurde er zum Fürstbischof von Brixen ernannt und war bis zu seinem Tod 1918 als letzter Fürstbischof von Brixen als Oberhirte für eine Diözese verantwortlich, die noch Nord- und Südtirol sowie das Generalvikariat Vorarlberg umfasste.

Sonnenuntergang am Bodensee

Oder er wollte den Sonnenuntergang am Bodensee betrachten: Das Archiv der Diözese Feldkirch wünscht einen erholsamen Sommer!

Bestand: AT-ADF 3. PA Bregenz-St. Gallus